Kommentar/Nur Normen bereiten den Markt

26.01.1996

Das eintraechtige Bild, welches das ATM-Forum nach aussen zeigte, hat Risse bekommen. Hinter den Kulissen brodelt es. Abgesplitterte Gruppen versuchen Mehrheitsvoten des Forums zu unterlaufen. Die unterschiedlichen Ziele und Eigeninteressen der Mitglieder sind scheinbar nicht mehr in gemeinsame Bahnen zu lenken.

Die in der Anfangsphase erfolgreiche Arbeit des ATM-Forums hat ihre Schattenseiten. In den ersten Jahren einigten sich die wenigen beteiligten Hersteller in grundlegenden Fragen schnell. Endlich, so freuten sich Hersteller und Anwender, gab es ein Normierungsgremium, das durch rasche Entscheidungen ueberzeugte. In der Folge wuchs das Interesse der gesamten Kommunikationsindustrie. Mittlerweile entsendet jedes grosse Unternehmen und viele Universitaeten Vertreter in das Gremium. In einer Zeit, in der schwierige und detaillierte Normen wie das Routing oder Sicherheitsfunktionen zu definieren sind, ist das ATM-Forum zu einer Organisation mit mehr als 800 gleichberechtigten Partnern angewachsen.

Die hohe Mitgliederzahl des Forums wird zu einer Belastung, obwohl gerade sie auch seine Macht begruendet. Das ATM-Forum ist keine Standardorganisation und bezeichnet sich selbst auch nicht als solche. Es kann nur Empfehlungen aussprechen, die die Interoperabilitaet zwischen Produkten und Diensten sicherstellen. Die einzige Handhabe, die es hat, ist, moeglichst viele Hersteller hinter den verabschiedeten Spezifikationen zu versammeln. So schafft das Forum De-facto-Normen, der sich offizielle Institutionen nur schwer widersetzen koennen. Mit den internen Grabenkaempfen verspielen die Hersteller demnach ihr einziges Kapital, ueber das sie verfuegen.

Die im ATM-Forum vereinigten Firmen werden vermutlich aber wieder zu Vernunft kommen. Es gibt ein gewichtiges Argument, das jeder Anbieter versteht: das Geld. Der IT-Markt ist allmaehlich reif fuer High-speed-Verfahren. Viele Anwender mit Client-Server- Installationen und bandbreitenintesiven Anwendungen warten auf ein High-speed-Verfahren, in das es sich zu investieren lohnt. Dem asynchronen Transferprotokoll haftet anders als etwa Fast Ethernet aber immer noch das Image an, teuer und kompliziert zu sein.

Nur einheitliche Standards, die eine einfache und durchgehende Implementation von Netzen ermoeglichen, werden die Zurueckhaltung der Anwender und potentiellen Kaeufer beseitigen koennen. Mit proprietaeren Loesungen ist also niemandem gedient. Bevor Anwender aber auf offizielle Standards von den langsam arbeiteten Gremien ITU oder IETF warten, werden alternative High-speed-Verfahren wie Fast oder Giga Ethernet den ATM-Anbietern ein grosses Stueck des Kuchens wegschnappen. Die im ATM-Forum vereinten Hersteller und Anbieter haben es selbst in der Hand, sich mit mehrheitlich verabschiedeten und verbindlichen Standards einen grossen Markt zu schaffen, in dem es viel zu verdienen gibt.