Wie sich der IT-Wandel auf die Karriere eines IT-Entwicklers auswirkt

Kommunikation ist alles

21.07.2015
Von 
Gabi Visintin ist freie Journalistin in Filderstadt.
Agiles Entwickeln setzt sich immer mehr durch. Die Mauer zwischen Entwicklern und Fachabteilungen bröckelt. Hauke Neemann von der BTC AG, der heute ein agiles Entwicklerteam leitet, hat den Wandel in der Entwicklung von Software-Programmen bereits an der Hochschule erfahren.
  • Beim agilen Entwickeln sind Soft Skills gefragt
  • Management und Kunden müssen Vertrauen zum agilen Entwickeln fassen
Hauke Neemann, BTC AG: "Heute brauchen auch Entwickler Kommunikationsfähigkeiten."
Hauke Neemann, BTC AG: "Heute brauchen auch Entwickler Kommunikationsfähigkeiten."
Foto: https://www.btc-ag.com/

Als Hauke Neemann auf dem Podium Platz nimmt, ist er der jüngste in der Runde der Führungskräfte. Der 29jährige Informatiker vertritt das IT-Beratungshaus BTC AG bei der Diskussion um IT-Wandel und Karrierewege. Hauke Neemann führt bei dem IT-Unternehmen, das seinen Hauptsitz in Oldenburg hat, seit rund einem Jahr ein agiles Entwicklerteam, das für die Telekommunikationsbranche Software entwickelt.

Die langjährigen Führungskräfte aus IT-Unternehmen auf dem Podium der Computerwoche wie Jörg Petersen von Innobis, Simone Frömming von VMWare oder Per Stricker von ITGain sehen es alle ähnlich: "Die Geschwindigkeit in der IT-Branche hat enorm zugenommen." Ebenfalls eint die Podiumsteilnehmer die Feststellung, dass die sozialen Fähigkeiten sehr wichtig sind, "weil man beim Kunden bestehen können muss".

Künftig gehört agiles Entwickeln zur Standardausbildung eines jeden Programmierers.
Künftig gehört agiles Entwickeln zur Standardausbildung eines jeden Programmierers.
Foto: Bakhtiar Zein - shutterstock.com

Hauke Neemann unterstützt diese Meinung voll und ganz. Das Überraschende daran: Der Teamleiter von BTC bezieht die Aussage nicht nur auf die klassischen IT-Berater: "Heute brauchen auch Entwickler Kommunikationsfähigkeiten", betont der Informatiker, der vor rund zweieinhalb Jahren im New-Talentprogramm von BTC seinen Karriereweg begann. Was sich bereits vor einer guten Dekade abzeichnete, wird nun also mehr und mehr Realität: Der Entwickler tritt aus dem vielbeschriebenen Kämmerchen des Rechenzentrums heraus und wird direkter Partner des Kunden. Mit ihm stimmt er sich kontinuierlich ab - bis am Ende das Ergebnis steht.

Kommunikation als Grundlage für die agile Entwicklung

Diese intensive Kommunikation zwischen Fachabteilung und Entwicklungsteam ist das Kennzeichen der agilen Entwicklung: Statt langandauernde Projekte nach dem Wasserfallmodell zu entwickeln - vom Lastprofil über die sukzessive Abwicklung der Programmieraufgaben bis zur Projektabnahme - sprinten bei der agilen Projektmethode Scrum kleine Entwicklerteams in ein- bis dreiwöchigen Abständen von Meilenstein zu Meilenstein. Gegenstand der Diskussion in den gemeinsamen Teambesprechungen sind die Ergebnisse der laufenden Entwicklungen und Tests, aufgetretene Fehler oder Hindernisse, die sich plötzlich in den Weg stellen. Aber auch die Rückmeldungen der Auftraggeber aus den Fachabteilungen, die regelmäßig zu Gast bei Teambesprechungen sind, befruchten die Arbeit der Entwickler. Hauke Neemann erklärt den Vorteil der engen Partnerschaft: "Spätestens nach einem Drei-Wochen-Sprint wird klar, ob die Entwickler das Anliegen der Fachabteilung getroffen haben oder ob sie eine andere Richtung einschlagen müssen."

Wie groß dieser Sprung von der "alten" zur neuen Projektmethode ist, hat der BTC-Teamleiter vor kurzem in einem Gespräch mit einem Fachabteilungsleiter erfahren. "Diese Veränderung ist wirklich toll", lobte die Führungskraft und verwies darauf, dass vor rund fünf Jahren noch eine hohe Mauer zwischen Entwicklern und Kunde stand - zum Nachteil des Entwicklungsergebnisses. Dies bestätigte im Jahr 2014 auch eine Studie des BPM-Labors der Hochschule Koblenz: Die Studienteilnehmer bewerteten die Qualität der agil entwickelten Projektergebnisse im Vergleich zu herkömmlichen durchweg besser.

Neemanns Karriereweg - lieber fachliche Flexibilität als Promotion

Dass der Umschwung bei der Projektmethode im Software-Engineering noch gar nicht so lange her ist, hat Hauke Neemann selbst erlebt. Noch in seinem Bachelorstudium in Oldenburg absolvierte er im Jahr 2008 ein einjähriges Softwareprojekt, in dem ein Team aus Studierenden das Detektivspiel Scotland Yard in eine Online-Version umsetzte - und zwar nach dem Wasserfallprinzip. Während seines Masterstudiums realisierte er dann bereits im Scrum-Modus eine Fahrzeugsimulation für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

"Diese Form der Entwicklung - im Team zu arbeiten, sich intensiv auszutauschen und das Produkt kontinuierlich zu verbessern - faszinierte mich so sehr, dass ich wusste, in diese Richtung möchte ich weitergehen", erzählt Neemann. Den ursprünglichen Plan, zu promovieren, verwarf er auch deshalb, weil er sich nicht zu sehr spezialisieren und damit einschränken wollte. Bei der Bewerbung beim Oldenburger IT Beratungshaus konnte der Hochschulabsolvent eine Menge an Fähigkeiten und praktische Erfahrungen in die Waagschale legen. Schließlich hatte er fast die ganze Studienzeit über im An-Institut Offis der Hochschule Oldenburg entwickelt und sein Basiswissen der Informatik (Java, Objektorientierung, Skriptsprachen) erweitert (Microsoft-Programmierung, Informationsmanagement, Datawarehouse, BI) ). Seine soziale Kompetenz und Kommunikationsfähigkeit bewies er beispielsweise durch die Mitarbeit in der Bundesfachschaftentagung der Informatik für die DACH-Region. Dort hatte er sich intensiv um die Qualitätssicherung und Weiterentwicklung des Informatikstudiums gekümmert.

Gestiegene Anforderungen an die Entwickler

Auf die Fertigkeit des Zuhörens und Dialogs kommt es heute bei der agilen Entwicklung besonders an, bekräftigt Neemann, der inzwischen auch an der Spitze eines organisatorischen Entwicklerteams steht. "Ich würde sogar behaupten, dass 90 Prozent aller Projektprobleme auf eine mangelhafte Kommunikation zurückzuführen sind", sagt das BTC-Talent. Eine verstärkte Einbindung der Software-Entwickler in die Kommunikation mit dem Kunden führt dagegen dazu, dass sich Missverständnisse reduzieren und Entwickler die Zusammenhänge zwischen Produktanforderung und realem Geschäftsprozess besser verstehen und mitdenken können. Hauke Neemann ergänzt: "Heute ist es sogar elementar, dass Entwickler dem Kunden sagen, wann eine formulierte Anforderung an die Software unsinnig oder kontraproduktiv ist."

Doch können Entwickler das wirklich, Tacheles reden, wenn es angebracht ist? Hauke Neemann ist sich darüber klar, welche enorme Umgestaltung die Rolle des Entwicklers gerade erfährt, der sich früher "nur" auf seine Codes konzentrierte: "Bei der agilen Entwicklung handelt es sich um eine komplett neue Denkweise!" Aber die kann man lernen, ist sich Neemann sicher. Dabei kann jeder den Lernprozess so gestalten, wie er will. So holten sich etwa die Scrum-Teams des BTC-Energiesektors von Extern Unterstützung, um sich die neue Methode anzueignen. Der Telekommunikationsbereich brachte sich dagegen die neue Vorgehensweise selbst bei und vollzog damit bereits in der Lernphase Step by Step das Wesen der neuen Methodik.

Die Führungsriege und die Kunden müssen umdenken

Zugleich hängt der Erfolg der neuen Projektvorgehensweise von der Führung ab. Sie muss dafür sorgen, dass ein Teammitglied nicht nur die potenzielle Möglichkeit hat, sich mit seinen Vorschlägen einzubringen, sondern sich auch traut. Hauke Neemann, der bereits während des zweijährigen New-Talent-Programms bei BTC viel über Führung lernte, definiert die Aufgabe für sich so: "Eine Führungskraft hat den Rahmen für die Mitarbeiter bereitzustellen, in dem sie ihre Aufgaben erfüllen können." Und dann folgt eine Aussage, die sich oft noch stark von der bisherigen Praxis abhebt: "Das Wie der Umsetzung liegt vollständig beim Projektteam." Dem Mitarbeiter ein solches Maß an Eigenverantwortung zu geben, nötigt demnach auch der "klassischen" Führungskraft einiges an Veränderungsbereitschaft ab.

Und was sagen die Dritten im Bunde, die Kunden dazu? "Die meisten gehen begeistert mit", registriert Teamleiter Neemann, "aber manche fühlen sich sicherer, wenn das Projekt auf die herkömmliche Art gemanagt wird." Oft steckt dahinter das Gefühl, dadurch die Ressourcen besser kontrollieren zu können, glaubt Neemann und betont: "Hier gilt es, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen!" Da die klassische Entwicklungsmethodik beim IT-Dienstleister BTC - wie in fast allen anderen Unternehmen auch - noch den Großteil der Entwicklungsarbeit ausmacht, steht einem interessierten Auftraggeber sowieso jede Option offen.

Das Vertrauen der Mitarbeiter in die agile Methode und ihre Motivation ist auf jeden Fall groß. Das entspricht einem weiteren Ergebnis der Koblenzer Studie, die feststellte, dass die Mitarbeitermotivation in agilen Projekten höher als in anderen ist. Ein gutes Beispiel dafür ist Hauke Neemann selbst, der es keine Minute bereut, nicht promoviert zu haben.