Kommunikationsplattform von Big Blue vorgestellt Software von IBM soll Modacom zur besseren Marktnaehe verhelfen

14.07.1995

HEIDELBERG (jha) - Die DeTeMobil hat fuer ihr "Modacom"-Netz einen maechtigen Partner gewonnen. Mit Hilfe einer IBM-Loesung will die Telekom-Tochter den Markt fuer die mobile Datenkommunikation besetzen, bevor die Konkurrenz von der Gesellschaft fuer Datenfunk mbH (GfD) mit dem Aufbau eines aehnlichen Netzes in Schwung kommt. Big Blues Beitrag zu diesem Vorhaben, eine Kommunikationsplattform fuer den transparenten und mobilen Transfer, ist jedoch nicht nur auf die Modacom-Technik zugeschnitten, sondern auch fuer den kuenftigen DeTeMobil-Konkurrenten geeignet.

Das IBM-System "Advanced Radio Communication on Tour" (Artour) bildet die Basis einer strategischen Partnerschaft zwischen der deutschen Big-Blue-Dependance und der Telekom-Tochter DeTeMobil. Die Kommunikationsplattform hat sich zum Hoffnungstraeger des Modacom-Betreibers entwickelt, verspricht sie doch die transparente Datenuebertragung ueber die Luft-Schnittstelle sowie die vereinfachte Implementierung eines mobilen Bueros, was die Akzeptanz des mobilen Datenverkehrs in Deutschland verbessern duerfte.

Die "High-end-Loesung fuer die mobile Datenuebertragung von IBM", so Iris Neumeier-Mackert, Leiterin des Artour-Teams, unterstuetzt ein breites Spektrum an Luft-Schnittstellen. Neben den bereits erwaehnten Implementierungen fuer die Modacom-Technik "Datatac" und fuer das von der GfD verwendete Mobitex-Verfahren sind Zugaenge zu den GSM-Loesungen "D1" und "D2" sowie zu der satellitengestuetzten Installation "Inmarsat" vorhanden.

Diese Schnittstellen sollen dem mobilen Teilnehmer jedoch gaenzlich verborgen bleiben. "Artour akzeptiert die Anwendung so, wie sie derzeit in einer festverkabelten Installation implementiert ist, und macht sie drahtlos verfuegbar", beschreibt Neumeier-Mackert die Vorgabe an das eigene Produkt. Dazu wird das lokale Netz, etwa eine Ethernet-, Token-Ring-oder FDDI-Installation, um ein Gateway erweitert, das unabhaengig vom verwendeten Mobilfunknetz den auswaertigen Mitarbeiter mit lokalen Daten versorgt.

Doch natuerlich hat IBM auch an die eigene proprietaere DV-Welt gedacht. Artour ist auch fuer Grossrechner- oder AS/400- Installationen konzipiert, das Gateway akzeptiert ebenso wie LAN- Daten auch den SNA-Verkehr, so dass sich auch remote 3270- oder 5250-Terminalemulationen durchfuehren lassen. Um das mobile Netz nicht uebermaessig zu strapazieren, wurden Kompressionsverfahren eingefuehrt, zudem speichert Artour bereits abgerufene Fenster oder Daten und uebertraegt bei wiederholtem Aufruf lediglich die Aenderungen.

Datenfunknetze sind robust und fehlertolerant

Die Minimierung des Datenflusses duerften den Netzbetreibern angesichts ihrer Abrechnungsverfahren nicht schmecken. Anders als in GSM-Netzen, wo Kunden pro Zeiteinheit zur Kasse gebeten werden, uebertragen die mobilen Datenfunknetze die Informationen in diskreten Paketen, nach deren Zahl dann die Gebuehren erhoben werden.

"Es gibt keinen Besetztfall", beschreibt Thomas Loewenthal, Bereichsleiter Spezielle Mobilfunkdienste bei der DeTeMobil, einen weiteren Vorzug der datenoptimierten Mobilfunkdienste gegenueber den sprachoptimierten Netzen, die mittlerweile auch Kanaele fuer die Datenuebertragung bereithalten. Beim Modacom-Dienst wird zwischen Versender und Empfaenger lediglich eine virtuelle Verbindung aufgebaut, so dass Daten jederzeit auf den Weg geschickt werden koennen.

Funkschatten oder -unterbrechungen koennen dem System anders als den GSM-Installationen wenig anhaben. Verzoegerungen sind bei der Datenuebermittlung weniger relevant als eine schwerfaellige Verbindung beim Sprechverkehr. Andererseits muessen Datenfunknetze sicherer und fehlertoleranter arbeiten. Faellt ein falsch uebertragenes Bit bei einem Gespraech nicht ins Gewicht, kann es beim Datentransfer die Aussagekraft der Nachricht beeintraechtigen.

Die genannten Voraussetzungen muessen alle Datenfunknetze aufweisen, sie sind kein Alleinstellungsmerkmal des Modacom- Netzes. Was das DeTeMobil-Netz derzeit jedoch einzigartig macht, ist der Versorgungsgrad. In Deutschland sind Daten ueber das DeTeMobil-Netz in rund 85 Prozent des Bundesgebietes zu empfangen, eine Quote, die bis dato in keinem europaeischen Land aehnlicher geografische Groesse erreicht wurde. Will jedoch die GfD mit ihrem Netz gegenueber der Telekom-Tochter konkurrenzfaehig erscheinen, muss sie eine aehnliche Verfuegbarkeit anstreben.

Die ausgedehnte Nutzbarkeit des Modacom-Netzes hat die IBM dazu bewogen, mit der DeTeMobil zu kooperieren und eine entsprechende Loesung zu entwickeln. Entstanden ist ein Koffer, der einen Drucker, Funkmodem und ein Notebook inklusive der Softwareplattform Artour zu Erweiterung der lokalen Netzinstallation enthaelt. Anwendung fand die Big-Blue-Entwicklung spontan im eigenen Hause, wo Walter Duschek, Leiter des Technischen Aussendienstes bei IBM, bisher 1100 mobile Anwender mit dem Koffer ausstattete.

1400 Techniker sollen letztlich deutschlandweit das mobile Buero nutzen und direkt vor Ort beim Kunden Ersatzteile bestellen, technische Informationen abrufen oder Rechnungen ausschreiben und ausdrucken koennen. Duscheks Entscheidung fuer Modacom in Verbindung mit Artour deckt allerdings auch ein Marketing-Defizit der Telekom-Tochter auf: "Ich habe nicht gewusst, das es ein solches Netz gibt." Auf der Suche nach einer Loesung, mit der er seine ausser Haus taetigen Mitarbeiter in den internen Informationsfluss einbinden kann, habe er einige Klimmzuege unternehmen muessen, bevor er das Datenfunknetz der DeTeMobil entdeckt habe. Rund 13,5 Millionen Mark hat Duschek bis dato in die Modacom-Austattung seiner Mitarbeiter investiert und bereits nach 1,3 Jahren die Pay- back-Quote erreicht.

Der Technische Aussendienst der IBM ist einer von etwa 350 Kunden mit insgesamt rund 9000 Teilnehmern, die DeTeMobil bisher akquirieren konnte. Viele der Interessenten haben Pilotprojekte installiert, bei einem positiven Verlauf der Versuchsinstallationen rechnet DeTeMobil-Manager Loewenthal mit einem starken Anstieg der Teilnehmerzahl. Kapazitaeten sieht er vor allem bei den Aussendienstmitarbeitern der Versicherungen und anderer Dienstleister, die mit Modacom waehrend des externen Kundengespraeches direkt auf das hausinternen Netz zugreifen koennten, um Daten Konditionen und Lagerbestaende abzurufen. Eine weitere Klientel sind Unternehmen aus der Transport- und Logistikbranche, denen der Datenfunk Moeglichkeiten wie etwa die Flottensteuerung eroeffnet.

Auf internationaler Ebene ist Modacom isoliert

Fuer international taetige Speditionen ist Modacom nur eingeschraenkt geeignet. In Laendern wie Frankreich, Grossbritannien und den skandinavischen Staaten sind Installationen in Betrieb, die nicht Motorolas Modacom-Technik "Datatac" verwenden. Dort haben sich die Betreiber wie auch die deutsche GfD fuer das Mobitex-System von Ericsson entschieden, Roaming-Verhandlungen zwischen diesen Laendern laufen bereits und sollen bis Anfang naechsten Jahres abgeschlossen werden.

Die DeTeMobil hat ihrerseits mit der Schweiz, neben Deutschland das einzige europaeische Land mit einem Modacom-kompatiblen Dienst, ein aehnliches Abkommen geschlossen. "Grenzueberschreitende Anwendungen sind fuer den Markt bedeutungslos", spielt Loewenthal die weitgehende Isolation des DeTeMobil-Netzes herunter. Als Loesung fuer internationale Transportunternehmen schlaegt er eine Kombination vor, fuer die Anwender allerdings drei verschiedene Systeme unterhalten muessen. International verkehrende LKWs, so Loewenthal, liessen sich auch ueber das Satelliten-System Inmarsat mit Daten versorgen, national werde Modacom eingesetzt, und zur Auslieferung in begrenzte Regionen koennten Spediteure auf den Telekom-Dienst Buendelfunk zurueckgreifen.

Einfacher duerfte dieses Problem jedoch mit einem GfD-Netz zu bewaeltigen sein, das derzeit zwar noch nicht verfuegbar ist, aber moeglicherweise schon zum Jahresende die Pilotphase verlaesst und in den ersten Regionen angeboten wird. Sollte das Roaming-Abkommen in der angekuendigten Form realisiert werden, ist eine durchgehende Mobitex-Versorgung in den Benelux-Staaten, Frankreich, Grossbritannien und einigen skandinavischen Laendern zu erwarten.