Klick-Start für die LKW-Flotte

12.06.2001
Von in Joachim
Das Rennen um die besten Plätze im Logistikmarkt wird nicht allein auf der Straße entschieden. Im Internet-Zeitalter ist der schnelle und ungehinderte Informationsfluss durch ausgefeilte IT-Dienstleistungen ein entscheidender Wettbewerbsfaktor für jedes Logistikunternehmen.

E-Commerce ist eine Goldgrube für Speditionen, denn die vom Web-Surfer bestellte Ware will schließlich auch ausgeliefert werden. So erwarten die Marktforscher von Forrester Research eine Steigerung des Versandvolumens aus Online-Bestellungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz um durchschnittlich 57 Prozent per annum. Im Jahr 2005 werden Logistikunternehmen rund eine halbe Milliarde Sendungen ausliefern.

Quelle: Birkart Globistics
Quelle: Birkart Globistics

Allerdings ist E-Commerce auch eine Herausforderung, denn um an diesem Markt partizipieren zu können, müssen sich die Speditionen umfangreiches IT-Know-how aneignen. Schon seit geraumer Zeit ist für die Transporteure nicht allein die gut ausgerüstete Fahrzeugflotte ein Erfolgsgarant, sondern auch eine moderne IT-Infrastruktur.

Im Internet-Zeitalter hat sich dafür der Begriff E-Logistik etabliert, der die komplette und automatisierte Abwicklung von Logistikprozessen - also des Waren-, Informations- und Geldflusses - mit Verfahren des E-Commerce und über öffentliche oder private TK-Netze meint. Mittelständische Spediteure wie Paul Günther Logistik, Thiel Logistik, Hellmann oder die WM-Group, die sich die Domains www.e-logistik.de und www.elogistik.de schnappte, haben diesen Trend aufgegriffen.

In einem solchen Umfeld treten die Speditionen nicht allein als Logistik-, sondern auch als IT-Dienstleister auf. Die Idee dabei ist, die eigenen IT-Systeme möglichst weit in die Organisationsabläufe der Kunden einzubringen, um so früh wie möglich am Informationsfluss teilzuhaben. Im Idealfall gibt es lediglich eine Schnittstelle zur Buchhaltung des Anwenders, "denn in irgendeiner Form muss ja schließlich auch Geld fließen", erläutert Lars Siebel, Leiter des Projektteams E-Logistix beim Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik in Dortmund. Sämtliche mit dem Bestell- und Distributionsvorgang verbundenen Prozesse laufen hingegen auf den Systemen des Spediteurs, der damit schon frühzeitig anstehende Transporte planen kann.

Siebel kann auch mit einem Beispiel aufwarten, bei dem derartige Verfahren bereits implementiert sind: Die Rudolph Logistik Gruppe, Baunatal, wickelt für das Portal für Heimtierbedarf Zooplus die gesamte Distribution ab. "In dem Moment, in dem der Surfer per Mausklick seine Bestellung auf der Web-Seite www.zooplus.de bestätigt, übernimmt der Spediteur bis auf die Bonitätsprüfung die gesamte Abwicklung", erläutert Siebel. Das Logistikunternehmen lagert, verpackt und verschickt die Pakete nicht nur, sondern verantwortet auch die Bestandführung und -pflege, das Bestell- und Rechnungswesen. In der Regel erhält der Zooplus-Kunde innerhalb eines Werktages die bestellte Ware.

Solche Beispiele sind allerdings rar gesät und verblenden den Blick auf die Realität. "Das ist der Plan, doch in der jetzigen Zeit gibt es nur Absichtserklärungen der Logistikunternehmen", warnt Horst Wildemann, Inhaber des Lehrstuhls Betriebswirtschaftlehre mit Schwerpunkt Logistik an der TU München. "Die gesamte Supply Chain wird sich nie auslagern lassen. Die Unternehmen geben damit doch ihre Planungshoheit auf", argumentiert Wildemann. Für Waren wie Toilettenpapier und Bleistifte akzeptiert der Universitätsprofessor die Nutzung derartiger Verfahren, aber doch "nicht für zeichnungs- und auftragsbezogene Teile".

Auch dort, wo die Logistik zur Kernkompetenz eines Unternehmens zählt, gibt ihre Auslagerung beziehungsweise das Outsourcing der zugehörigen IT keinen Sinn. "Wenn hohe Volumen und sehr viele tägliche Transaktionen anstehen oder wenn sich ein Unternehmen nur durch Lieferschnelligkeit, guten Service und hohe Qualität vom Wettbewerb abgrenzen kann, sollte die Logistik tunlichst eigenverantwortlich betrieben werden", rät auch Siebel. In vielen Unternehmen vor allem der New Economy wird denn auch der Transport von Waren deswegen stiefmütterlich behandelt, weil die notwendige Infrastruktur und das Know-how nicht vorhanden sind. In derartigen Fällen können die Fulfillment-Angebote der Transporteure Abhilfe schaffen.

Wer die enge Bindung an einen Spediteur scheut, kann bei der Suche nach Transportmöglichkeiten auf einigen unabhängigen Logistikplattformen fündig werden. Die Web-Seite letmeship.de (Gemeinschaftsprojekt der Sinner Schrader AG und der ITA GmbH) bietet Preisvergleiche, Tracking-Dienste und Buchungsmöglichkeiten für verschiedene Kurierdienste (DHL, UPS, TNT, Deutsche Post Express, Fedex, Chronopost, Alphalegatus). Als Informations- und Serviceplattform und Marktplatz für die Logistikbranche versteht sich hingegen das Web-Angebot www.mylogistics.net der Axit AG, Frankenthal.

Hier können Spediteure freie Transportkapazitäten feilbieten und Kunden Logistik-Dienstleistungen buchen. Mylogistics.net ist unabhängiger Mittler zwischen dem Spediteur und dessen Kunden, übernimmt aber auch Funktionen, die sich als Application-Service-Providing umschreiben lassen. Denn sowohl das Unternehmen mit Transportbedarf als auch der Logistikanbieter können die Web-Seite zur kompletten Abwicklung ihrer Geschäftsbeziehung nutzen, benötigen also außer einem PC mit Web-Browser keine eigenen IT-Ressourcen.

Doch auch hier wachsen die Bäume nicht in den Himmel. "Plattformen mögen für die An- und Auslieferung von homogener, vergleichbarer und standardisierter Ware geeignet sein, nicht jedoch für Spezial- und zeitkritische Transporte", schränkt Wildemann die Möglichkeiten der Web-Techniken ein, sehr wohl "können sie aber Informationstransparenz schaffen." Das haben sich auch viele Logistikunternehmen zunutze gemacht und bieten ihren Kunden die Möglichkeit, über Web-basierte Portale und Plattformen Transportkapazitäten zu buchen oder den Weg der Ware zu verfolgen.

Zu den Anbietern, die für ihre Kunden Web-basierte Dienstleistungen erbringen, zählt das bayerische Unternehmen Häring aus Grafenau. "Häring kommt aus dem Stückguttransport und bietet einer begrenzten Nutzergemeinde den Web-basierten Informationsaustausch an", beschreibt Wildemann. Auf einer passwortgeschützten Webpage veröffentlicht Häring freie Transportkapazitäten, die Kunden dann über das Internet belegen können. Dieses Angebot ist nur für Unternehmen zugänglich, die einen Rahmenvertrag mit dem bayerischen Dienstleister geschlossen haben.

"Es gibt auch andere Anbieter, die für bestimmte Materialgruppen derartige Dienste mit ganz spezifischen und eleganten Lösungen eingerichtet haben", weiß Wildemann, warnt aber auch im gleichen Atemzug vor allzu großen Hoffnungen: "Über bisherige E-Logistik-Konzepte lassen sich Angebot und Nachfrage regeln sowie Informationen den Kunden schneller, besser und zeitgleich zur Verfügung stellen. Es sind aber lediglich Monitoring-Werkzeuge, sie werden die Planung nicht ersetzen."