Konkurrenz fuer den Quasi-Monopolisten Steuerberater suchen eine Alternative zu Datev-Diensten

14.10.1994

Von Ulf Froitzheim*

Ein Teil der Steuerberater verabschiedet sich von den zentralen DV-Diensten der Datev. Die Mitglieder des Genossenschafts- Rechenzentrums sind gleichzeitig deren Eigentuemer, haben aber trotzdem wenig Einflussmoeglichkeiten. Die Konkurrenz macht jetzt mobil und versucht, die Datev-Nutzer durch billigere Angebote anzulocken.

Deutschlands Steuerberater kalkulieren genau. Doch ihre Computer- und Softwarekosten bekommen sie kaum in den Griff. Sechzig Prozent mehr als 1988, im Durchschnitt rund 28000 Mark, musste ein Steuerberater 1993 an die Nuernberger Datev zahlen - fuer Software und das Rechenzentrum, das pro Monat sieben Millionen Lohn- und Gehaltsabrechnungen abwickelt. Die Genossenschaft ist mit rund 933 Millionen Mark Umsatz groesster unabhaengiger Dienstleister auf dem deutschen DV-Markt.

Mit dem Wachstum des Quasi-Monopolisten waechst der Unmut vieler Steuerberater ueber dessen Geschaeftsgebaren. Denn obwohl die 33 500 Kunden der Datev zugleich ihre Eigentuemer sind, haben sie nur wenig Einfluss auf die Politik des Unternehmens.

Mittlerweile werden auch weniger DV-kundige Genossen misstrauisch. Der Widerstand formiert sich. "Wir werden die Datev mit Argusaugen beobachten", warnt der Dortmunder Steuerberater und Gruender der Interessengemeinschaft der Datev-Anwender (IDA) Friedrich-Wilhelm Witte. 150 Mitglieder konnte er schon fuer seine Oppositionsgruppe mobilisieren.

Einige seiner Kollegen stellen auf Fremdsoftware um. Denn ehrgeizige Konkurrenten wie die Daimler-Tochter Debis Systemhaus oder die Wago Steuerberatungs-Systeme locken mit modernerer Technik zu niedrigeren Preisen. Ihre Loesungen mit preiswerten, vernetzten PCs und komfortablen Programmen machen die Kanzleien DV-technisch autark. Die Do-it-yourself-Datenverarbeitung eliminiert den dicksten Kostenfaktor, die Nutzung der drei Datev- Computerjumbos via Datenfernuebertragung.

Datev-Konkurrenz meldet steigende Nachfrage

Die Datev hat viel zu verlieren. Die sechsstellige Summe, die sie einer groesseren Kanzlei in einem einzigen Jahr berechnen, reicht bei den Herausforderern fuer den Kauf eines schluesselfertigen Komplettsystems. In den Folgejahren verlangen diese Anbieter aber nur noch einen Bruchteil davon fuer die Aktualisierung der Software. "Rechenzentren sind einfach nicht mehr zeitgemaess", kritisiert der Muenchner Steuerberater Wolf Dieter Opitsch das traditionelle Datev-Konzept. Wie er beziehen schon ueber 1200 seiner Kollegen ihre Software vom Debis-Systemhaus.

Die bei der Datev gespeicherten Daten seiner Mandanten kann ein abtruenniger Kunde jedoch nicht automatisch in die neue Software uebertragen. Alles muss ein zweites Mal von Hand eingetippt werden.

Wie Wago melden auch die beiden schwaebischen Branchenveteranen Taylorix und Schleupen Computersysteme wieder steigende Nachfrage seitens der Steuerberater. Schleupen-Geschaeftsfuehrer Arno Petzoldt:

"Durch die fallenden Hardwarepreise ist deren Schmerzgrenze deutlich gesunken."

Der Trend zum kostenbewussten Handeln schlaegt sich denn auch unuebersehbar in der Datev-Statistik nieder: Ueber 1500 Berater nabelten ihren PC 1993 vom zentralen Grossrechner ab. Dass die Mitgliederzahl nicht im selben Tempo schwindet, verdanken die Nuernberger vor allem ihrer beruehmten Steuerrechtsdatenbank "Lexinform": Weil selbst hartgesottene Fremdgaenger dieses elektronische Mega-Archiv schaetzen, traten lediglich 200 Genossen endgueltig aus.

Alle Hoffnungen der Datev richten sich jetzt auf das Integrierte Datev-Verbund-System (IDVS), das vieles von dem enthaelt, was die Konkurrenz laengst anbietet. Kaufen kann es allerdings noch niemand, denn es befindet sich erst in der "Prepilotphase". Die erste Ausbaustufe des fertigen Produkts wird fuer Ende 1994 erwartet. Angekuendigt ist das Zukunftsprodukt bereits seit 1992 - vergleichbar den Pre-Announcements, mit denen es dem Computerriesen IBM

in den siebziger und achtziger Jahren gelang, seine Kundschaft vom Fremdgehen abzuhalten.

Waehrenddessen broeckelt die Abwehrfront weiter. "Schleupen und wir", freut sich Wago-Chef Barthel, "haben unlaengst in Frankfurt erstmals bei der Steuerberaterkammer praesentieren duerfen." Angesichts des traditionell innigen Verhaeltnisses zwischen Kammerfunktionaeren und Genossen gleicht das schon fast einer Revolution.