Kommentar/Alle schlafen wieder ruhig

08.12.1995

Nun haben sie es geschafft, die deutschen Banken. Die Starnberger Spea AG, die sich als Hersteller von Grafikkarten internationale Reputation verschaffen konnte, wird es als deutsches Unternehmen nicht mehr geben. Nach der Fusion mit der amerikanischen Diamond Computer Systems Inc. geht einer der wenigen deutschen innovativen Hersteller in US-Besitz ueber (siehe Seite 59). Fuer den Spea- Gruender Uli Seng und seinen Finanzvorstand Hans-Christoph Wolf ist damit der langjaehrige Kampf mit deutschen Banken um Wachstumskapital ausgestanden. Schon vor zwei Jahren beklagte Wolf, dass das Wachstum der AG kaum mehr zu finanzieren sei: "Die Banken geben uns als produzierendem Industriebetrieb kein Geld, waeren wir ein Handelsunternehmen, gaebe es weniger Probleme."

Dabei kann Spea in seiner fast zehnjaehrigen Firmengeschichte auf jaehrliche Wachstumsraten von bis zu 60 Prozent zurueckblicken, aber gerade das verunsicherte die Kapitalgeber, die sich mit immer hoeheren Lieferantenrechnungen konfrontiert sahen. Hinzu kommt, dass deutsche Banken den High-Tech-Bereich nicht beurteilen koennen oder wollen. Erfolgschancen von Produktentwicklungen wuerden von den Herren in Nadelstreifen bei der Kreditvergabe nicht gewuerdigt.

Negativ beurteilen deutsche Kreditinstitute auch ein Engagement im internationalen Markt. Als Spea vor Jahren die amerikanische Video Seven, ebenfalls Hersteller von Grafikkarten, zu einem guenstigen Kaufpreis uebernehmen konnte, drehten deutsche Banken sofort an der Kreditschraube: Innerhalb von drei Monaten musste Seng die US- Gesellschaft schliessen, wollte er die Starnberger Mutter nicht gefaehrden.

Um die Kapitaldecke zu verbreitern, versuchten die Spea-Manager noch in diesem Jahr Venture Capital zu ergattern. Rund zehn Millionen Mark erbrachte die Aktion. Das war zwar fuer den Kapitalbedarf der Starnberger nicht ausreichend, machte aber immerhin 20 Prozent des gesamten deutschen Venture-Capital-Marktes aus. Gruende fuer das schwache Engagement deutscher Anleger in Risikokapital ergeben sich aus dem hiesigen Boersensystem. Die Zulassungsbestimmungen sind so anspruchsvoll, dass junge Unternehmen sie nicht erfuellen koennen.

Der Gang an die Boerse und die Ausgabe von Aktien ist aber in anderen Laendern die logische Folge, um dem Geber von Risikokapital wieder zu seinem investierten Geld zu verhelfen.

Dass eine fruehe Boersennotierung hierzulande nicht moeglich ist, beweisen die Zahlen: Das Durchschnittsalter eines Unternehmens, das bei uns die Boersenzulassung erhaelt, liegt bei 50 Jahren. In den USA sind die an der New Yorker Nasdaq notierten Unternehmen im Mittel nur zwei Jahre alt. Nach dem Spea-Verkauf koennen nun wieder alle ruhig schlafen: die Spea-Manager und deren Geldgeber. Ob einer der Banker nachts aufwacht und merkt, dass er ein Geschaeft verloren hat?