Kolumne/IT-Business is like Show-Business

19.04.1996

Christoph Witte

There's no Business like Show-Business. Diese Lebensweisheit der Schauspieler und Entertainer, immer mit dem Unerwarteten zu rechnen, laesst sich spaetestens seit der erhoehten Aufmerksamkeit der Boersianer auch auf die IT-Branche anwenden. Deren Bestreben, das Gras wachsen zu hoeren, fuehrt zu manchem Paradox. Juengstes Beispiel ist die SAP: Mitteilungen von Forrester Research (siehe Seite 1), wonach die Walldorfer an einem voellig neu gestalteten, objektorientierten Nachfolger ihrer Standardsoftware R/3 entwickeln sollen, schickten den SAP-Kurs Ende vergangener Woche in den Keller. Besonders wertmindernd wirkte offenbar die Aussage der Auguren, die heutige Standardsoftware koenne angesichts der juengsten Internet-Entwicklungen fuer Anwenderunternehmen nur eine voruebergehende Loesung darstellen.

Dass die Fuehrungsmannschaft der Walldorfer aus Respekt vor dem Vermoegen ihrer Aktionaere - also auch dem eigenen - die Produktschelte nicht gelten lassen will, die jeglichen Wettbewerbsvorteil durch den R/3-Einsatz in Abrede stellt, ist verstaendlich. Leider hat es die SAP aber versaeumt zu sagen, welche zaehlbaren Vorteile ihre Software dem Anwender bringt. Sieht man einmal von prinzipiellen Argumenten fuer Standardprogramme ab, die gegenueber alten und schlampig dokumentierten Individualloesungen ohnehin vorzuziehen sind, trugen die Walldorfer wenig zu dieser ueberfaelligen Diskussion bei. Die teilweise in der Forrester-Studie beschriebenen Nachteile von R/3 wie die kaum mehr beherrschbare Komplexitaet, mangelnde Flexibilitaet, die proprietaere Programmiersprache Abap 4 und die allzu langen Einfuehrungszeiten sind bekannt.

Doch anders als frueher, wo weder Vorstandsmitglieder in Unternehmen auf etwaige Bedenken ihrer DV-Abteilungen hoerten noch sich Spekulanten um die Gewinnfaehigkeit der SAP sorgten, fuehren heute schon Geruechte um ein Nachfolgeprodukt und Internet-Traeume von Marktforschern zu einem Kursrutsch.

Klar, die Aktie der Softwareschmiede ist hoch bewertet und von daher anfaellig. Auch nicht bestreiten laesst sich, wie schnell die Entwicklung der Internet- und Intranet-Technologie voranschreitet. Aber bis Applikationen vom Kaliber R/3 ersetzbar sein werden, duerften noch etliche andere Geruechte ins Kraut schiessen. Doch dass ein Unternehmen, das sich tatsaechlich oder vermeintlich um die Weiterentwicklung seines Produktes kuemmert, mit sinkendem Boersenwert bestraft wird, koennte direkt aus einem schlechten Filmdrehbuch stammen. Satirereif ist allerdings auch die Reaktion der SAP, die eine grundsaetzliche Neuentwicklung vehement abstreitet.

Oder wissen die Boersianer mehr, als wir vermuten? Sollten sie etwa die Stimmung der R/3 einsetzenden IT-Manager ausgelotet und diese gefragt haben, was Einkauf und Einfuehrung des SAP-Pakets bisher gekostet und was sie gebracht haben? Vielleicht hat sich bei diesem "Feldtest" auch ergeben, dass DV-Leiter die Implementation einer solchen Monster-Software nicht allzu haeufig pro Berufsleben ertragen. Wie gesagt, heute gilt: IT-Business is like Show- Business.