Konflikte lösen statt aussitzen

17.11.2004
Von Veronika Renkes
Die Streitkultur in der IT-Branche ist unterentwickelt. Statt Konflikte aktiv anzugehen, sitzt man sie lieber aus. Das rächt sich, wenn in Krisenzeiten Emotionen ganze Projektteams arbeitsunfähig machen.

Nichts sehen, nichts hören, nichts tun: Stehen Konflikte ins Haus, greifen Mitarbeiter in IT-Projekten gerne zu Vermeidungsstrategien. "Es gibt immer etwas Wichtigeres zu tun, als sich mit genervten oder verärgerten Kollegen auseinander zu setzen", fasst die Unternehmensberaterin Sabine Siegl eine weit verbreitete Haltung zusammen.

"Solange die Branche erfolgsverwöhnt war, waren die schädlichen Auswirkungen mangelhafter Konfliktkompetenz nicht so spürbar. Doch das hat sich aufgrund der knapperen Geld- und Personalressourcen stark verändert", berichtet der Informatiker Uwe Jonsson. Der langjährige Projekt-Manager und Mitbegründer der Kölner Softwarefirma Primosys GmbH hat beobachtet: "Schlechtes Konflikt-Management hemmt die Produktivität in der Softwareentwicklung und lässt die Kosten in die Höhe schnellen. Vor lauter Sparen übersehen die Verantwortlichen, dass sich dies auf Dauer negativ auf die Qualität und den Ertrag auswirkt."

Dass Projekte immer konfliktträchtiger werden, liegt am wachsenden Arbeitsdruck. Unternehmen verbessern ihre Produktionsabläufe, Vertriebswege und Geschäftsprozesse - nur nicht das Miteinander ihrer Mitarbeiter. Die Folgen der schon mit Stolz zelebrierten Ignoranz gegenüber zwischenmenschlichen Problemen: Projekte werden mit erheblicher Verzögerung abgeschlossen oder teuer nachgebessert. "Fünf von sechs IT-Projekten erreichen ihr Ziel nicht wie ursprünglich geplant", berichtet der Stuttgarter IT-Sachverständige Albrecht Zimmermann. Für den Mitbegründer der "Initiative IT-Mediation" sind primär ungelöste Konflikte in den Projektteams, die zu Arbeitsverweigerung, hohen Krankenständen und Sabotage führen, der Auslöser dafür.

"Wenn Projekte zu scheitern drohen, kann ein unbeteiligter Dritter helfen, eine konstruktive Lösung zu finden", erklärt Ariane Brena vom Bundesverband Mediation e.V. in Kassel die Rolle von Mediatoren. "Als Externe kann ich es mir erlauben, die Fronten auch mal aufeinander prallen zu lassen und die Probleme beim Namen zu nennen", schildert Stefanie Arnold, Leiterin Change-Management bei der Unternehmensberatung Capgemini Deutschland, einen der Vorzüge von Mediatoren. Doch sowohl Brena als auch Arnold warnen vor falschen Erwartungen: "Mediatoren sind nicht die Retter, die den zerstrittenen Parteien die perfekte Lösung auf dem Tablett servieren. Vielmehr moderieren sie den Schlichtungsprozess nach einem strukturierten Verfahren und versetzen die Konfliktparteien in die Lage, eine Lösung zu finden."

Zeit wird ein immer knapperes Gut, ebenso die Personal- und Projektmittel. Das verursacht Dauerstress, steigert das Konkurrenzverhalten und führt zu einem aggressiveren Umgangston.