Kommerz vor, Verantwortung

22.07.1988

Das Control Data Institut hat aufs falsche Pferd gesetzt. Der vermeintliche Favorit im Rennen um die Gunst der PC-Experten, OS12, erweist sich in der Praxis als müder Ackergaul. Aber statt den Fehler zuzugeben und daraus Konsequenzen zu ziehen, erhöht die Münchner DV-Schule noch den Einsatz: Das Institut plaziert einen halbseitigen PR-Aufsatz in der stets werbewirksamen "Süddeutschen Zeitung", geschickt getarnt als redaktioneller Beitrag in einer gleichfalls getarnten Werbe-Sonderveröffentlichung. Keine ungeschickte Methode, leergebliebene Schulbänke im Institut mit künftigen

"EDV-Fachmännern/-frauen Standard Personalsysteme" zu füllen. Denn der unbedarfte Leser kann nicht erkennen, daß er in Wirklichkeit einem Reklametrick aufsitzt. Der Text gaukelt dem Interessenten vor, ein allgemein anerkanntes Berufsbild zu beschreiben.

Die Leidtragenden solchen Geschäftsgebarens sind die Teilnehmer, die an dem vorbeilernen, was sie im Beruf können müssen: CDI läßt sie in Cobol (!) und C Anwendungen und mit MS-Windows Benutzeroberflächen programmieren, erklärt ihnen die Systemarchitektur des PS/2 und die Programmierung in MS-Makroassembler. Aber sie erfahren nichts über Unix, Ethernet oder Elektronik Mail, obwohl diese Themen für einen Job im Benutzerservice eines Großunternehmens mindestens so wichtig wären wie die am Rande erwähnte IBM-Netzarchitektur SNA. Den Veranstaltern scheint selbst nicht einmal klar zu sein, ob der von ihnen erfundene Standard-PS-Fachmensch nun Softwareentwickler sein soll oder ob er den Benutzerservice managt.

Das Sortiment an Unterrichtsmodulen, das den Kurs für die "Standard"(!)-Experten ergibt, wirkt so zusammengewürfelt, als stehe für das CDI die vernünftige Ausbildung der Umschüler gar nicht im Vordergrund. Sonst hätte man ja den Kurs überarbeitet, noch bevor er beginnt. Zeit genug wäre gewesen. Doch die Wirklichkeit sieht so aus: Neulinge, die keine Ahnung von ihrem künftigen Job haben, studieren nach einer Beratung durch überforderte Mitarbeiter des Arbeitsamts - an Instituten, deren Verantwortliche längst keinen Draht mehr zum DV-Berufsalltag haben. Auch fehlt vielen Trainern der Bezug zur Praxis,

Die Ausbildung ist heute ein Geschäft wie jedes andere - nur daß hier jungen Leuten die Karriere schon am Anfang vermasselt werden kann. Doch Verantwortungsgefühl ist in dieser Branche Luxus. Die Zeche zahlt letztendlich der Steuerzahler: Erst blecht er für die Ausbildung, später für das Arbeitslosengeld.