Der Tischcomputer soll Arbeitsplatz ins Haus bringen:

Kleinstrechner-Netzprojekt für Behinderte

20.02.1981

1981, das "Jahr der Behinderten" laut internationaler Proklamation, soll in der Bundesrepublik das Startjahr für einen Kleinrechner-Netzverbund namens "The Chance" werden, der Behinderten und anderen Interessenten hochwertige Arbeitsplätze "ins Haus bringen" soll. Das strebt der "Verein zur Förderung von Heimcomputer-Arbeitsplätzen für Behinderte e.V." an, der aus entsprechenden Aktivitäten an der Abteilung Informatik der Universität Dortmund hervorgegangen ist.

Erfahrungen damit, wie man praktische Anwendungen der Informatik am besten in den Dienst Blinder, Taubstummer, Sprachbehinderter und in ihren motorischen Funktionen Behinderter stellen kann, sammelt in Dortmund seit Herbst 1979 die Projektgruppe "Speed", die sich mit einem spracheingabegesteuerten Editor für motorisch Behinderte befaßt und die ihre ersten, allerdings noch wenig befriedigenden Rechnerkonzepte schon der Öffentlichkeit präsentieren konnte, wie Dr. F. Pache, der Vorsitzende des neuen Vereins, berichtet. Inzwischen gibt es eine weitere Projektgruppe (HEIA) mit 18 Informatik-Studenten, die zusammen mit der Fachhochschule Dortmund am Konzept des optimalen Heimcomputer-Arbeitsplatzes arbeitet.

Kommunikationstüchtig und tragbar

In groben Umrissen liegt bereits fest, wie so ein Heimcomputer-Arbeitsplatz auszusehen hat, erläutert Dr. Pache, der übrigens auch Mitarbeiter des Datex-P-Teilnehmerarbeitskreises ist: Er muß erstens "kommunikationstüchtig", also beispielsweise bildschirmtextfähig oder Datex-P-fähig sein, zum anderen müssen seine physischen Abmessungen ihn leicht transportabel machen. Das Gerät sollte im Idealfall in einer Aktentasche Platz finden, unabhängig vom Stromnetz betrieben werden können (CMOS-Technik) und Ein-/Ausgabeelemente wie beispielsweise Tastatur, LCD-Display, Videoausgang oder auch behinderungsspezifische Sonderentwicklungen besitzen. Für die Kommunikation ist an einen Akustikkoppler und/oder einen Datex-P-Terminator gedacht; als Massenspeicher denken die Dortmunder an auswechselbare Magnetblasenspeicher-Kassetten. Da diese Einheiten für einen Masseneinsatz konzipiert werden, müssen sie, wie Pache betont, als Low-Cost-Produkte kalkuliert werden.

Arbeiten im Sanatorium

Welche Vorteile derartige Heimcomputereinheiten, die angesichts des raschen Hardware-Preisverfalls ja zusehends schneller in greifbare Nähe rücken, den Behinderten und auch anderen an Heimarbeit Interessierten bringen können, ist beeindruckend: Mit so einem Mobil-Gerät kann man beispielsweise ohne ernsthafte geographische Einschränkungen dort wohnen und arbeiten, wo es beispielsweise aus klimatischen Gründen ratsam sein mag. Oder man wohnt und arbeitet dort, wo die der Behinderung entsprechenden, optimalen medizinischen Betreuungsmöglichkeiten vorhanden sind. Im Gebirgs-Luftkurort beispielsweise, oder in einer Behinderten-Spezialanstalt - vielleicht aber auch in der Nähe von Therapie-, Fremd- oder Selbsthilfegruppen.

Über den Kreis der Behinderten hinaus erscheint das Dortmunder Konzept aber auch interessant für jeden, der seine Arbeit aus wichtigen

Gründen in räumlicher Nähe von Groß-Bibliotheken, Bildungs- und Weiterbildungs-Institutionen - oder ganz allgemein von kulturellen Zentren - erledigen möchte und das bei der herkömmlichen, starren Organisation mit bürogebundenen Arbeitsplätzen nicht so recht kann.

Gerade in der heute so gern geschmähten Mikroelektronik sieht Pache das typische Beispiel für eine Technik, die sich weitgehend dem Menschen anpassen lasse: Spezielle Interfaces können beispielsweise körperliche Behinderungen ausgleichen, indem etwa Blinde Geräte mit Sprachausgabe erhalten, Taube Apparate mit optischer Textdarstellung und Contergan-Geschädigte vielleicht speziell geformte Eingabemechaniken.

Die vorgeschlagene Symbiose aus Datenverarbeitungs- und Kommunikationstechnik im kleinen Tischcomputer-Maßstab bietet neben dieser behindertenfreundlichen Flexibilität aber auch die allgemein schätzenswerten Vorzüge, unnötige Transporte von Menschen und Material, also letztlich Energie sparen zu helfen und Information in ihrer zweckmäßigsten Form, nämlich direkt maschinenverarbeitbar, zu befördern, erläuterte Pache. Vorzüge, die ja auch bei anderen Konzepten der Verlagerung von Büroarbeitsplätzen in private Vorortheime dank Computer-Vernetzung gewichtige Argumente darstellen. Wozu noch kommt, daß, steht die entsprechende Infrastruktur eines fernen Tages erst einmal, auch die Mobilität der Arbeitnehmer durch den Computer begünstigt werden dürfte: Den Arbeitsplatz zu wechseln, bedeutet dann ja keinen aufwendigen Umzug mehr; man koppelt sich einfach an andere

Zentralstationen an . . .

In einem Aufruf (im vollen Wortlaut im Hobbycomputer-Blatt "Elcomp" veröffentlicht) legt der "Verein zur Förderung von Heimcomputer-Arbeitsplätzen" dar, wie man dem angestrebten Ziel näher kommen will: Da ist die Rede von der Schaffung entsprechender Modellarbeitsplätze, der Bereitstellung geeigneter Software und der Schulung von Behinderten. Außerdem will man sich einen Überblick über das einschlägige Angebot auf dem Markt verschaffen (Hard- und Software sowie Möglichkeiten intensiver Schulung) und bei Arbeitgebern wie Arbeitnehmern um die Einrichtung der hier im Konzept skizzierten dezentralen Behindertenarbeitsplätze werben.

Kontaktadresse: Dr. F. Pache, LS1, Abteilung Informatik, Universität Dortmund, Postfach 500 500,

4600 Dortmund 50; Telefon: 02 31/ 7 55 24 83 (Uni) oder 0 23 52/3 03 72 (privat).