Öffentliche Verwaltung/Die Universität Erlangen-Nürberg auf dem Weg zur Kostensenkung

Kliniken-Konglomerat an die Standardsoftware-Leine genommen

17.01.1997

Wie können Krankenhäuser effizienter werden? Diese Frage beschäftigt viele Verantwortliche im Krankenhaus-Management. Umgekehrt könnte man fragen: Wieso arbeiten Krankenhäuser zur Zeit nicht effektiv? Liegt es an der Gesetzgebung, der diktierten Kostensenkung? Liegt es an den schier unüberwindlichen Barrieren zwischen den Berufsgruppen in den Krankenhäusern? Sind die Prozesse dort so komplex geworden, daß keiner mehr den Überblick hat?

Wie auch immer, die Kliniken müssen nach vorne schauen, sich den knapper werdenden Mitteln anpassen, genauso wie dem Wettbewerb untereinander. Im Grunde durchlaufen sie jetzt die Entwicklung, die bereits vor Jahren in der Industrie stattfand. Die Betriebe waren durch den Wandel vom Verkäufermarkt zum Käufermarkt, durch härteren Wettbewerb unter anderem infolge billigerer Produkte aus dem Ausland, zu einem grundsätzlichen Umdenken und zu Umstrukturierungen gezwungen.

Solche Erfahrungen aus der Privatwirtschaft kamen auch Beratungsunternehmen bei der Entwicklung betriebswirtschaftlich fundierter Methoden zugute, die nun auch für Krankenhäuser nützlich sein können. Ein konkretes Beispiel ist das Klinikum der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg, das mit CSC-Ploenzke, München, zusammenarbeitet.

Eine zuverlässige Orientierungshilfe in der 100000 Einwohner zählenden Hugenottenstadt Erlangen sind die vielen Hinweisschilder zu den einzelnen Kliniken. Das Uni-Klinikum umfaßt insgesamt

-21 bettenführende Kliniken,

-neun selbständige Abteilungen,

-23 Polikliniken sowie

-zehn Standorte der Klinikverwaltung und leistungserbringenden Institute, die über 15 Quadratkilometer im gesamten Stadtgebiet von Erlangen verstreut sind. Das Klinikum verfügt über 1638 Betten und beschäftigt etwa 5200 Mitarbeiter in Medizin, Pflege und Verwaltung.

Der gesamtbayerische Lenkungsausschuß, eine Kommission aus Vertretern des Ministeriums und der Universitätskliniken, beschloß den Einsatz von administrativen Standardverfahren der SAP für alle bayerischen Universitätskliniken. Die aktuelle Gesetzgebung im Gesundheitswesen, das Gesundheitsstrukturgesetz GSG ´93 und die Bundespflegesatzverordnung 1995 (BPflV ´95) verlangen eine an betriebswirtschaftlichen Maßstäben ausgerichtete Führung der Kliniken.

Dazu benötigt man integrierte DV-Verfahren mit zentraler Datenbasis. Deshalb war die Entscheidung des Lenkungsausschusses für den Einsatz der SAP- Branchenlösung "IS-H" ergänzend zu den bereits genutzten Standards des etablierten Walldorfer Anbieters nur folgerichtig. In der Administration des Erlanger Klinikums wurden diese Verfahren bereits gemeinsam mit Beratern von CSC Ploenzke eingeführt. So stand einer weiteren Zusammenarbeit in Sachen Patienten-Management und -Abrechnung nichts mehr im Wege.

Rechtliche Vorgaben unter der Lupe

Im April 1995 erhielten die Münchner Berater den Auftrag, die Organisation der Ambulanzen und der stationären Patientenbereiche zu analysieren. Ausgehend von einer Bestandsaufnahme, untersuchte man die Schwachstellen, und beurteilte die Umsetzung der BPflV ´95 und der sonstigen rechtlichen Vorgaben.

Im Vorgriff auf künftige Organisationsstrukturen und -prozesse wurden in der Phase "Soll-Ablaufstruktur" die Ist-Abläufe verbessert. Das Ergebnis war ein den Anforderungen entsprechendes Einführungskonzept für das zu realisierende Krankenhaus-Informations-System (KIS).

Das Klinikum verfügt über ein flächendeckendes Netz aus zehn Kilometern Glasfaserring, das mit Novell-Produkten arbeitet. Als zentraler Server ist ein "RM600" mit 1 GB Hauptspeicher, 100 GB Plattenkapazität (zweimal RAID 5) von SNI im Einsatz. Neben vielen Softwarelösungen im medizinischen Bereich werden die Standardverfahren, Finanzbuchhaltung, Materialwirtschaft, Controlling und Anlagenbuchhaltung der SAP in den Fachbereichen genutzt.

Im November 1995 begann das Projekt "IS-H-Einführung im Klinikum der FAU". Das Team bestand aus Mitarbeitern des Klinikums, der Informationsverarbeitung Medizin der FAU (IV-Med) sowie den externen Beratern aus München. IV-Med-Geschäftsführer Hubert Seibold begründet die Auftragsvergabe: "Die Abwicklung großer Projekte erfordert meist auch spezielles Wissen, das überwiegend nur einmal Verwendung findet, und führt über begrenzte Zeit zu Spitzenbelastungen für das vorhandene Personal. Das waren für uns die beiden wesentlichen Gründe, bei der Einführung von IS-H trotz des eigenen Teams zusätzlich noch Externe ins Boot zu holen."

Seit 1994 sind die SAP-R/3-Module "FI", "MM", "AM" und "CO" im FAU-Klinikum im Einsatz. Alle Projektbeteiligten standen vor der Aufgabe, IS-H in das bestehende produktive System zu integrieren. Die Transport- und Konsolidierungsproblematik wurde über eine dreistufige Systemkonfiguration mit Integrations- und Entwicklungs-, Konsolidierungs- sowie Produktivsystem gelöst. Zunächst wurde das System angepaßt (Customizing) und als erstes Teilprojekt das ambulante Patienten-Management mit der Pilotierung und Implementierung realisiert. Mittlerweile arbeiten im ambulanten Bereich des Klinikums fünf Polikliniken und die administrativen Bereiche damit. Im Juni 1996 wurde das zweite Teilprojekt "Stationäres Pa- tienten-Management/Patientenabrechnung" gestartet.

Um die künftigen Anwender und Betreuer zu Beteiligten zu machen, ist beabsichtigt, das Know-how der Beratergruppe und der IV-Med-Mitarbeiter auf das gesamte Projektteam zu übertragen. Die Erfahrung aus dem ersten Teilprojekt "Ambulantes Patienten-Management" zeigte, daß das unbedingt notwendig ist.

Aus diesem Grund entschloß man sich für die Pilotierung des zweiten Teilprojektes zu einem veränderten Vorgehen: Es wurden Arbeitsgruppen für die vier Themen "Patienten-Management", "Patientenabrechnung", "Auswertungen" und "Pflegepersonalregelung" gebildet, die sich sowohl aus Projektmitarbeitern des Klinikums und der IV-Med als auch aus zukünftigen Anwendern der Pilotkliniken und betroffener Fachreferate zusammensetzten. Die Arbeitsgruppen hatten den Auftrag, alle Standardgeschäftsvorfälle des Klinikums bis August 1996 in das Testsystem zu integrieren.

Für den Übergang ein Hotline-Service

In begleitenden Workshops wurden die Arbeitsgruppen von Projektmitarbeitern unterstützt. Die Gruppen definierten alle Standardgeschäftsvorfälle, indem sie organisatorische Abläufe, Maskenfolgen und Maskenaufbau sowie Organisationsmittel und fachliche Voraussetzungen für Berechtigungen festlegten. Anschließend wurde abgeleitet, welche Veränderung der Basisdaten und welche Customizing-Einstellungen notwendig waren.

Nach Abschluß der Pilotierung im August 1996 begann die Implementierung des zweiten Teilprojekts. Während der Pilotierung wurden die Standardgeschäftsvorfälle und Sonderfälle der Pilotkliniken DV-technisch abgebildet. Die klinikspezifischen Besonderheiten der anderen Kliniken flossen bei der Implementierung in die Standardsoftware ein. Monatlich werden 30 bis 50 zukünftige User geschult. Die Anwenderbetreuer bieten in der Übungsphase einen Hotline-Service.

Bedingt durch Randbedingungen der Klinikeinrichtungen, werden alle Subsysteme zur Zeit von einem zentralen Kommunikations-Server bedient. Der Datenaustausch zwischen IS-H und der Kommunikationsdatenbank erfolgt ereignisgesteuert durch das Kommunikationsmodul. Der Server sorgt in beiden Richtungen für Empfang, Verteilung und Weiterleitung der Informationen. Momentan sind zehn Subsysteme an ihn angeschlossen, langfristig sollen zirka 50 Subsysteme und medizinische Spezialsysteme eingebunden werden.

Ab dem zweiten Quartal 1997 ist beabsichtigt, IS-H für das Stations-Management im Klinikum der FAU Erlangen-Nürnberg zu pilotieren und zu implementieren.

Angeklickt

Der gesamtbayerische Lenkungsausschuß, eine Kommission aus Vertretern des Ministeriums und der Universitätskliniken, beschloß den Einsatz von administrativen Standardverfahren für alle bayerischen Universitätskliniken. Das bedeutet eine an betriebswirtschaftlichen Maßstäben ausgerichtete Führung der Krankenhäuser. Die Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen, mit ihren 21 bettenführenden Kliniken und 5200 Mitarbeitern installierte unter anderem Module für Patienten-Management und Abrechnung.

*Silke Förster ist Projektleiterin bei der IV-Med in Erlangen, Hans Schmid ist Bereichsleiter Gesundheitswesen bei CSC Ploenzke in München.