Die AS400-Anwender wollen mit IBMs SAA-Konzept auf Nummer Sicher gehen, trotzdem:

Konkrete Probleme rangieren vor DV-Technologie

21.07.1989

Die AS/400-Architektur von IBM hat sich im vergangenen Jahr vor allem bei Anwendern der Systeme /36 und /38 als Verkaufsschlager erwiesen. Trotz der immer wiederkehrenden Berichte über Portierungsprobleme und über Mängel des Betriebssystems erscheint den Käufern die Silverlake als "natürliche" Erweiterung ihrer bisherigen Möglichkeiten. Mit einigem Recht - können sie doch ihre in RPG geschriebenen Programme relativ problemlos auf der neuen Architektur laufen lassen. Was viele Anwender jedoch nicht wissen: Obwohl die Programmiersprache RPG eine Midrange-Insel der IBM zu sein scheint, bieten auch Konkurrenzunternehmen wie Hewlett-Packard, AT&T oder Siemens RPG-Compiler an wobei einige dieser Produkte zudem mit der Option, die Anwendungen in die Unix-Welt zu portieren, aufwarten - mit einer Möglichkeit also, von der RPG-Insel in eine offene Systemzukunft zu gelangen. Daß solche Alternativen kaum bekannt sind, liegt im wesentlichen an den Anbietern, die versäumen, solche Informationen an die Öffentlichkeit zu tragen. Für das AT&T-Produkt etwa, das schon seit Herbst letzten Jahres zur Verfügung steht, gibt es bis jetzt weder eine Marketing-Strategie noch entsprechene Vertriebskanäle.

Den meisten der befragten Unternehmen geht es bei ihrer Entscheidung für die AS/400-Architektur nur bedingt um den Einstieg in eine neue Technologie; was sie wollen ist eine /36 oder /38 mit mehr Leistung: "Wir konnten so tun, als sei die AS/400 ein riesiges System/36", begründet Ralf Strunk, EDV-Leiter bei der Penaten GmbH in Bad Honnef, die Neuanschaffung. Sein Unternehmen hat bisher mit einem voll ausgebauten System /36 als Hauptrechner gearbeitet, dessen Kapazitäten zum Zeitpunkt der Wechsels voll ausgeschöpft waren.

So sollen dort künftig mindestens 120 Peripherie-Einheiten wie Drucker, Bildschirme oder PCs angeschlossen werden. Die /36 gestattet nur 72 Anschlüsse. Auch mit dem Massenspeicher und der Performance sei man an die Leistungsgrenze des Midrange-Rechners gekommen.

Von einer ähnlichen Ausgangssituation in ihrem Unternehmen berichten Ludwig Ametsbichler, DV/Org.-Leiter bei der Magnetbahn GmbH in Starnberg und sein Mitarbeiter, der Systembetreuer Hans Oberberger. In ihrem Unternehmen fand, so Ametsbichler, eine der ersten Umstellungen auf die AS/400 statt, weil der dort eingesetzte /38-Rechner - das kleinste Modell der Serie - die steigenden Anforderungen nicht mehr erfüllen konnte. Außerdem sollte der Hauptrechner der AEG-Konzerntochter in ein Token-Ring-Netz einbezogen werden.

Die anstehende Investitionsentscheidung fiel in den beiden genannten Fällen zugunsten der AS/400 aus. Wäre eine Leistungserweiterung aber nicht auch mit einem anderen Rechner möglich gewesen? - Im Prinzip ja, wenn es einzig um die Leistung ginge. Doch die Gründe für eine solche Kaufentscheidung sind wesentlich vielfältiger.

So strebte der DV-Leiter der Penaten-Werke vor allem eine Umstellung an, von der die Bediener in den Fachabteilungen so wenig wie möglich merken sollten. Aber auch den Programmierern sollte das Leben nicht unnötig schwer gemacht werden. Die Anwendungen des Unternehmens sind in RPG, der Sprache für die /3x-Rechner, geschrieben und laufen - vorerst nur in einer /36-Emulation - auch auf der AS/400. Grund genug, auf diesen Rechner zu setzen; und wirklich war eine Alternative dazu in Bad Honnef nie ernsthaft im Gespräch.

Die von anderen Umsteigern häufig genannten Geschwindigkeitseinbußen auf Grund des Emulation-Mode sind laut Strunk bei den Penaten-Werken nicht aufgetreten. Zwar sei der neue Rechner etwas umständlicher zu bedienen, doch hätte eine Umstellung auf ein neues System weitaus mehr Aufwand bedeutet. Außerdem wäre dann ein Teil der Peripherie, vor allem Bildschirme, für viel Geld zu ersetzen gewesen.

Ganz anders stellt sich die Situation bei der Unternehmensberatung Gerhard Schuler in Pfalzgrafenweiler dar. Der Geschäftsführer Vinzenz Schimpfle sieht in der Anschaffung der AS/400 vor allem eine Möglichkeit, seine Produktpalette zu erweitern. Bisher hat das Unternehmen Branchensoftware für den Bereich der /36- und /38-Rechner erstellt und setzt nun zusätzlich auf den wachsenden Markt der AS/400-Anwender.

Während sich für die Starnberger Magnetbahngesellschaft das Problem einer möglichen Alternative erst gar nicht gestellt hat, weil sie bei dem Kauf ihres neuen Rechners den Vorgaben der Konzernmutter AEG zu folgen hatte, macht sich der Unternehmensberater Schimpfle durchaus Gedanken zu diesem Thema.

Er gehört zu den wenigen Unternehmern, die wußten, daß man auch auf anderen Rechnern RPG-Programme fahren kann. Einige Hersteller wie Siemens und AT&T bieten sogar die Möglichkeit, solche Anwendung nach und nach in die Unix-Welt zu portieren. Für den Berater würde dies jedoch erst dann aktuell, wenn ein Kunde seine RPG-Software nicht auf einem IBM-System laufen lassen möchte.

Wirklich intensiv hat sich allerdings nur einer der befragten Anwender nach einer Alternative zur IBM-Welt umgesehen. Die Entscheidung ist bei dem in Norddeutschland gelegenen mittelgroßen Industriebetrieb jedoch noch nicht gefallen, weshalb wir in diesem Fall auf die Nennung von Namen verzichten.

Obwohl der DV-Leiter dieses Unternehmens versucht, aus der doch recht geschlossenen Welt der "RPG-Rechner" herauszufinden, bleibt er den Versprechungen der IBM-Konkurrenten gegenüber mißtrauisch. Er macht sich Sorgen um all die Anwendungen, die in 15 Jahren RPG-Programmierung entstanden sind. Deshalb, so räumt er ein, wird er im Zweifelsfalle auf Nummer Sicher gehen und den Weg zur AS/400 einschlagen.

Kurioserweise trifft diese Furcht, vom sicheren IBM-Migrationspfad für den Midrangesektor abzuweichen, aber auch auf die AS/400 selbst zu. So hat Karl-Heinz Reininger, EDV-Leiter der Stummer Strickwaren GmbH in Linz, ein Angebot abgelehnt, den Rechner um ein Viertel billiger zu erstehen, als IBM ihn offiziell anbietet. Er fürchtet, daß IBM die Wartung ablehnen könnte.

Reiningers Firma will bereits seit einem Jahr auf diesen Rechnertyp umsteigen, hat sich mit dem Kauf jedoch Zeit gelassen, da es bei der Einführung neuer Rechner nie ohne Probleme abgehe. Die zahlreichen Berichte über Fehler im Betriebssystem der AS/400 sowie über Migrationsprobleme von den /3x-Rechnern scheinen ihm Recht zu geben. Dabei nennt sich Reininger einen IBM-Befürworter, lobt vor allem die Qualitäten des System/38 und hofft, daß sich der neue Rechner als ebensogut erweisen werde. Hier, wie auch bei anderen Käufern, profitiert die AS/400 vom guten Ruf ihrer Vorgängermaschinen.

Obwohl Reininger persönlich eher auf Unix und die Programmiersprache C setzt, war eine solche Alternative auch in seinem Unternehmen kein Thema.

Die Anwendungen unter RPG bilden eine relativ isolierte Insel innerhalb der DV-Welt. Die Midrangerechner für diese Sprache haben sich als robust erwiesen und sind zudem einfach zu bedienen. Und RPG selbst hat sich, so Strunk von der Penaten GmbH, im kommerziellen Bereich zu einer Sprache entwickelt, die durchaus mit Cobol mithalten kann.

Kurz, die Anwender - zumindest die hier befragten - waren zufrieden. Der schärfste Konkurrent für die AS/400 scheint daher ein Zweit-System aus der /3x-Familie zu sein. Ein Informationsbedürfnis über Unix oder Rechner anderer Anbieter entstand aus diesem Grund kaum.

Für die AS/400 spricht vor allem der erweiterte Funktionsumfang und die größere Leistung. Außerdem vertrauen die Anwender auf die Zusicherung, daß sowohl der Rechner als auch das ihnen vertraute RPG als Bestandteil von IBMs SAA-Konzept eine Zukunft haben werden. Dazu Schimpfle: "Wir sehen heute im kommerziellen Bereich mit seinen großen Datenmengen keinen besseren Weg als das SAA-Konzept." Zwar räumt der Unternehmensberater ein, daß inzwischen auch unter Unix eine Reihe kommerzieller Anwendungen angeboten würden, doch für ihn wiegt die von IBM via SAA versprochene Verbindung vom PC bis zum Mainframe schwerer.

Sein Vertrauen in dieses Konzept beruht darauf, daß sich IBM von der Lochkarte weg um Durchgängigkeit bemüht habe. Außerdem ließe sich die Durchgängigkeit von Produkten am ehesten innerhalb eines einzigen Unternehmens gewährleisten. Bei Unix, an dessen Entwicklung viele Firmen beteiligt sind, sei das wesentlich schwieriger.

Schimpfle spricht aus leidvoller Erfahrung: "Wir haben einige Zeit mit einem Nicht-IBM-Rechner gearbeitet, dessen Nachfolgemodell gänzlich anders zu programmieren war, so daß wir unsere Altanwendungen nicht mehr verwenden konnten. Derart hohes Lehrgeld zahlt man nur einmal. Als Lieferanten kommen bei uns nur noch die fünf größten Anbieter in Frage."

Auf die Frage weiches Interesse Big Blue daran habe, die bisher nicht sonderlich geliebte und etwas abseits liegende RPG-Welt über SAA in seine Produktlinie einzubinden, zeigten sich die RPG-Anwender selbstbewußt. "Dieser Markt ist so groß, daß IBM nicht darauf wird verzichten wollen", meint Strunk, und sein Kollege Ametsbichler aus Starnberg begründet diese Erwartungshaltung: "Fast alle /3x-Anwender werden zur AS/400 wechseln, so daß es davon mehr Installationen geben wird als von IBMs 370-Großrechnern.