Kolumne Postkutscher und Stummfilmstars

14.04.1995

Dieter Eckbauer

Der Cyberspace-Weg in die Informationsgesellschaft ist nicht mit gewoehnlichen Stolpersteinen gepflastert. Digitale Vollautomation bedeutet nicht nur einen radikalen Medienwandel - weg vom Papier - , sondern erzwingt eine neue Kultur des Miteinander, der zwischenmenschlichen Kommunikation. Es geht ja nicht bloss um die Frage, wie es kommt, dass immer mehr Elektronik eingesetzt wird und dabei gleichzeitig die Papierberge wachsen. Koennen wir uns ein Online-only-Szenario vorstellen, sind wir darauf intellektuell und emotionell vorbereitet? Wie gefaehrlich die Entwicklung fuer Ignoranten und Verweigerer - beruflich wie privat - werden kann, wagen erst wenige auszusprechen.

"Elektronische Informationsverteilung" - verwenden wir einmal diese unverfaengliche Bezeichnung, um die Tuecke des Objekts noch zu unterstreichen - wird deshalb vorwiegend unter den Aspekten Technologie, Wirtschaftlichkeit und Sicherheit behandelt. Meist dreht es sich dabei um vermeintliche Killeranwendungen wie E-Mail, Tele-Banking und -Shopping, um Online-Dienste wie Btx/Datex-J und Compuserve oder ums Internet, das "Netz der Netze".

Dass sie das Thema auf eine besondere Weise tangiert, muss man den IT-Spezialisten nicht erklaeren. Sie sind als Technikentwickler und -implementierer direkt an einem Prozess beteiligt, der sie am Ende als Betroffene, womoeglich gar als Verlierer dastehen laesst. Postkutscher und Stummfilmstars fallen einem ein. Was aber sollen die IT-Profis von den unzaehligen Erguessen ausgewiesener und selbsternannter Branchengurus ueber Multimedia, das Internet und den Information-Highway halten?

Die gesellschaftlichen Auswirkungen der Cyberspace-Revolution stehen hier nicht zur Debatte. Nehmen wir nur etwas naeher unter die Lupe, was der Computerindustrie zum technischen Fortschritt auf diesem Gebiet einfaellt, zur Innovation, deren Tempo sie selbst zu bestimmen glaubt: Da wird der PC mit Hochleistungsprozessor (Pentium und so weiter), Grafikbeschleuniger, CD-ROM-Laufwerk, E/A fuer Voice und Video sowie High-speed-Modem zur Multiplattform aufgeruestet, die dem Anwender (Bill Gates "Jedermann") in Zukunft "Multiple User Dimensions" (MUDs) eroeffnen soll.

Das MUD-Bild ist so genau wie die Wetterkarte von 1999. Ueber eines sollten sich Gates & Co. indes im klaren sein: Als Zugmaschine gibt der PC kaum noch etwas her. Der "Prozessor" (Computer) bewirkt nichts mehr. Fuer herkoemmliche Anwendungen bringt ein Mehr an Leistung auf dem Desktop keinen Zusatznutzen. Ich werde nicht schneller schreiben, weil es das neue Textverarbeitungsprogramm ermoeglicht, nicht schneller zeichnen, weil Grafiksoftware den Prozess unterstuetzt. Die Beispiele liessen sich beliebig fortsetzen. So bitter die Erkenntnis fuer die Computerhersteller auch sein mag: Der PC ist obsolet geworden. Bleibt die Frage des Zugriffs (Access) auf Informationen, die in weltweiten Netzen vorgehalten werden; bleibt die Frage nach den Inhalten: Dafuer ist die IT- Branche nicht zustaendig, auch wenn sie es vielleicht nicht wahrhaben will.