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Piraten: "Alibi-Veranstaltung"

Kommission soll Politik das Internet näherbringen

06.05.2010
Mit einer Expertengruppe will der Bundestag Anschluss an die rasante Entwicklung beim Thema Internet finden.

Gestern nahm eine Enquete-Kommission ihre Arbeit auf. Ihr gehören 17 Abgeordnete und 17 Sachverständige an, darunter sind Netzaktivisten, Wissenschaftler und Medienexperten. Das Gremium soll bis zum Sommer 2012 die Folgen der Online-Revolution für Gesellschaft, Wirtschaft und Recht erörtern und Empfehlungen für den Bundestag erarbeiten. Zu den Themen gehören der Schutz des geistigen Eigentums, Medienkompetenz, Freiheit im Internet und Datenschutz. Kritiker sprechen aber von einem nutzlosen Gremium.

"An Arbeit wird es nicht mangeln, an Aufmerksamkeit auch nicht", sagte Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke). Parteiübergreifend herrscht Einigkeit darüber, die Sitzungen öffentlich zu gestalten. Zudem sollen sich Bürger im Internet an den Diskussionen beteiligen können. Die Enquete-Kommission war auf Antrag von Union, SPD, FDP und Grünen im März einstimmig vom Bundestag eingesetzt worden. Auch die Links-Fraktion, die an dem Antrag nicht beteiligt war, stimmte zu. Am Mittwoch wurden eine Klausurtagung und eine Anhörung beschlossen, um die Arbeit zu planen und eine Bestandsaufnahme zu machen.

Enquete-Kommission als Alibi-Veranstaltung?

Die Piratenpartei, in der sich vor allem Netzaktivisten engagieren, hatte das Gremium bereits als "Alibi-Veranstaltung" kritisiert. Dem traten Mitglieder der Kommission entgegen: So sagte der SPD-Politiker Lars Klingbeil: "Mit der Enquete-Kommission haben wir die Voraussetzungen geschaffen, um einen netzpolitischen Neuanfang im Bundestag zu machen." Halina Wawzyniak (Linke) mahnte aber: "Die Kommission darf keine Spielwiese sein, auf der nur diskutiert wird, während die Bundesregierung hinter den Kulissen Gesetze gegen Nutzerinnen und Nutzer vorbereitet."

Constanze Kurz vom Chaos Computer Club (CCC) sitzt als Sachverständige mit in der Kommission. Sie rechnet damit, dass es bei der Arbeit auch zum Streit kommen wird - etwa bei Themen wie dem Datenschutz oder dem Urheberrecht im Internet. Ein großes Problem sei die Fülle an Themen und die knappe Zeit. Sie begrüßte aber, dass es das Gremium nun gibt: "Mein Eindruck ist, dass viele Abgeordnete über alle Fraktionen hinweg ein großes Interesse (an dem Thema) haben." Nicht immer hätten sie viel Vorwissen - dieses könnten sie sich aber aneignen.

Viele Themen, wenig Zeit

Der Sachverständige Alvar Freude vom Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur sagte: "Ich hoffe, dass wir zu guten Ergebnissen kommen und wir es schaffen, dass die Politik sich kompetent mit den Themen beschäftigt." Die Frage sei natürlich, was der Bundestag dann an Empfehlungen aus der Kommission umsetze. Als Alibi-Veranstaltung sieht Freude die Enquete aber nicht. "Ich glaube, es gibt ein ehrliches Interesse, mehr zu erfahren und mehr ins Gespräch zu kommen."

Im vergangenen Jahr hatte die Politik die Netzgemeinde mit dem Gesetz zur Sperrung kinderpornografischer Seiten im Internet auf die Barrikaden gebracht. Kritiker wenden ein, dass solche Sperren von Nutzern umgangen werden können und sie der Einstieg in eine umfassende Zensur sein könnte. Die schwarz-gelbe Koalition will die Sperren vorerst nicht anwenden. Stattdessen soll die Polizei versuchen, die Seiten zu löschen. Richtig vom Tisch ist das Thema aber noch nicht. So will Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sowohl das Löschen als auch das Sperren der Seiten ermöglichen. (dpa/tc)