Neues Programm verhindert Rechnungslegung

Klett Verlag streitet mit Trefz und Partner über Softwarefehler

18.07.1997

"Wir haben uns anwaltlichen Beistand gesucht", erklärt Klett-DV-Leiter Wilfried Knoblauch, "weil das Schulungs- und Softwarehaus schlampig gearbeitet hat."

Stefan Trefz, Geschäftsführer des Lieferanten Trefz & Partner, will allerdings nichts von diesem Schritt erfahren haben und meint: "Wir haben das, was wir erstellen sollten, auch abgeliefert - und es ist zu 90 Prozent im Einsatz." Das sieht Knoblauch ganz anders: "Wir mußten alles selber machen", beschwert er sich.

Das neue Programm "Edwina" sollte rund 70000 Abonnenten verwalten können und Module für die Buchhaltung, den Versand und die Rechnungslegung sowie Erweiterungen für die Lager- und Offene-Posten-Verwaltung und Rabattierung umfassen.

Als Grundlage wählte Klett die Programmiersprachen "SQL Windows" von Centura (ehemals Gupta), "PL-SQL" von Oracle und die Oracle-Datenbank. Im Mai 1994 vergab man den Auftrag zur Programmierung an Trefz, einschließlich eines "umfassenden" Pflichtenhefts und der Maßgabe, ein Feinkonzept zu erstellen. Hier zeigen sich erste Mißverständnisse: "Wir haben nie ein Feinkonzept zur Präzisierung des Pflichtenhefts zu Gesicht bekommen", beschwert sich Knoblauch.

Von Beginn an Mißverständnisse

Allerdings muß der Chef eines neunköpfigen DV-Teams auch Fehler im eigenen Hause einräumen. "Die Entscheidung, das alte System abzulösen, wurde von Raabe zu spät gefällt." Deshalb sahen sich die Programmierer bei der Einführung des neuen Systems außerstande, Testläufe mit Echtdaten vorzunehmen oder auch die Systeme für eine Übergangszeit parallel laufen zu lassen. "Die Daten aus dem Altsystem waren unstrukturiert, und wir hatten nicht die Kapazität für die Pflege von zwei Systemen", sagt Knoblauch. Die Folge: Die Datenübernahme ging daneben. Raabe-Mitarbeiter und studentische Hilfskräfte mußten die Daten zum Großteil in Handarbeit korrigieren. Noch immer ist die Datenbereinigung nicht abgeschlossen.

Seit November 1996 läuft das Zeitschriften-Modul mit einigen Abstrichen; die Loseblattverwaltung konnte Trefz vor zwei Monaten liefern. "Diese war lückenhaft", kommentiert Knoblauch. Doch das eigentliche Problem seien die Programme zur Rechnungslegung gewesen. Etwa ein Vierteljahr mußten Mitarbeiter des Raabe Verlags Überstunden schieben, um überhaupt Rechnungen verschicken zu können.

Trefz sucht die Gründe für die Fehlentwicklungen im Projekt beim Auftraggeber, dem er "Konzeptionslosigkeit" vorwirft. Zwar habe es ein Pflichtenheft gegeben, doch sei dieses "sehr schwammig" gewesen. So fehlten Angaben zum Regelwerk und zu Betriebsabläufen. "Außerdem wurden im nachhinein, als die Software bereits fertig war, Geschäftsregeln geändert", so Trefz. Das Verlagshaus habe es zudem fertiggebracht, die ausgelieferten Module ein Jahr lang nicht zu testen. Er kritisiert darüber hinaus, daß Klett zuwenig Personal und Ansprechpartner zur Verfügung stellte. "Wir durften nicht einmal mit den Endanwendern reden", beschwert er sich.

Empfehlungen, etwa für die Hardware-Anforderungen, habe man dort immer wieder mißachtet. "Wir rieten zu einer RS/6000 mit 512 MB Arbeitsspeicher und 60 GB Plattenplatz, Klett stellte aber eine RS/6000-Partition mit 24 MB RAM zur Verfügung."