Kommentar: iWait - iPhone - iWonder

29.06.2007
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.
Dies ist ein Kommentar. Also ein Beitrag, der sich zwar an Fakten halten muss, der sich allerdings das Recht einer eigenen Meinung vorbehält.

Diese Vorbemerkung scheint angebracht, wenn man über ein Phänomen berichtet, das mit dem Wort Produkt nicht mehr angemessen umrissen ist.

Heute wird Apples Mobiltelefon iPhone in den USA zum ersten Mal käuflich zu erwerben sein. Und wer auch nur den geringsten Zweifel daran hatte, dass es sich hier nicht nur um ein schnödes Mobiltelefon handelt wie zig andere, sondern um ein Weltereignis, der muss sich nur die Fernsehbilder von jenseits des großen Teichs ansehen. Tausende von Menschen campieren Tage und Nächte vor den Geschäften, in denen ab heute nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein modernes Kommunikationsgerät zu kaufen ist. Die Redaktion hat erfahren dürfen, was es heißt, dieses Produkt auf seinen technischen Gehalt zu befragen – und nur hierauf – und dabei die eine oder andere kritische Ansicht zu Protokoll zu geben. Ein Kommentar wie "absolute Zeitverschwendung, ihren Bericht zu lesen" war noch die sehr höflich formulierte Äußerung von einem offensichtlichen Apple-Aficionado. Die Emotionen zu Apple im allgemeinen und zum iPhone im besonderen entgrenzen ganz schnell und mutieren zu Glaubensfragen.

Objekt der Käuferlust und wert, Tag und Nacht vor Einkaufsläden zu campieren: das iPhone.
Objekt der Käuferlust und wert, Tag und Nacht vor Einkaufsläden zu campieren: das iPhone.

Dabei sind allein schon die harten Fakten zu Apple bemerkenswert: Der Wert der Firma ist in die Höhe geschossen. Im Januar 2001 – also im Jahr, als der iPod auf den Markt kam – pendelte der Aktienkurs bei ungefähr 15 Dollar. Heute liegt er bei rund 121 Dollar. Diese Wertsteigerung ist vor allem vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass es sich bei Apple um einen Old-School-Konzern handelt, der also seit Jahrzehnten von Abertausenden Firmen angebotene – wiewohl aus dem Rahmen fallende – Produkte offeriert.

Hier genau beginnt das eigentliche Phänomen dieses Traditionsunternehmens der IT-Branche, wie man es mittlerweile nennen kann. Apple muss ein Produkt lediglich ankündigen und prompt entsteht ein Nachfragesog, der seinesgleichen sucht. Bemerkenswert an dieser Tatsache ist, dass es sich hierbei um Produktkategorien handelt, die Apple zuvor nicht in seinem Angebotsportfolio hatte, über die es also keine Produkterfahrungen sammeln konnte und mit denen Apple Neuland betritt.

Das beste Beispiel ist der iPod. Als der 2001 auf den Markt kam, ätzten viele Marktbeobachter, Apple habe quasi in Notwehr gehandelt und versuche mit diesem MP3-Player einen letzten Befreiungsschlag. Die vage Hoffnung schien zu sein, dümpelnde Umsätze und Profits – wenn es denn überhaupt solche zu verzeichnen gab – bei der angestammten PC-Gerätepalette aufzufangen. Der Schachzug, mit den iPods auch noch den Internet-Musikhandel iTunes zu eröffnen, stellte sich als genial heraus. Wer redet heute noch von Napster? Mit dieser Rochade haben Apple und sein neue Produkte und Geschäftsmodelle vorhersehender Chef Steve Jobs eine ganze Industrie aus den Angeln gehoben.

Kann fast alles und ist chic zum Hinknien – und vor allem wohl wieder einfach ein funktionierendes Geschäftsmodell von Apple.
Kann fast alles und ist chic zum Hinknien – und vor allem wohl wieder einfach ein funktionierendes Geschäftsmodell von Apple.

Apples Produkte besitzen unbesehen einen Status, dem offensichtlich der Stallgeruch des banalen Gebrauchsgegenstandes gar nicht erst anhaften kann. Sie besitzen so viel Sexappeal, dass bei Käufern ein offensichtlich unkontrollierbarer Haben-wollen-Mechanismus einsetzt. Apple hat es geschafft, seine Kunden glauben zu machen, sie müssten diese Gerätschaft besitzen, um "in" zu sein, einer angesagten Peergroup anzugehören oder zur Avantgarde der Techie-Community.

Wenn ein Unternehmen es schafft, sich selbst und seine Produkte dermaßen als Kult zu inszenieren und so im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu etablieren, dann hat es in Sachen Innovation und Mediensteuerung etwas Großes geschaffen.

Insofern muss man heute schon nicht mehr über den Erfolg des iPhone diskutieren. Zu reden wäre vielmehr über die Mechanismen, die ein fast havariertes Unternehmen zu neuen Höhen führte. Und hier scheinen Ideenreichtum, Mut zur Einführung von Produktnovitäten und der genaue Blick auf die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden entscheidende Kriterien zu sein. Alle diese Eigenschaften erfüllt Apple seit Jahren – das Phänomen iPhone ist also keines. Vielmehr ist es Ausdruck einer kreativen Kraft, die insbesondere Jobs innewohnt, und die das Unternehmen in glänzende Geschäftsmodelle umzusetzen versteht.

iWait auf ein Produkt, das die Instinkte der Kunden exakt anspricht. iPhone mit einem Objekt, das mir fast schon zwangsläufig die Mitgliedschaft in der Szene der jungen, kreativen, schönen, neuen Internetwelt garantiert. Und iWonder, dass es nur Apple zu gelingen scheint, Produkte als Erlebnis und Ereignis zu zelebrieren. In der ubiquitären bunten Medienwelt ist das eine Eigenschaft, die Apple von den meisten Firmen weit abhebt. Um dieses rare Gut muss man die Kalifornier beneiden.