Interview Recruiting

"Kompromisse haben sich bei uns nicht bewährt"

04.07.2022
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Anwenderunternehmen – erst recht solche aus dem Gesundheitssektor – haben es nicht leicht, IT-Mitarbeiter anzuheuern. Manfred Klunk, CIO der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, erklärt im Interview, wie es dennoch funktioniert.
In einem CW-Gespräch erläutert Manfred Klunk, CIO der KVB, wie er die begehrten Experten ins Unternehmen holt und seine Argumente, damit sie auch bleiben.
In einem CW-Gespräch erläutert Manfred Klunk, CIO der KVB, wie er die begehrten Experten ins Unternehmen holt und seine Argumente, damit sie auch bleiben.
Foto: Joachim Wendler

Welches sind die besonderen Herausforderungen als Unternehmen aus dem Gesundheitswesen Mitarbeiter für den IT-Sektor zu finden?

Manfred Klunk: Zunächst für alle, die uns noch nicht kennen: Wir - die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) - sind Dienstleister für unsere Mitglieder, die rund 30.000 bayrischen Vertragsärzte und -Ärztinnen sowie Psychotherapeuten. Zusammen mit unseren Mitgliedern stellen wir gemeinsam die ambulante ärztliche Versorgung aller gesetzlich krankenversicherten Patienten im Freistaat sicher und vertreten die Interessen unserer Mitglieder gegenüber Politik, Krankenkassen und Öffentlichkeit.

Trotz unseres gewachsenen Bekanntheitsgrads – einer der wenigen positiven Effekte der Pandemie–, müssen wir uns als mittelständisches Unternehmen überlegen, wie wir unsere Vakanzen besetzen können. Unser zentraler USP besteht darin, dass wir – neben State-of the Art-Technologie – sinnstiftende Aufgaben auch und gerade durch unsere IT-Anwendungen anbieten.

Zum Beispiel?

Klunk: Hier sei unsere in mehreren Bundesländern eingesetzte Lösung zur Unterstützung des bundesweiten Mammographie-Screenings genannt. Sie kennen bestimmt auch die bundesweit einheitliche Rufnummer 116 117. Dahinter steht ein umfassender Patientenservice mit Terminservicestelle und dem Ärztlichen Bereitschaftsdienst, der außerhalb der Praxisöffnungszeiten in der Nacht, am Wochenende und an Feiertagen weiterhilft. Das sind spannende Aufgaben, bei denen man gerade als IT-Spezialist etwas bewegen kann. Diese Message gilt es zu vermitteln.

"Mitarbeiter wollen etwas Sinnvolles beitragen"

Was sind weitere Argumente, mit denen Sie die IT-Bewerber überzeugen?

Klunk: Unsere Personalmarketing-Strategie setzt unter anderem auf unseren Unternehmensslogan "Gesundheit gemeinsam gestalten". Immer mehr Menschen möchten eine Aufgabe ausüben, in der sie sich mit den Zielen und Werten der Organisation identifizieren können. Das heißt, Mitarbeiter wollen mit ihrer Arbeit etwas Sinnvolles beitragen. Dies können wir definitiv bieten. Innerhalb der IT setzen wir - neben den bereits erwähnten State of the Art-Technologien - bereits seit vielen Jahren auf agile Verfahren wie Scrum und haben uns nach den Prinzipien von DevOps organisiert. Darüber hinaus bieten sich in einer IT-Organisation mit rund 180 internen IT-Spezialisten immer wieder interessante Entwicklungsperspektiven. Während der Pandemie haben wir unser Kollaborationsmodell durch eine massive Verstärkung von Home-Office nochmals deutlich fortentwickelt und werden dieses Hybrid-Modell auch weiterhin verstärkt nutzen. Dies ermöglicht es uns, auch Mitarbeitern eine Perspektive bei der KVB zu bieten, die nicht direkt im Großraum München ansässig sind und erleichtert damit eine bessere Balance zwischen Arbeit, Familie und Freizeit.

Ein faires Vergütungsmodell mit zahlreichen attraktiven Zusatzleistungen wie betriebliche Altersvorsorge, Betriebssport, Gesundheitsaktionen – und kompetenzorientierte Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten aber nicht zuletzt auch die Sicherheit des Arbeitsplatzes sind für uns Basis eines guten Arbeitgebers.

Auf welche Kanäle setzen Sie im Recruiting, wie sind Ihre Erfahrungen? Welche Rolle spielen dabei die Social-Media-Kanäle?

Klunk: Die oben genannten Benefits müssen natürlich nach außen getragen werden. Neben der "klassischen" Stellenanzeige etwa auf Stepstone, Xing oder Linkedin, setzen wir auf die Unterstützung durch spezialisierte Personaldienstleister und sind mit unserem Unternehmensprofil mit unterschiedlichem Content auf Instagram, Facebook oder Twitter vertreten. Social Media spielt für uns eine immer größere Rolle und die Resonanz auf unseren Social-Media-Auftritt ist gut. Unser Ziel ist es, Emotionen zu wecken und die Social-Media-Nutzer anzuregen, unseren Post nicht nur zu sehen, sondern auch zu teilen. In den sozialen Medien wollen wir uns mit unseren Inhalten als der nahbare und transparente Arbeitgeber präsentieren, der wir sind und idealerweise den Kontakt zu potenziellen Bewerbern direkt herstellen. Das beginnt mit Schülern, die bei uns eine Ausbildung absolvieren können, bis hin zu erfahrenen IT-Fachkräften.

Wen suchen Sie (wir reden ja immer von IT)?

Klunk: Die gesuchten Kompetenzen sind in Abhängigkeit des jeweiligen Kontextes sehr unterschiedlich. Grundsätzlich richtet sich die IT der KVB an den Prinzipien von agilen Verfahren und DevOps aus. Dementsprechend suchen wir alle Profile moderner DevOps-Teams: vom Entwickler bis zum Technical Product Owner. Hin und wieder suchen wir außerdem sehr spezielle Kandidaten wie aktuell einen AI Evangelist mit Projektverantwortung. Überall dort, wo wir Standardsoftware (zum Beispiel SAP) einsetzen, suchen wir eher "klassische" Profile wie IT-Projektleiter, SAP-Modulexperten oder auch Data-Warehouse-Experten. In Anbetracht der hohen regulatorischen Anforderungen betreibt die KVB ihr Rechenzentrum noch selbst. Nichtsdestotrotz ist im Infrastrukturbereich das Wissen um Cloud-Technologien für uns von zentraler Bedeutung etwa Know-how rund um Container und Virtualisierung.

… und welche Anforderungen stellen Sie?

Klunk: In allen Fällen ist eine fundierte Ausbildung (etwa durch ein erfolgreiches IT-Studium) und mindestens ein bis zwei Jahre Erfahrung im relevanten Kontext wünschenswert. Ebenfalls wichtig ist für uns eine ausgeprägte Beratungs- und Kommunikationskompetenz sowie die Bereitschaft, sich tief in die jeweilige Fachlichkeit einzuarbeiten. Ein weiteres wichtiges Standbein ist die Ausbildung, also den Nachwuchs selbst auszubilden und danach attraktive Zukunftsperspektiven für diese jungen IT-Professionals zu bieten. Wir sind auch immer daran interessiert, mit Studenten in den Austausch zu kommen und bieten Werkstudentenplätze an.

"Beratungskompetenz ist ein zentraler Erfolgsfaktor"

Wie haben sich Ihre Anforderungen im Laufe der Jahre verändert, was ist Ihnen heute zum Beispiel wichtiger?

Klunk: Die Art und Weise, wie Software entwickelt und betrieben wird, hat sich in den letzten Jahren für uns grundlegend verändert: DevSecOps, Containerization und Remote- beziehungsweise Hybrid-Work sind drei Beispiele, die dies illustrieren. Entsprechend sind in der KVB IT breites IT-Know-How, Skills im Plattform- und Anwendungsbetrieb sowie soziale Kompetenzen noch einmal relevanter geworden. Darüber hinaus ist die Verbesserung der Beratungskompetenz ein zentraler Erfolgsfaktor für die KVB(-IT) geworden

Welche Profile sind in so einem E-Health Unternehmen gefragt? Welches Know-how erwarten Sie zusätzlich von IT-Experten?

Klunk: Klar freuen wir uns über Profile mit Branchenerfahrung. Tendenziell steht das in der KVB-IT aber nicht an erster Stelle. Wichtiger sind für uns ein hohes Qualitätsbewusstsein, ein agiles Mindset und die bereits genannte Beratungs- und Kommunikationskompetenz. Weiterhin sind ausgeprägte IT-Security-Kenntnisse und eine große Sensibilität für alle Belange des Datenschutzes für die KVB(-IT) als ISO27001-zertifiziertes Unternehmen wichtig.

Wie kompromissbereit sind Sie angesichts des viel diskutierten Fachkräftemangels?

Klunk: Zu große Kompromisse haben sich bei uns nicht bewährt. Wir freuen uns aber über Potenzialkandidaten, die vielleicht noch nicht alle benötigten Erfahrungen mitbringen. Diese bilden wir dann selbst weiter. Daneben sind Sprachkenntnisse etwas, was Kandidaten bei uns weiter ausbauen können. Interessant sind für uns deshalb inzwischen auch Interessenten aus dem Ausland, wenn der Kandidat über entsprechende Deutschkenntnisse verfügt.

Wie organisieren Sie die Zusammenarbeit zwischen IT und HR, wenn es um die Suche von ITlern geht?

Klunk: Die Suche nach IT-Experten gestaltet sich nicht gerade einfach. Im Zuge der Digitalisierung verlangen Organisationen aus nahezu allen Branchen nach IT-Experten. Es besteht demnach ein verstärkter Wettbewerb in der Kandidatensuche und es kann hier getrost von einem "Bewerbermarkt" gesprochen werden.

In engem Schulterschluss mit unserer Personalabteilung versuchen wir die optimalen Recruiting-Kanäle für die jeweilige offene Positionen zu eruieren, um die passende Zielgruppe zu erreichen. In turnusmäßigen Gesprächen mit den Recruiting-Spezialisten der Personalabteilung werden die Stellenprofile erstellt und zielgerichtete Ansprache-Strategien ausgearbeitet. Darüber hinaus müssen wir uns aber einer weiteren Recruiting-Strategie bedienen. Den aktiv suchenden IT-Experten, welchen wir "nur" durch eine veröffentlichte Anzeige auf einer Stellenbörse erreichen, gibt es fast nicht mehr. Hier müssen wir auf das Active Sourcing durch Personalberatungen oder Headhunter zurückgreifen.

Mit welchen Argumenten punkten Sie, um IT-Mitarbeiter zu halten? Wann bleiben Sie am ehesten?

Klunk: Viele Mitarbeiter schätzen die Kombination aus anspruchsvollen, agilen Projekten, innovativen Technologien und der Sicherheit, die so nur der Public Sector bietet. In der KVB-IT können Mitarbeiter einen sinnvollen Beitrag zur Gestaltung des gerade aktuell extrem spannenden E-Health-Bereichs in Deutschland leisten, ohne dabei auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verzichten. Flexibles Home-Office und ein attraktives Arbeitszeitmodell machen dies möglich. (mp/fm)