Praktische Hilfen sollten den CC-Entwicklungsprozeß unterstützen

Kommunikation über alle Ebenen macht Corporate Culture möglich

25.01.1991

"It's simple, but not easy...", steht als Motto für einen Prozeß, der zu einer Unternehmenskultur führen soll, die nicht nur dem wirtschaftlichen Unternehmensziel mit seinen pragmatischen Zielsetzungen verpflichtet ist, sondern auch dem Wohlbefinden der Mitarbeiter.

Bei Aufbau und Weiterentwicklung einer Unternehmenskultur (Corporate Culture = CC) bietet sich an, von anderen Teilnehmern des Marktes zu lernen und deren Prinzipien kritisch zu überarbeiten. Ein Beispiel dafür liefert die gut ein Jahr alte Verbindung von Versatec mit einen Produktbereich der Xerox Corp. unter der Firmierung Xerox Engineering Systems GmbH (XES). Sie ist in ihrer jetzigen Belegschaftsstruktur aus drei historischen Gruppierungen hervorgegangen: Mitarbeiter der früheren Versatec (rund 50), des ehemaligen Xerox-Teilbereiches (rund 35) und neu eingestellten Mitarbeiter (bis dato 50) beschäftigt das neue Unternehmen.

Vorrangiges Ziel der Bemühungen war, für den täglichen Umgang unter Routinebedingungen praktische Hilfen und Stützen zur Kultivierung der Prinzipien zu entwickeln. Rank Xerox zählte in der Vergangenheit zu den Unternehmen, die sich aufgrund ihrer Produktpalette ganz spezifisch organisieren mußten. Das Geschäft in großen Stückzahlen erforderte eine perfekte Organisation, für die Handbücher und Anweisungen ein geeignetes Instrumentarium zur Gestaltung des Ablaufs darstellen. Diese Vorgehensweise barg aber auch die Gefahr der Inflexibilität in sich, die unter geänderten Marktbedingungen - hervorgerufen insbesonders durch die Konkurrenz der Japaner - zu Beginn der 80er Jahre zu roten Zahlen und Entlassungen führte. Die Xerox Corp. hat den Schritt zu einem Wertewandel in der zweiten Hälfte der 80er Jahre vollzogen.

Versatec hingegen war ursprünglich ein typisches amerikanisches "Venture-capital"-Unternehmen mit einer Produktidee als Basis und Lebenszweck.

Ziele müssen erreichbar sein

Bei sehr freien Organisationsstrukturen brachte jeder seinen Beitrag ein - auch nach der Übernahme durch Xerox in den 70er Jahren blieb dieser Geist erhalten. Nachteilig wirkte sich hier die fehlende Koordination der Abteilungen untereinander aus. Die Freiheit der weltweit operierenden Töchter trieb aber noch eine andere Blüte: Die deutsche Versatec wurde sehr hierarchisch geführt.

Darauf galt es aufzubauen, wobei Grundzüge und Ideen der Unternehmenskultur von Hewlett-Packard (HP) ein starkes Gewicht erhalten sollten. Hier werden Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit sowie Qualität in starker Wechselwirkung zueinander gesehen - Ziele, die in den 80er Jahren auch vom Xerox-Konzern formuliert wurden und die auch bei der neuen Tochter höchste Priorität genießen sollten.

Eine Bestandsaufnahme in der neuen "Stamm"-Belegschaft offenbarte zwei Extrema, die als Basis für Veränderungen in Betracht zu ziehen waren: schlechte Motivationslage bei den einen aufgrund mangelnder Investitionen im Servicebereich verbunden mit der daraus resultierenden Unzufriedenheit der Kunden sowie eine stärkere Orientierung von anderen an Formularen, Anweisungen und Vorschriften. Sie schlägt in ihrer geringen Flexibilität ebenfalls auf das Verhältnis zum Kunden durch und macht ein Unternehmen als solches zudem für den Mitbewerb besser einschätz- und angreifbar.

Ziele müssen erreichbar sein. Die 90prozentige Zielerreichung zählt bei einer 100-Prozent-Vorgabe bereits als Mißerfolg - tödlich für jede weitere Diskussion über Corporate Culture. In jedem Unternehmen laufen gruppendynamische Prozesse ab, die erfahrungsgemäß in kleineren Unternehmen leichter zu handhaben sind. Der engere, persönliche Kontakt untereinander hilft, Probleme leichter und schneller zu definieren und in der Diskussion zu lösen.

Wichtig erscheint auch, sich immer wieder zu vergegenwärtigen, daß Corporate Culture sich aus Innen- und Außenverhältnis zusammensetzt. Ebenso wie es heute im Rahmen einer neuen Offenheit zwischen Geschäftsführung und Mitarbeitern zur Diskussion über Probleme kommen sollte, darf man auch den Kunden nicht stereotyp die schöne, heile Welt vorgaukeln. Die Erfahrung zeigt, daß Kunden es durchaus honorieren, wenn nicht jede interne Diskussion, in die sie zufällig geraten, abrupt mit aufgesetztem Lächeln beendet wird.

Der Aufbau einer Corporate Culture, mit der auch Krisensituationen zu meistern sind, erfordert intensives Arbeiten und Diskussionen von allen Beteiligten - und Visionen, was die ethischen Grundwerte, aber auch die praktischen Ziele betrifft.

Wichtig sind persönliche Gespräche

In diesem Prozeß ist es von enormer Wichtigkeit, daß Klarheit über die angestrebten Ziele besteht - Formulieren, Diskutieren, Glätten und erneutes Formulieren sind die wichtigsten Aktionen, bevor sich eine Corporate Culture in einem Unternehmen entwickeln kann. Wichtig für Führungskräfte als eigentlich initiierende Träger ist dabei, daß die Vorstellungen jedem Mitarbeiter in Einzel- und Gruppengesprächen sowie auf Betriebsversammlungen vermittelt werden.

Eine Umformulierung der grundlegenden Gedanken kann und wird am Anfang auf Skepsis stoßen - vor allem bei den Mitarbeitern, die ganz und gar nicht visionär nur nach Zahlen leben. Gerade hier sind die persönlichen Gespräche wichtig. In diesem Prozeß, der zum Aufbau einer Corporate Culture führt, ist Training unerläßlich. Gemeinsam besuchte Führungsseminare und Workshops mit dem Ziel, die vorhandenen Ideen auch durch praktische Verfahrensweisen zu kultivieren, sind eine echte Hilfe.

Der Mitarbeiter ist - anders als beim pragmatischen Ansatz, der die Einstellung guter Leute und ihre Führung anhand von Zahlen propagiert - in diesem Konzept die wichtigste Größe. Es gilt, den mitarbeitenden Menschen in der täglichen Arbeit zu motivieren und - im Gesamtkontext wichtiger - ihm eine Möglichkeit einzuräumen, erfolgreich zu sein und sich auch so fühlen zu dürfen.

Fehler dürfen gemacht worden

Hier scheint eines der Erfolgsgeheimnisse japanischer Unternehmen zu liegen, die es verstehen, ihren Mitarbeitern das Gefühl zu geben, auf sich und auf das Unternehmen stolz zu sein. Ihnen wird im Produktionsprozeß eine wichtige Position eingeräumt und gleichzeitig auch vermittelt, wie bedeutungsvoll der Job für das Gesamtgefüge ist. Diese Einstellung setzt einen Kreislauf in Gang, der zu höherer Qualität der Arbeit und der Produkte führt und rückgekoppelt über den Faktor Kundenzufriedenheit wiederum Stolz bei dem Mitarbeiter bewirkt. Dieser Weg muß auch offen sein für innovative Ziele, bei denen ein Mitarbeiter allein oder in der Gruppe grundlegend Neues schaffen will oder neue Wege ausprobieren möchte.

Die Diskussion über die Ziele stellt einen wesentlichen Schritt auf dem Weg zur Realisierung dar. Dem Gespräch mit dem Mitarbeiter über diesen Fragenkomplex wird große Bedeutung zugemessen. Er weiß, welche Aufgaben er sich selbst gestellt hat, welche Wege zu dieser Zielerreichung führen können, wie schwierig es sein wird - und er weiß, daß und wie das Unternehmen ihn unterstützt.

Die Leitsätze der Führung, die für die Corporate Culture unseres jungen Unternehmens als Eckpfeiler dienen, umfassen Vertrauen, Offenheit, gegenseitige Achtung, Honorierung von Leistungen, die Erkenntnis, daß Fehler gemacht werden dürfen, und den Grundsatz, Führung durch Zielvereinbarung zu verwirklichen. Wichtig ist, daß diese Leitsätze von den Managern vorgelebt werden. Dennoch wird auch den Vorgesetzten ein persönlicher Führungsstil zugebilligt - solange er nicht mit den allgemeinen Grundsätzen kollidiert und keine Kritik von den Mitarbeitern geübt wird.

Auf der Basis dieser Grundsätze ist auch das praktische Hilfsmittel des wiederkehrenden Mitarbeitergespräches zu sehen, wobei Fragen der Zielerreichung ebenso zu diskutieren sind wie Gründe für Abweichungen, die Vereinbarung neuer Ziele und die Förderung und Entwicklung des Mitarbeiters. Enthalten ist als weiteres Hilfsmittel auch eine Bewertung der Mitarbeiter (Ranking) in den Stufen A, B1 bis B3 und C, die aus Gründen der objektiveren Beurteilung vom gesamten Management und nicht nur vom direkten Vorgesetzten verabschiedet wird.

Um zu wirklich greifbaren Ergebnissen zu kommen, erfolgt die Bewertung der Zielrealisierung nach den Kriterien Qualität, Quantität, Kosten, Zeit und Güte der Zusammenarbeit. So hat der Mitarbeiter zum Beispiel auch über das Ranking die Möglichkeit, eine andere Einstufung über den Weg einer weiteren, präzisen Zielvereinbarung anzugehen. Hier eignen sich ganz spezifische Maßnahmen, wie Besuch einer Vertriebsschulung, aber auch persönliche Unterstützung zum Beispiel durch spezielle Kurse. In diesem Fragebogen wird auch abgefragte wie die Unterstützung durch den Vorgesetzten war und was der Mitarbeiter im kommenden Zeitraum von seinem Vorgesetzten erwartet.

Die Gestaltung des Bogens ist - obwohl lange diskutiert - eigentlich sekundärer Natur.

Wichtig in diesem Zusammenhang erscheint aber, daß dieser Gesprächsbogen mindestens einmal im Jahr ausgefüllt werden muß, damit die Betreuung wegen der Routinearbeit nicht abreißt und ein konsequenter Feed-back stattfindet. Der gemeinsam entwickelte Fragebogen ist ein praktischer Ausdruck der angestrebten Unternehmenskultur. Kommunikation als Grundlage der Kultur kann nur in beiden Richtungen erfolgen und muß auch über mehrere Ebenen möglich sein. So können sich die Manager dieses Hauses auch darauf verlassen, daß die Geschäftsführung mit den Untergebenen im konstanten Dialog über alle anstehenden Probleme steht.

Leiten ließ man sich dabei von der Erkenntnis, daß ein Mitarbeiter, der sich (auch über Instanzen hinweg) über Mißstände beschwert, Interesse an einer weiteren Kommunikation signalisiert; positive Reaktionen auf eine Beschwerde beinhalten zudem ein starkes Erfolgserlebnis. Falls ein Mitglied aus dem Management diesen Grundsatz der Kommunikation über mehrere Ebenen nicht zu tragen bereit ist und als Vorgesetzter vielleicht deshalb einen Mitarbeiter schikaniert, schreitet das System fast schon selbstregulierend ein.

Die Selbstheilungskräfte der unternehmerischen Gesamtgruppe sowie der Abteilungen erfahren bei dieser Form der Unternehmenskultur nebenbei in nicht geringem Maße Auftrieb. Problemen wird so nicht ausgewichen - sie werden, sofern die Gruppe selbst sie nicht lösen kann, vorgetragen, diskutiert, in Form einer Zielvereinbarung angegangen. Erst wenn der Mitarbeiter oder Vorgesetzte von sich aus zu erkennen gibt, daß er nicht an einer Veränderung dessen arbeiten will, was zu einem Problem geworden ist, kommen Konsequenzen in Betracht, die letztlich zu einer Trennung führen müssen - im Interesse der Gesamtheit der Mitarbeiter eines Unternehmens.