Daimler-Chrysler fördert weiche Faktoren bei Einführung eines IT-Systems

Kommunikation und Schulung entscheiden über Akzeptanz bei den Mitarbeitern

06.10.2000
MÜNCHEN-(CW) - Die Einführung des Abrechnungs- und Controlling-Systems "Nacos" im Pkw-Entwicklungsbereich von Daimler-Chrysler dauerte drei Jahre und kostete einen zweistelligen Millionenbetrag. Dabei hat der Automobilhersteller den Schwerpunkt auf die "weichen Faktoren" Kommunikation und Schulung gelegt, um eine möglichst hohe Akzeptanz bei den Mitarbeitern zu bekommen.

Vor allem von der Kommunikation und den bereitgestellten Informationen hänge der Wille und der Einsatz der betroffenen Mitarbeiter und Führungskräfte für notwendige Veränderungen und deren Umsetzung ab. "Mit Trainings beziehungsweise Schulungen wollten wir den Akzeptanzgrad und somit die Identifikation mit dem neuen Anwendungssystem fördern", erklärt die Projektleiterin Gabriele Kircher. Wie sie hinzufügt, würden sich die großen Investitionen in Systeme und Prozessdesign nur dann auszahlen, wenn jeder Anwender in der Lage und motiviert sei, sein Tagesgeschäft mit dem neuen Anwendungssystem gut zu bewältigen.

Peter Winkler, verantwortlich im Nacos-Projekt für den Bereich Kommunikation und Information sowie für die Schulungen, erklärt: "Unser Ziel bestand darin, aus Betroffenen Mitwirkende zu machen. Wir wollten eine möglichst große Informationstransparenz zum Projekt und über die Veränderungen bieten." Dazu sei es erforderlich, ein ganzes Bündel von Kommunikationswerkzeugen zu nutzen, stellt er fest.

Die Belegschaft der gesamten Pkw-Entwicklung wurde über den Stand der Nacos-Einführung einmal jährlich in der Bereichszeitung "Sternstunde" aufgeklärt. Für Führungskräfte und zukünftige Anwender wurden fünf Infobroschüren produziert, und dreimal brachte Daimler-Chrysler eine Demo-CD heraus. Außerdem wurden ebenso viele Foren veranstaltet, auf denen so genannte Themenführer Rede und Antwort standen. Ab dem ersten Quartal 1998 wurde das Daimler-Chrysler-Intranet eingesetzt, mit dem vor allem die Endbenutzer angesprochen werden sollten.

Der Ablauf der Schulungen wurde durch einen überraschend verschobenen Projektterminplan beeinflusst, denn die Anpassung des Prototypen an die Bedürfnisse des Unternehmens zog sich bis ins vierte Quartal des vergangenen Jahres hin, die Schulungen mussten aber bereits im dritten vorbereitet und ab dem vierten abgehalten werden. "Die Herausforderung bestand darin, im Schulungssystem die Qualifizierung für das noch nicht endgültig festgelegte Produktivsystem inhaltlich vorzubereiten und in Schulungsunterlagen zu beschreiben", betont Winkler.

Hewlett-Packard und die in Stuttgart ansässige Und GmbH wurden als Schulungspartner ausgewählt. Nach gemeinsamer Planung mit dem Auftraggeber teilten HP Education sowie Und die Aufgaben auf, die mit der Schulung verbunden waren. Die Trainingsplanung und der Veranstaltungsservice lagen bei HP Education. Für das Layout und die Ausgestaltung der Schulungsunterlagen war Und zuständig, außerdem kümmerte sich das Unternehmen um die Erstellung der Kommunikationsmaterialien.

Die Aufgaben wurden durch regelmäßige Aktualisierung, inhaltliche Anpassung unter Berücksichtigung der Anregungen der Kursteilnehmer und Anreicherung der Schulungen um weitere Praxisfälle gelöst. Innerhalb von fünf Monaten wurden nach Unternehmensangaben insgesamt 244 Einzelkurse gehalten. Mit den rund 20 angebotenen Kursarten wurden 870 Personen erreicht; bei zirka 4500 Teilnehmertagen betrug die durchschnittliche Trainingsdauer fünf Tage. Als Kursauslastung werden von Daimler-Chrysler 83 Prozent genannt.

Der Weg zum Controlling-SystemDie Einführung und die damit verbundenen Veränderungen in der Organisation des "New Accounting and Controlling System", kurz: Nacos, basiert auf einem Daimler-Chrysler-Vorstandsentscheid. So wurden in der Konzernzentrale in Zusammenarbeit mit den Werken zunächst die relevanten kaufmännischen Funktionen und Prozesse für die SAP-Einführung in Form eines Master-Systems vorbereitet. Faktisch soll mit dem neuen Kernsystem erreicht werden, betriebswirtschaftliche Kennzahlen zur Unternehmenssteuerung schneller parat zu haben. Natürlich wurde es auch als Hebel genutzt, um verschiedene Geschäftsprozesse zu optimieren, etwa zur Vereinheitlichung der Beschaffungsabwicklung. Um dies zu erreichen, wurde Mitte 1998 aus dem R/3-Standardsystem (Version 3.0) mit den Modulen FI (Rechnungswesen), CO (Controlling), AM (Anlagenbuchhaltung), PS (Projekt-Management), MM (Materialwirtschaft), SD (Vertrieb) und IM (Investitions-Management) gemäß den spezifischen Anforderungen ein Pilot gebaut. Er mündete später in einen standardmäßigen, Rollout-fähigen Prototypen. Abgedeckt wurden damit die Themen Bereichsrechnung, Beschaffungsabwicklung, Projektrechnung und Rechnungswesen. Wesentliche Geschäftsprozesse beispielsweise aus der Bereichsrechnung sind Kostenstellenplanung/Periodenabschluss, Profit-Center-Planung oder CO-Innenaufträge. Der Master wurde dann noch an die Erfordernisse einzelner Werke respektive an die Anforderungen der Pkw-Entwicklung (1200 User und 4000 prozessnahe Mitarbeiter) angepasst. Die Projektrechnung etwa berücksichtigt Entwicklungsprojekte und deren Budgetierung; allerdings erfolgt die Leistungserfassung mittels eines separaten Systems. Nacos steht heute bei Daimler-Chrysler unter der SAP-Version 4.5 zur Verfügung. Betriebsseitig läuft Nacos auf Unix-Systemen mit einer Oracle-Datenbank.