Kleines Kino im Internet ganz groß

21.05.2001
Für das Internet sind Kurzfilme ideal. Sie eignen sich als angenehme Pausenfüller. Und Werbespots kommen als Kurz-Thriller mit hochkarätiger Besetzung daher.

BMW of North America hat beispielsweise bei der in Los Angeles ansässigen Produktionsfirma Anonymous Content eine Reihe von fünf Web-Kurzfilmen in Auftrag gegeben. Produzent ist David Fincher - unter anderem bekannt durch den Film "Sieben". Unter dem Titel "The Hire" ("Der Killer") spielt der britische Schauspieler Clive Warren jeweils die Hauptrolle - neben Limousinen mit dem blau-weißen Logo, versteht sich.

Quelle: BMW of North America
Quelle: BMW of North America

Daneben hat sich BMW bemüht, prominente Regisseure und Co-Stars anzuheuern. Für das erste Filmchen "Ambush" ("Hinterhalt") saß beispielsweise John Frankenheimer ("French Connection 2", "Ronin") auf dem Regiestuhl; Ang Lee, Mickey Rourke sowie Madonna sind in weiteren Folgen mit von der Partie.

Dass sich das Genre des Kurzfilms vor allem für das Internet eignet, entdeckte unter anderem Jeremy Bernard und gründete im Februar 1999 Reelshort.com. Er war nicht der Erste, der mit der Gattung sein Glück versuchte: Bereits ein paar Monate früher hatte eine Website mit dem Namen Atomfilms.com ihren Betrieb aufgenommen. Die beiden Firmen setzten auf Kurzvideos, weil diese sich für die technische Ausrüstung des durchschnittlichen Internet-Surfers ideal eigneten. Zudem ließen sie sich jederzeit und überall konsumieren, selbst am Arbeitsplatz, was ein Marketing-Stratege von Atomfilms als "Kaffeepausenkino" bezeichnete.

Dem Publikum gefiel´s, und die Zuschauerzahlen stiegen täglich. Laut einem Bericht der "New York Times" wuchs die Zahl der kommerziellen Filmsites zwischen 1999 und 2000 "von sechs oder sieben auf rund 75". Unter Nachwuchsfilmemachern kursierten bald ermutigende Erfolgsgeschichten: beispielsweise über "405". Das Drei-Minuten-Werk handelt von der Notlandung eines Jumbo-Jets auf einem stark befahrenen Freeway in Los Angeles. Die Herstellungskosten beliefen sich nach Angaben der Produzenten auf unter 100 Dollar. Der Low-Budget-Film erfreut sich großer Beliebtheit: Bisher wurde er knapp vier Millionen Mal heruntergeladen.

Der Traum vom großen Publikum kurbelte die Produktion an. Allein Atomfilms erhält mittlerweile nach eigenen Angaben "jede Woche zwischen 300 und 500 Beiträge" zugesandt. Insider wie Jed Rosenberg von Yahoo Movies schätzen, dass derzeit über 20 000 Kurzfilme im Internet abrufbar sind - vom Heimporno bis zum Experimentalfilm.

Der Boom hat selbst gestandene Filmemacher wieder auf den Geschmack gebracht. Aki Kaurismäki, Jim Jarmusch, Bernardo Bertolucci, David Lynch und Tim Burton - sie alle ließen sich von Internet-Firmen anheuern, um Kurzfilme zu drehen. Das Dotcom-Sterben hat allerdings auch die Kurzfilmbranche nicht verschont. Weil die virtuellen Kinos in der Regel gratis spielen, hängt ihr Überleben allein von den Web-Einnahmen ab. Als diese geringer ausfielen, ging vielerorts das Licht aus. Prominente Opfer waren Steven Spielbergs Pop.com und Entertaindom.com der Warner Brothers.

Trotz der Rückschläge bezweifelt niemand, dass das Internet schon in naher Zukunft zum wichtigsten Verteiler von audiovisuellen Produkten wird. Sobald der durchschnittliche Anwender mit der nötigen Soft- und Hardware ausgestattet ist, um auch lange Spielfilme herunterzuladen, und diese in TV-Qualität abspielbar sind, werden die Tage der traditionellen Videothek gezählt sein.

Links:

www.adcritic.com

www.ifilm.com