Breitseite gegen Microsofts Windows CE

Konsortium für Linux in Embedded Systems gegründet

31.03.2000
MÜNCHEN (ls) - Fast 50 IT-Unternehmen haben das Embedded Linux Consortium (ELC) gebildet, das Standards für das Open-Source-Betriebssystem und entspechende Anwendungen in Embedded-Systemen vorantreiben soll. Das hätte auch Auswirkungen auf die Arbeiten an Echtzeit-Linux-Systemen.

Der Markt für Betriebssysteme wird nach Jahren der Monotonie wieder interessant. Microsoft beherrscht das Desktop-Geschäft und bekommt in der Server-Szene von Linux immer mehr Konkurrenz. Zurückgehalten durch das US-Gerichtsverfahren und weltweiter Prüfungen wegen seiner Monopolstellung, hat der Gigant zuletzt auch wenig Dampf für Windows CE im Bereich der Kleinsysteme machen können. Die Konkurrenz aus dem Linux-Lager wittert eine Chance.

In den letzten Wochen hatte Rick Lehrbaum, treibende Kraft in der PC/104-Organisation, die sich zugunsten einer Standardarchitektur für Embedded-Systems-Applikationen engagiert, via Internet für ein Treffen zum Erhalt der grundlegenden Einheit von Linux für Embedded Chips geworben. Auf einem Treffen im Rahmen der Embedded Systems Conference am 1. März 2000 in Chikago erschienen statt der erwarteten 40 Firmenrepräsentaten doppelt so viele. Am 9. März wurde dann von fast 50 IT-Unternehmen offiziell das neue Non-Profit-Konsortium ELC begründet.

Das ELC (www.embedded-linux.org) soll nicht nur die mancherorts befürchtete Fragmentierung in Dutzende möglicherweise nichtkompatible, in Chips gebrannte Linuxe verhindern, sondern versteht sich auch als treibende Kraft zur Entwicklung von Standards für solche Systeme. Ob die Organisation auch selbständig Spezifikationen formulieren wird, steht allerdings noch nicht fest. Die Gruppe ist die Instanz zur Verbreitung technischer Unterlagen zwischen Mitgliedern. Außerdem soll sie auf Messen und Konferenzen für Publicity sorgen sowie jungen Unternehmen in diesem Marktsegment Marketing-Unterstützung zukommen lassen.

Auf der Gründungsversammlung haben Firmenvertreter der ELC eine Startfinanzierung von 100 000 Dollar zugesagt. Der jährliche Obulus soll zwischen 650 und 2500 Dollar betragen, je nach Art der Mitgliedschaft als Executive, Associate oder Affiliate. Lehrbaum wurde bis zur ersten Benennung des Führungskreises zum Interims-Vorsitzenden gewählt, der Berater Murry Shohat fungiert als Interims-Executive-Director.

Unter den Gründungsmitgliedern finden sich neben den Linux-Größen Red Hat und der Caldera-Tochter Lineo die Unternehmen Accelent Systems, Aisys, Cendio Systems, Centura Software, Coollogic, IBM, Infomatec IAS, Linuxdevices.com, Lynx Real-time Systems, Microtronics Datacom, Monta Vista Software, Moreton Bay, Motorola Computer Group, New Monics, Open Systems Publishing, QNX Software, Timesys, Transvirtual Technologies, Troll Tech und Wind River Systems.

Einigen Beobachtern fiel auf, dass auf der ELC-Liste Firmen mit starken Interessen an Embedded-Java sind, nicht aber Sun. Auch darin wird ein Zeichen gesehen, dass die Linux-Szene inzwischen genug Selbstbewusstsein hat, große Projekte notfalls auch ohne große Namen gegen starke Konkurrenz zu betreiben.

Der ELC-Vorsitzende Lehrbaum hielt bei seiner ersten Erklärung in neuer Funktion nicht hinterm Berg: "Das ELC soll sofort die Erkenntnis verbreiten, dass es nicht zwei Optionen für Embedded-Betriebssysteme - Microsoft und Nicht-Microsoft - gibt, sondern ab jetzt drei: Microsoft, Linux und andere."

Den Segen von Linux-Vater Linus Torvalds hat er bei dieser unverkennbar herausfordernden Positionierung. Denn der erklärte: "Das ELC ist Ausdruck des gegenwärtig explodierenden Interesses an der Nutzung von Linux in Tausenden spezialisierter embedded, mobiler und Kleinstrechner-Anwendungen."

Lehrbaum geht an sein Ziel ohne sonderlichen Respekt vor Microsoft heran: "Linux ist das am schnellsten wachsende Betriebssystem für Server. Der Markt für Embedded-Computer, der mehr als 95 Prozent aller jährlich hergestellten Mikrochips absorbiert, ist das nächste Ziel."

Stimmen von Marktbeobachtern fördern den verbreiteten Optimismus in Embedded-Linux-Kreisen. IDC-Analyst Paul Zorfass meint: "Linux beginnt sich im Embedded-Systems-Markt zu etablieren, in dem die Zuverlässigkeit, Modularität, Skalierbarkeit, Konfigurierbarkeit und die niedrigen Kosten dieses Betriebssystems äußerst attraktiv sind. Das neue Embedded Linux Consortium kommt genau im richtigen Moment, um den entstehenden Trend zu Linux als Betriebssystem für ein breites Spektrum intelligenter Kleingeräte und Embedded Systems zu verstärken."

Gartner-Group-Analyst Kevin Knox verweist auf den Boom von Handhelds, Mobiltelefonen und Internet-fähigen Geräten, die Alternativen zu heutigen PCs werden dürften. Angesichts Microsofts aktueller gerichtlicher Probleme gebe es für diese Konkurrenten "eine größere Chance als jemals zuvor". Die Zukunft liege nicht in Microsofts Desktop-Reservat, sondern darin, dass der Markt für verschiedene Internet-Devices wachsen werde. Hier dürfte das ELC die Aussichten für Linux verbessern.