Kompatibilitaets-Auszeichnung fuer jedermann? Comdex: Pro-forma-Zertifikat bei Produkten fuer Windows 95

02.12.1994

LAS VEGAS (CW) - Mit allen Mitteln greift Microsoft dem potentiellen Betriebssystem-Renner "Windows 95" unter die Arme. Dabei scheut die Gates-Company offenbar selbst davor nicht zurueck, Herstellern das Kompatibilitaets-Praedikat "Designed for Windows 95" zu verleihen, obwohl einige Produkte die urspruenglich geforderten Voraussetzungen nur teilweise erfuellen.

"Produkte erhalten das Logo nur, wenn sie kompatibel zu Windows 95 sind und explizit fuer die technologischen Spezifikationen des Betriebssystems konzipiert wurden", beschreibt eine Microsoft- Dokumentation die an externe Hard- und Softwarehersteller gestellten Voraussetzungen fuer die Zertifizierung. Applikationen muessten dabei auf die 32-Bit-Faehigkeit ausgelegt sein, die neue Benutzer-Schnittstelle unterstuetzen, lange Dateinamen akzeptieren und mit der Version 2.0 von Object Linking and Embedding (OLE) zurechtkommen. Doch so eng sieht es die Gates-Company mit ihren Windows-95-Partnern allem Anschein nach nun nicht mehr.

Zwar praesentierte Microsoft auf der Comdex '94 in Las Vegas zahlreiche DV-Anbieter, die fuer ihre Hard- und Softwareerzeugnisse Kompatibilitaet zum kommenden Betriebssystem versprachen. Einige Besucher der Messe stellten die reibungslose Zusammenarbeit der Produkte mit Microsofts 32-Bit-Betriebssystem, das spaetestens ab Mitte 1995 in 30 Sprachen angeboten werden soll, allerdings in Frage. Microsoft verleihe auch den Anbietern die Auszeichnung, deren Produkte nur manche Spezifikationen erfuellen, war zu hoeren.

Selbst Kompatibilitaet zu Windows NT setzt Microsoft fuer ein erfolgreiches Bestehen der Windows-95-Pruefung nun offenbar nicht mehr voraus. Waehrend noch vor einiger Zeit Applikationen, die fuer das Desktop-Betriebssystem entwickelt wurden, auch unter Windows NT 3.5 lauffaehig sein mussten, ist jetzt in Microsofts Bulletin- Board "Win News" davon nichts mehr zu lesen. Ein Programmierer, der momentan an einem animierten Spiel fuer Windows 95 arbeitet, erklaerte, Microsoft werde ihm das Logo anbieten, obwohl sein Programm die Oberflaeche des des Desktop-Betriebssystems nicht unterstuetzt. Auch mit OLE 2.0 und langen Dateinamen komme das Spiel nicht zurecht.

Viele Anwender betrachten das Logo-Lizenzierungsprogramm zunehmend als Druckmittel, um Entwickler zur Benutzung der Microsoft-eigenen Technologie zu zwingen. "Ich sehe ausser Microsoft keinen, der von diesen Kriterien profitiert", kritisierte beispielsweise Andrew Schulman, Autor des Buchs "Unauthorized Windows 95" gegenueber der IDG-Korrespondentin Cara Cunningham. Ebenso schimpft Tom Marvin, President des Herstellers von Entwicklungs-Tools, Microquill aus Seattle: "Microsoft hat ein grosses Interesse, jeden auf Windows 95 zu trimmen.

Und das geschieht, indem unabhaengige Softwarehaeuser unter Druck gesetzt werden."