Klickbetrug gefährdet Googles Erfolg

06.03.2006
Der Kampf der Suchmaschinenbetreiber gegen die Abzocker von Werbegeldern gleicht dem Wettlauf zwischen Hase und Igel. Für den Marktführer geht es ums Ganze.

Es ist langweilig, aber ich verdiene zusätzlich ein bisschen Geld damit, zwei Stunden pro Tag auf Werbelinks zu klicken. (...) Was in der Anzeige steht, interessiert mich nicht. Ich muss nur darauf achten, zwischen den Klicks 60 oder 90 Sekunden Pause zu machen." Als "The Times of India" vor zwei Jahren über Ad-Clicker berichtete, sahen viele Beobachter das baldige Ende für eine junge und sehr erfolgreiche Werbeform voraus. Legionen von Indern, womöglich organisiert in so genannten Click-Farmen, würden ein großes Business in Kürze ruinieren. Wer von den Werbetreibenden wäre noch bereit, Geld für Anzeigen auszugeben, wenn sie nicht potenzielle Kunden, sondern hauptsächlich Betrüger anlockten?

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Die Schwachstelle von Pay per Click

In den Anfängen des kommerziellen Web zahlten die Werbetreibenden für die bloße Einblendung von Bannern. Heute erwarten sie immer mehr Nachweise über die Wirkung der eingesetzten Mittel. Der TKP (Tausenderkontaktpreis) weicht zunehmend dem Pay per Click (PPC). Dabei zahlt der Anzeigenkunde für das "Click through", also dafür, dass ein Besucher einer Anzeige folgt und so zur Web-Präsenz des betreffenden Unternehmens gelangt.

Bei den Suchmaschinen als Werbeträgern kommt hinzu, dass sie ihren Kunden Suchbegriffe verkaufen. Deshalb können sie für Anzeigen einen thematisch passenden Kontext bieten. Die Begriffe ("Keywords") haben keinen Festpreis, sondern gehen über ein Auktionsmodell an die Meistbietenden.

Kosten pro Klick und die Versteigerung von Begriffen definieren aber auch die Rahmenbedingungen für Betrüger. Nachdem die ersten Abzocker die Anzeigen noch manuell anklickten, existieren mittlerweile Tools und "Dienstleister", um diese Tätigkeit zu rationalisieren. Der Preis von Keywords ist den Profis in der Regel bekannt, so dass teure Begriffe stärker gefährdet sind.

Formen des Klickbetrugs

Klickbetrug folgt zwei Motiven: Die Täter wollen entweder Konkurrenten schädigen oder unrechtmäßig an Werbeeinnahmen gelangen.

Die ältere Form des Missbrauchs richtet sich gegen Anzeigen, die auf den Seiten der Suchmaschinen eingeblendet werden. Dahinter stehen meistens unlautere Wettbewerber, die Anzeigenkampagnen eines Konkurrenten torpedieren wollen. Sie klicken so lange auf dessen Werbung, bis sein Kostenlimit für diesen Tag erreicht ist. Eine unseriöse Firma kann so die Anzeigen anderer Unternehmen "wegklicken". Deren Budget ist häufig schon am frühen Vormittag erschöpft, weil die Betrüger bereits während der Nacht aktiv sind. Der Geschädigte muss dabei nicht nur für die irregulär abgerufenen Werbemittel bezahlen, sondern ihm entgehen zusätzlich Geschäfte, die er von seiner Kampagne erwartet hatte.

Eine Variante dieses unlauteren Wettbewerbs ist der "Impression Fraud". Dabei werden keine Anzeigen geklickt. Vielmehr wiederholen die Betrüger immer wieder (per Script) eine Suchabfrage mit den Begriffen, die der Konkurrent gebucht hat. Da sie aber keine Werbemittel anklicken, verschlechtert sich das Verhältnis von Seiten- abrufen und dem Erfolg der betreffenden Werbung. Unterschreitet die Klickrate einer Anzeige einen gewissen Wert, so gilt sie für die Such- maschinen als Blindgänger und wird nicht mehr eingeblendet.

Abzocken mit Partnerprogrammen

Eine neuere Form des Klickbetrugs betrifft die Partnerprogramme der Suchmaschinen, etwa "Google Adsense" oder "Yahoo Publisher Network". Sie bieten den Betreibern von Websites die Möglichkeit, auf ihren Seiten automatisch Werbeanzeigen einblenden zu lassen. Die Suchmaschinen sind dabei in der Lage, thematisch passende Werbung anzuliefern. Wenn Besucher solche Werbemittel anklicken, dann erhält der Website-Inhaber eine Provision. Daraus leitet sich dessen Motiv für betrügerische Klicks ab. Je mehr Werbung auf seiner Website abgerufen wird, umso höhere Einnahmen kann er erzielen.

Erhebliche Betrugsquoten

Ironischerweise bedroht dieser Missbrauch eine Werbeform, die im Vergleich zu bisherigen Methoden als besonders effizient gepriesen wird. Kosten entstehen dem Auftraggeber nur dann, wenn ein Benutzer auf eine Anzeige klickt und so auf die Website der betreffenden Firma gelangt. Zusätzlich kann der Werbetreibende den Kontext bestimmen, in dem sein bezahlter Link erscheint, indem er bestimmte Begriffe bucht. Beide Faktoren - also messbare Aktivitäten eines potenziellen Käufers und das richtige thematische Umfeld - sollen die Streuverluste bei Anzeigenkampagnen vermindern.

Nach verschiedenen Untersuchungen beläuft sich die Quote der missbräuchlich betätigten Werbelinks auf 10 bis 50 Prozent. Die amerikanische marketingexperiments.com ermittelte in drei Testkampagnen für Google Adwords Betrugsraten zwischen 8,3 und 29,5 Prozent. Dabei zeigte sich, dass Klickbetrüger gut über die Preise von Keywords informiert sind. In einem Testdurchlauf mit den durchschnittlich eher teuren Anzeigen für den Finanzsektor fiel der Missbrauch signifikant höher aus als bei jenen für Arbeitsvermittlungen.

Google, der Werberiese

Die Effizienz dieser kontextbezogenen Anzeigen half vor allem Google, immer mehr Werbebudget an sich zu ziehen. Das Unternehmen verdient damit den allergrößten Teil seiner Einnahmen. Es erzielte im Jahr 2005 mit Online-Werbung 6,06 Milliarden seines Umsatzes von 6,14 Milliarden Dollar. Für den Suchriesen steht daher viel auf dem Spiel. Seine Versuche, den Missbrauch zu bekämpfen, beantworten die Betrüger indes mit immer raffinierteren Tricks.

Ein Hindernis, bei dem Versuch, unlauteren Benutzern auf die Schliche zu kommen, besteht darin, dass sich die Aktivitäten von Web-Surfern nicht durchgängig verfolgen lassen. Die Suchmaschinen können Daten über ihre Benutzer sammeln und anhand bestimmter Muster möglichen Missbrauch erkennen. So zeigt etwa die IP-Adresse die geografische Herkunft des Besuchers an. Wenn jemand aus Indien oder Osteuropa in kurzen Abständen auf mehrere deutschsprachige Anzeigen klickt, dann deutet dies auf Betrug hin. Um ihren Standort zu verbergen, nehmen routinierte Ad-Clicker daher den Umweg über offene Proxy-Server. Mittlerweile ignorieren die meisten Suchmaschinen die Klicks, die von dort generiert werden.

Verdächtiges Besucherverhalten

Alle Versuche, irreguläre Aufrufe von Anzeigen zu erkennen, enden allerdings, sobald der Besucher über einen Werbelink die Suchmaschine oder deren Partner-Site verlässt und auf der Web-Präsenz des werbenden Unternehmens landet. Gerade dort kann aber sein Verhalten schnell verraten, ob es sich um einen potenziellen Kunden oder um einen Betrüger handelt. Aus diesem Grund kommen laufend Tools auf den Markt, die Klickbetrug auf den Sites der Anzeigenkunden identifizieren sollen. Derartige Funktionen werden zunehmend auch Bestandteil von Software für das Web-Controlling. In Deutschland bietet die Etracker GmbH seit kurzem ein derartiges Modul an. Das Tool versucht, typische Nutzungsmuster für eine Website zu ermitteln. Auffällige Abweichungen, etwa vermehrte Zugriffe während einer ungewöhnlichen Uhrzeit oder aus Regionen, in denen das Unternehmen wenig Geschäfte macht, lassen die Alarmglocken schrillen. Aufschluss gibt auch das Bewegungsmuster eines Besuchers. Wenn er mehreren Werbeanzeigen folgt und anschließend die Zielseite sofort verlässt, könnte das ebenfalls ein Indiz für unseriöse Machenschaften sein.

Abrechnungen mit wenig Details

Während Suchmaschinen nicht sehen können, wie sich potenzielle Betrüger nach dem Klicken einer Anzeige auf der Website ihrer Kunden verhalten, wissen umgekehrt Letztere wenig über die Aktivitäten ihrer Besucher, bevor sie auf die Site des Unternehmens gelangten. Die von Google, Yahoo & Co. angebotenen Statistiken geben keine detaillierten Auskünfte, so dass geschädigte Firmen irreguläre Klicks nicht einzelnen Posten in ihrer Rechnung zuordnen können. Christian Bennefeld, Geschäftsführer von Etracker, sieht den Nutzen der Klickbetrugserkennung jedoch darin, die Wirtschaftlichkeit einer Kampagne generell zu bestimmen. Wenn etwa Google von 10 000 getätigten Klicks 7500 in Rechnung stellt und 2500 als irregulär verwirft, dann könne der Kunde mit Hilfe von Web Controlling dieses Verhältnis nachprüfen. Im Fall von größeren Abweichungen verhielten sich die Suchmaschinen kulant und seien bei stichhaltigen Beweisen bereit, Geld rückzuerstatten.

Auch deutsche Banner betroffen

Eine Umfrage der amerikanischen Search Engine Marketing Professional Organization (Sempo) im letzten Jahr ergab, dass die Mehrzahl der Werbetreibenden den Klickbetrug als geringes Problem betrachtet oder zumindest noch wenig dagegen unternommen hat. In Deutschland dürfte die Sorge wegen möglichen Missbrauchs noch kleiner sein, weil die deutschen Keywords weniger kosten und für Ad-Clicker daher nicht so interessant sind wie ihre englischen Pendants. Laut Bennefeld gibt es aber keinen Anlass für Sorglosigkeit. Auf Basis von 1500 Kunden-Sites ermittelte Etracker eine Rate von rund 30 Prozent ungültigen Klicks. Damit gelten für heimische Firmen ähnliche Risiken wie im internationalen Durchschnitt. Allerdings würden die meisten Betrügereien über Partnerprogramme wie Adsense erfolgen, bei denen Websites in Zusammenarbeit mit Suchmaschinen Anzeigen veröffentlichen. Dagegen sei der Klickmissbrauch auf den Suchmaschinenseiten eher selten.

Da sich mit Keyword-Advertising viel Geld verdienen lässt, wird es zu einem Wettrüsten zwischen den Suchmaschinen und Abzockern kommen. Die Suchmaschinen investieren erheblichen Aufwand, um ihre Kunden vor Klickbetrug zu schützen. Sie befinden sich dabei in einer zwiespältigen Position: Einerseits verdienen sie am Missbrauch, weil der Kunde grundsätzlich für jeden Klick bezahlen muss. Andererseits müssen sie das System "Pay per Click" generell vor unseriösen Machenschaften schützen, weil sie sonst ihre Geschäftsgrundlage verlieren. Den großen Playern gelingt es heute, einen erheblichen Teil der betrügerischen Klicks zu erkennen und auszufiltern. In den Tests von marketingexperiments. com konnte Google allerdings nur einfache Attacken wie das wiederholte Anklicken einer Werbung effizient abwehren. Die drei Probekampagnen zeigten, dass ausgefeilte Betrugsmethoden weitgehend unerkannt blieben.

Neue Abzockmethoden

Neben automatisierten Klicks, die einen menschlichen Benutzer imitieren, setzen Betrüger zunehmend auf kombinierte Aktionen, um an das große Werbegeld zu gelangen. Zu den neuesten Errungenschaften zählt etwa, dass die Abzocker automatisiert Weblogs bei großen Hostern anlegen, darunter auch bei Googles eigenem blogger.com. Sie füllen die Seiten mit Inhalten, die sie maschinell im Web einsammeln, und versehen sie dann mit kontextabhängiger Werbung wie etwa Adsense.

Fazit

Die großen Suchmaschinen werden den Missbrauch ihres Werbesystems verstärkt bekämpfen und sich dabei neue Techniken einfallen lassen. Google etwa bietet die Web-Controlling-Dienste der zugekauften Urchin Software (jetzt "Google Analytics") kostenlos an. Damit könnte der Suchriese potenzielle Betrüger bis auf die Website von Kunden verfolgen - und dabei allerdings mehr Daten sammeln, als für die Aufdeckung von Klickbetrug nötig sind. Unter dem Strich kommt es darauf an, dass der Missbrauch von Pay per Click in einem solchen Rahmen bleibt, dass sich diese Werbeform für Unternehmen insgesamt noch lohnt. Längerfristig streben Datensammler wie Google nach Werbeformen, die auf das Profil des Benutzers zugeschnitten sind.