Software-Modernisierung

Knowhow-Träger gehen in Rente

14.08.2009
Von 
Dr. Klaus Manhart hat an der LMU München Logik/Wissenschaftstheorie studiert. Seit 1999 ist er freier Fachautor für IT und Wissenschaft und seit 2005 Lehrbeauftragter an der Uni München für Computersimulation. Schwerpunkte im Bereich IT-Journalismus sind Internet, Business-Computing, Linux und Mobilanwendungen.
Anzeige  Standard-Software ist leichter zu warten und hat meist eine geringere Fehlerquote. Zudem sind immer weniger Programmierer im Unternehmen unterwegs, die die Codes für die Eigenentwicklungen schreiben und betreuen können. Experton Group-Analyst Wolfgang Schwab rät Unternehmen daher massiv zu Standards.
Die Individual-Software in vielen Unternehmen ist in die Jahre gekommen - genauso wie ihre Entwickler, die jetzt ins Rentenalter kommen.
Die Individual-Software in vielen Unternehmen ist in die Jahre gekommen - genauso wie ihre Entwickler, die jetzt ins Rentenalter kommen.
Foto: Fotolia

Schon seit längerem geht der Trend weg von Individual-Software hin zu Programmen von der Stange. Standard-Software von Microsoft, SAP oder Oracle deckt einen klar definierten Anwendungsbereich ab und wird als vorgefertigtes Produkt erworben. Das macht sie preiswert und spart Man-Power im Unternehmen.

Im Gegensatz dazu wird Individual-Software für den gezielten Unternehmenseinsatz in Eigenentwicklung programmiert. Vor allem in den sechziger, siebziger und teilweise achtziger Jahren war das die bevorzugte Methode der Software-Einführung. Heterogene, leistungsschwache IT-Landschaften führten dazu, dass auf Unternehmensbedürfnisse sehr individuell eingegangen werden musste. Abgesehen davon gab es auch kaum Alternativen zur Eigenlösung.

Individual-Software wird immer komplexer

Mit dem Wachstum der Unternehmen ist jedoch die Individual-Software immer ausufernder geworden. Mittlerweile sind Eigenentwicklungen so komplex, dass sie kaum mehr aufrecht zu erhalten sind. Neue Technologien wie eine Internet-Anbindung oder Java-Applikationen können gar nicht mehr oder nur mit großem Aufwand integriert werden.

Viele Unternehmen müssen zudem leidvoll feststellen, dass die Know-how-Träger der Eigenentwicklungen zunehmend das Rentenalter erreichen - und damit die Personaldecke immer dünner wird. "Wenn Sie niemanden mehr haben, der diese Applikationen warten kann, dann haben Sie ein Riesenproblem", sagt Wolfgang Schwab, Senior Advisor & Program Manager Efficient Infrastructure bei der Experton Group.

Der zunehmende Know-How-Mangel und die steigende Komplexität der Individual-Software treiben die Betriebskosten drastisch in die Höhe. "Die Wartungskosten, die eine Individual-Lösung nach sich zieht, sind relativ hoch", erklärt Wolfgang Schwab. "Und damit sind die Betriebskosten einer eigenen Lösung in aller Regel höher als die einer Standard-Lösung.".

Solche Überlegungen sind für viele Unternehmen der Auslöser, über einen Wechsel von Individual-Software hin zu Standard-Applikationen nachzudenken. Besonders die Kosten dürften dabei eine ausschlaggebende Rolle spielen. Bedenkt man, dass beispielsweise ein Standard-ERP-System nur etwa fünf bis zwanzig Prozent der Kosten einer individuellen ERP-Lösung ausmacht, ist dies ein schlagkräftiges Argument - wobei es immer einen Spagat zwischen Funktionserhalt und Ersparnis gibt. Dennoch: "Viele Unternehmen überlegen, ob sie die gleiche oder zumindest eine ähnliche Funktionalität einfacher und günstiger mit einer Standardlösung umsetzen können", sagt Experton-Analyst Schwab.

Standard-Software ist weniger fehleranfällig und schneller verfügbar

Neben geringeren Kosten punktet Standard-Software aber noch mit anderen Qualitäten. So sind häufig installierte Standard-Systeme wie etwa von SAP oder Oracle durch viele Anwender überprüft worden - und daher weniger fehleranfällig als individuelle Software. Und sie sind deutlich schneller verfügbar als Eigenlösungen, die erst zeitaufwändig entwickelt werden müssen.

Vor allem aber ist, im Gegensatz zu individuellen Software-Lösungen, kein großer Mitarbeiterstab zur Weiterentwicklung und Wartung des Systems mehr nötig. Statt dessen werden diese kostspieligen Aufgaben an den Software-Hersteller "outgesourct": Er garantiert die Weiterentwicklung des Produkts - der Anwender erhält im Rahmen von Wartungsverträgen lediglich aktuelle, fehlerbereinigte Releases. Nicht zuletzt deshalb haben sich für Unternehmen, die noch vor der Jahr-2000-Umstellung auf Software von der Stange gesetzt haben, die dadurch bedingten IT-Probleme in Grenzen gehalten. Ohne automatische Software-Updates hätte es bei der Jahr-2000-Umstellung und bei der Euro-Einführung sicherlich mehr Schwierigkeiten gegeben.

Mit dem Umstieg auf Standard-Software ist allerdings fast immer auch ein Hardware-Wechsel verbunden. Denn ältere Computer-Hardware, Betriebssysteme und Netzwerke werden den Anforderungen, die moderne Standard-Software stellt, nicht mehr gerecht.

Das gilt besonders für die Ablösung von Mainframe-Applikationen. "Wer eine Mainframe-Applikation hat, wird bestimmt keine Standard-Applikation auf dem Mainframe laufen lassen", erklärt Experton-Mann Schwab. "Die meisten stellen dann auf Unix bzw. Linux oder Windows um - und da braucht man entsprechend neue Hardware."