5G trifft Wi-Fi 6

Konnektivität in neuer Dimension?

17.01.2020
Von 
Axel Simon ist Chief Technologist bei HPE Aruba.
Der Hype um 5G ist ungebrochen. Aber wird der neue Mobilfunkstandard die hohen Erwartungen erfüllen können? Und welche Rolle spielt künftig eigentlich Wi-Fi 6? Können sich die Technologien ergänzen, um einen neuen Level der Konnektivität zu beschreiten?
5G versus Wi-Fi 6 - welche der neuen Funktechnologien erfüllt die Anforderungen der Unternehmen besser? Muss es überhaupt zum "Kampf" kommen?
5G versus Wi-Fi 6 - welche der neuen Funktechnologien erfüllt die Anforderungen der Unternehmen besser? Muss es überhaupt zum "Kampf" kommen?
Foto: Artem Furman - shutterstock.com

Zahlreiche Netzbetreiber sehen in der Mobilfunk-Technologie 5G die Möglichkeit, mit einer End-to-End-Komplettlösung, die Indoor und Outdoor abdeckt, sowohl Unternehmensnetzwerke als auch den IoT-Bereich bedienen zu können. Doch welche Rolle wird das klassische WLAN - vor allem mit dem jüngsten noch leistungsfähigeren Standard Wi-Fi 6 - in diesem Szenario spielen? Sind die beiden Technologien künftig eher konträr oder komplementär zu sehen? Obwohl der 5G-Netzausbau gerade erst anrollt, müssen sich Kunden heute schon entscheiden, ob 5G für ihre Anforderungen passend ist und es sich lohnt, darauf zu warten.

(Anmerkung der Redaktion: Bei der Würdigung der folgenden Ausführungen ist zu bedenken, dass der Autor bei einem WLAN-Hersteller beschäftigt ist. Die Aussagen könnten einem gewissen Bias unterliegen)

5G - sicherer als Wi-Fi?

Fälschlicherweise wird häufig unterstellt, Mobilfunktechnologien seien sicherer als Wi-Fi. Obwohl LTE in der Tat relativ sicher ist, besteht weiter Handlungsbedarf. Laut Forschern der University of Iowa und der Purdue University ist LTE anfällig für eine Reihe von Angriffen, wie dem Abfangen von Daten und dem Tracken des Geräts. Deswegen baut 5G die Sicherheit durch verschiedene Authentifizierungsverfahren und stärkere Verschlüsselung weiter aus. Gleichzeit entwickelt sich aber auch der Wi-Fi-Sicherheitsstandard immer weiter.

In den Diskussionen um die Smart Factory wird als Vernetzungstechnologie derzeit vor allem 5G diskutiert.
In den Diskussionen um die Smart Factory wird als Vernetzungstechnologie derzeit vor allem 5G diskutiert.
Foto: Bosch

Oft werden Drahtlosnetzwerke jedoch nicht korrekt aufgesetzt, offene WLAN-Netzwerke, die auf eine Verschlüsselung verzichten, sind bekanntlich nicht optimal. Wenn bei Netzwerken jedoch die grundlegenden Sicherheitsstandards, wie eine aktuelle WPA-Verschlüsselung und die Verwendung ausreichend komplexer Passwörter, eingehalten werden, ist Wi-Fi eine absolut sichere Netzwerktechnologie. Neue Verschlüsselungstechnologien, wie WPA3 und Enhanced Open Wi-Fi, sorgen zusätzlich für Sicherheit. Zudem ist zu bedenken, dass Unternehmen oft hohe Summen in individuell angepasste Sicherheits- und Compliance-Lösungen investiert haben. Die Nutzung mobiler Netzwerktechnologien wie 5G führt dazu, dass Unternehmen ihren Netzwerk-Traffic nicht mehr vollständig einsehen und bisher verwendete Sicherheitslösungen komplett überarbeiten müssen.

5G - mehr Funktionen als Wi-Fi 6?

Über die Geschwindigkeit von 5G bestehen keine Zweifel. Aber es wäre abwegig zu behaupten, dass Wi-Fi 6 in Bezug auf Netzgeschwindigkeit, Latenz, Bandbreiteneffizienz, Verbindungsdichte (Anzahl der verbundenen Geräte in einem gewissen Bereich) oder Zuverlässigkeit das Nachsehen hätte. 5G ergänzt den 4G-Standard um Funktionen wie Network Slicing, eine gesteigerte Verbindungsdichte und das Multi Access Edge Computing.

Für 5G spricht vor allem die große Flächendeckung.
Für 5G spricht vor allem die große Flächendeckung.
Foto: jamesteohart - shutterstock.com

Dass diese Technologien nun im Mobilfunkbereich Anwendung finden, heißt jedoch nicht, dass sie neu auf dem Markt wären. Unternehmensnetze, einschließlich Wi-Fi, zeichnen sich seit Jahrzehnten durch hohe Verbindungsdichte, Netzvirtualisierung und Edge-Computing-Fähigkeiten aus. Im direkten Vergleich von 5G zu Wi-Fi 6 fällt als signifikantester Unterschied die großflächige Netzabdeckung und das mobile Internet ins Gewicht. Wi-Fi wurde nicht zu dem Zweck entwickelt, diese beiden Faktoren zu berücksichtigen.

Dahingegen ist Wi-Fi in Bezug auf die Kosten pro Quadratmeter und die Lebenszykluskosten im Vorteil - Endgeräte, die ausschließlich mit WLAN arbeiten, sind günstiger als solche, die auch über LTE verfügen. Zusätzlich sind hier noch die Kosten für den Mobilfunkvertrag und die SIM-Karte zu berücksichtigen - daran dürfte sich auch bei 5G nicht viel ändern. Legt der Kunde Wert auf eine große Netzabdeckung und schnelles mobiles Internet - und ist gleichzeitig bereit, die zusätzlichen Kosten dafür zu tragen - dann ist 5G die bessere Wahl.

Wi-Fi 6 vs. 5G - welcher Standard ist zuverlässiger?

Sowohl Wi-Fi 6 als auch 5G sind bei sachgemäßem Einsatz äußerst zuverlässig und betriebssicher. Obwohl 5G im lizenzierten Spektrum arbeitet und somit weniger anfällig für Störungen ist als eine Funktechnik im unlizenzierten Spektrum, führt dies nicht automatisch zu mehr Zuverlässigkeit.

Wi-Fi 6 kann mit niedrigeren Kosten punkten.
Wi-Fi 6 kann mit niedrigeren Kosten punkten.
Foto: Igor Martis - shutterstock.com

Neben den verwendeten Spektren liegen einige der Vorteile des Mobilfunks im verwendeten Modulationsverfahren. Allerdings verwendet Wi-Fi 6 wie 5G das sogenannte OFDMA (orthogonales Frequenzmultiplexverfahren mit Mehrfachzugriff). Dieses Verfahren ermöglicht eine höhere Spektraleffizienz und somit die gleichzeitige Kommunikation mehrerer Endgeräte in einem ansonsten geteilten Medium. Das bedeutet, dass gerade die Nutzung der Bandbreite effektiver möglich ist und IoT-Anwendungen umgesetzt werden können.

5G nutzt zwar in der Regel lizenzierte Spektren, ist aber im Gegensatz zu WLAN in sich nicht abwärtskompatibel. Das bedeutet, dass unterschiedliche WLAN-Endgeräte in einem WLAN-Spektrum gemischt kommunizieren können, unterschiedliche Mobilfunkstandards hingegen jeweils einen eigenen Frequenzbereich benötigen.

Die wirklich hohen Bandbreiten bei 5G kommen ferner erst in den sehr hohen Frequenzbändern mit sehr breiten Kanälen zum Tragen und das geht überproportional zu Lasten der Reichweite. Diese sogenannten Millimeterwellen benötigen freie Sicht zum Endgerät und sind somit nicht uneingeschränkt störungsfrei. Ein mobiles oder temporäres Hindernis in der Sichtachse wie etwa Warenstapel, Transportfahrzeuge oder Menschen können die Verbindung bereits stören oder unterbrechen.

Wo Wi-Fi 6 und 5G künftig koexistieren

Zahlreiche Großunternehmen haben Netzumgebungen eingerichtet, die ein hohes Maß an Sicherheit, Zuverlässigkeit und Leistung bieten - etwa die Netzinfrastrukturen großer Produktionsanlagen. Wi-Fi 6 baut diese Zuverlässigkeit weiter aus. Nichtsdestotrotz bieten sich Segmentierungslösungen für manche Applikationen an, ob man dafür nun ein privates Netzwerk im lizenzierten oder im unlizenzierten Spektrum (wie bei CBRS-private LTE) in Betracht zieht, hängt von der Anwendungsumgebung ab.

Künftig ist davon auszugehen, dass in einigen Bereichen Wi-Fi 6 und 5G koexistent und transparent für den Benutzer ineinander übergehen, etwa durch nahtloses Roaming. Dadurch können beide Technologien jeweils dort ausgebaut werden, wo sie ihre Stärken haben und dem Benutzer insgesamt eine bessere Erfahrung liefern. Da die Architektur von 5G zwischen einem softwaredefinierten Kernnetz und einem sogenannten Radio Access Network (RAN) differenziert, welches auch Wi-Fi 6 sein kann, sind solche hybriden Infrastruktur-Ansätze denkbar.

in der Realität werden sich sowohl Wi-Fi als auch 5G weiterentwickeln, um Kundenwünsche besser zu bedienen. Beide Technologien werden ihre Marktanteile gewinnen. Dabei wird 5G verstärkt in Felder vordringen, in denen hohe mobile Datenraten und eine möglichst große Netzabdeckung gefordert sind. Wi-Fi 6 wird sich dagegen weiterhin als zuverlässige, sichere und kostengünstige Netzwerktechnologie für Unternehmen erweisen.

Eine FAQ zum aktuellen WLAN-Standard Wi-Fi 6 finden sie hier (Was Sie über das neue WLAN wissen sollten). "Alle Informationen über den LTE-Nachfolger 5G" liefert unsere FAQ zu dem Thema.