Kober kommt

27.08.1982

Wer fälschlich totgesagt wird, lebt nach altem Volksglauben besonders lange. Trifft das zu, dann wäre Hans Kober der Spott seiner Ex-Mannen sicher. Der geschaßte Org./DV-Chef der Ottobrunner Messerschmitt-Bölkow-Blohm GmbH, kurz: MBB, sieht die Computerlandschaft im Umbruch: In einigen Jahren, so der prominente DV-Praktiker, werde es die traditionellen Programmierer und Systemanalytiker nicht mehr geben. (CW 34 vom 20. August 1982, Seite 1: "MBB-Datenverarbeiter uneinig über DV-Konzept"). Jetzt kann der DV-Ikarus, auf den Boden (der Tatsachen?) zurückgeholt, über die Gründe für das Scheitern seines Höhenfluges nachdenken, der ihn bis ins Topmanagement führen sollte.

Dies vorweg: Es liegt nicht im Sinne einer fairen Berichterstattung, exponierte DV-Spezialisten durch Schlüsselloch-Beiträge zu kompromittieren. Die CW-Redaktion sieht sich auch nicht in der Rolle eines Schiedsrichters, der ein Unternehmen, sei es von Anwender- oder von Herstellerseite, an den Pranger stellt. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang nur die Skizzierung eines Sachverhaltes, der nicht einmalig sein dürfte. Diese Prämisse scheint im Falle "Kober versus Kleingeist" gegeben. Daß wir damit auch gleich unser Urteil in der Sache vorwegnehmen, glauben wir Kober schuldig zu sein. Der Mann ist seiner Zeit um einige Jahre voraus: Die benutzernahe Datenverarbeitung, von Kober pragmatisch gefordert, befindet sich im Vormarsch, da beißt die MBB-Maus keinen Faden ab. Nur haben wir sie eben noch nicht Doch Konzepte wie Kobers "freiwillige Entmachtung der DV-Abteilung" lassen den Trend erkennen. Verteilte Datenverarbeitung, weniger anspruchsvoll, wird in Ansätzen nahezu überall praktiziert.

Die Benutzer sind es leid, von den Computerherstellern Werkzeuge zur Rationalisierung verkauft zu bekommen, die nur über "Mittelsmänner" genutzt werden können - deren Qualifikation häufig zweifelhaft ist. Wer wollte das leugnen: Die Computerspezialisten haben in der Regel weder Erfahrung in der Anwendung noch als Manager. Das böse Wort von der "Selbstbefriedigungs-DV" paßt nach wie vor. Leider. Denn die Spezialisten haben das Entwicklungsmonopol. Was herauskommt, deckt sich in vielen Fällen nicht mit den Vorstellungen der Anwender.

Sinngemäß fordert Kober deshalb Vor-Ort-Datenverarbeitung, ja sogar Anwendungsentwicklung in den Fachbereichen - ohne Einschaltung von Programmierern der Zentral-DV Weiter auf Kobers Wunschkatalog für benutzernahe Datenverarbeitung: direkte Kommunikation mit dem Rechner, direkter Zugriff auf die Daten, benutzereigene Dateien. Gewiß keine utopischen Vorstellungen.

Gestolpert ist der Vollblut-Profi letztlich darüber, daß ihm seine eigene DV-Crew nicht die Stange hielt, Macht- und Einkommensverlust fürchtete. Dies ohne Frage auch das Ergebnis falscher DV-Politik eines Vorstandes, der sich von den Traditionalisten beeinflussen ließ. Klagen hilft freilich nicht. Daß den Managern vielfach das Verständnis für die Computerei fehlt, auch davon muß man ausgehen.

Es gibt nur zwei Alternativen zur Lösung des Problems: Entweder lernt das Topmanagement mehr über die DV oder der DV-Mann entwickelt den Ehrgeiz, in echte Kommandopositionen aufzurücken. Der oberste MBB-Datenverarbeiter war auf den Geschmack gekommen. Für dieses Mal hat er noch das Nachsehen. Doch vielleicht wird ein Satz bald zum Erkennungszeichen der "Dataisten": "Kober kommt!"