Kleine Spezialveranstaltungen etablieren sich Beratungsqualitaet wird hoeher bewertet als die Repraesentanz

17.02.1995

Von Christl Ziegler-Pirthauer*

Eintagsfliegen und Dinosaurier tummeln sich derzeit im hartumkaempften Messe- und Kongressgeschaeft. Blosse repraesentative Anwesenheit auf einer Leitmesse wird vom Kunden nicht mehr als attraktiv empfunden: Auch Messegiganten wie die CeBIT muessen sich darauf einstellen. Chancen haben derzeit kleine, professionell gemachte Veranstaltungen, wie die CAD Open in Wiesbaden oder die Client-Server-World in Muenchen, die ihr kleines, aber feines Publikum finden.

Kritiker sprechen von "Messeinflation", wenn sie eine aktuelle Entwicklung beschreiben, die von einem verschaerften Wettbewerb im Messegeschaeft gekennzeichnet ist. Betrachtet man den Kuchen, den es zu verteilen gilt, ist die Aufregung verstaendlich. Allein die Schluesselbranche "Maschinenbau" investiert pro Jahr mehr als eine Milliarde Mark, um Unternehmen und Produkte ins rechte Messelicht zu setzen. Die grossen Veranstalter an den traditionellen Ausstellungsorten bangen um ihr Renommee.

Kleine Veranstaltungen abseits der Insider-Treffs

Kleine, innovative Veranstaltungen, die auf Initiative einzelner Unternehmen so weit abseits der traditionellen Insider-Treffs entstehen, dass sie bislang noch in keinem der handelsueblichen Messeplaner gefuehrt werden, werden deshalb gerne mit dem Etikett der "Eintagsfliegen" belegt. Auch in der EDV ziehen zwischen CeBIT und Systems, im Spannungsfeld der sogenannten Leitmessen, immer wieder einzelne Veranstaltungsinitiativen die Aufmerksamkeit der Branchenoeffentlichkeit auf sich. Das "Durcheinander im Messewesen", das den einen zum Aergernis gereicht, interpretierte die "SZ" im Messeherbst 1994 als "Zeichen der Staerke". In Unternehmen, die mehr wollen, als alljaehrlich ueber Messemuedigkeit, Anonymitaet und hohe Kosten zu klagen, setzt ein Umdenkungsprozess ein. Die Branche sucht nach Alternativen zu den Messe- Dinosauriern.

Die Gegenbewegung zum traditionellen Grossmesse-Business setzt genau an den Punkten an, an denen die Messegigantomanie krankt. Eine Studie des Emnid-Instituts zeigt die Symptome deutlich auf: Mehr als die Haelfte aller interessierten Kunden wird vom Standpersonal erst gar nicht angesprochen. Der gelangweilte und messemuede Berater - ein Zeichen dafuer, dass die Aera der Grossmesse- Veranstaltung ihrem Ende zugeht? Das Publikum reagiert auf diesen Anachronismus: Sinkende Besucherzahlen zwingen, wie das Beispiel der Muenchner "Systec" deutlich macht, die Veranstalter letztendlich dazu, Ausstellungsflaechen zu reduzieren.

Selbst dort, wo die Besucherzahlen noch stimmen, hinterfragen Aussteller immer haeufiger die Effizienz eines Messeauftritts. "Man darf vordergruendige Publikumswirksamkeit nicht mit echter Reaktion der Zielgruppe verwechseln", meint Dolf Predmerski, Trainer und Vorstandsvorsitzender der Boeblinger Team Connex AG. "In der Business-to-Business-Kommunikation kommt es nicht auf die Show, sondern auf Kompetenz, Stabilitaet und Vertrauen an. Der Mitarbeiter am Stand ist waehrend der Messe der wichtigste Traeger dieser Botschaft." Predmerski plaediert dafuer, bei Investitionen im Vorfeld der Veranstaltung die Entwicklung der Ressource "Mitarbeiter" mehr als bisher zu beruecksichtigen. Motivierte, in ihrem Verhalten trainierte Berater, die von ihrem Unternehmen und dessen Produkten ueberzeugt sind, gehen offensiv auf das Publikum zu. Fuer einen solchen intensiven Kontakt bieten kleine, aber gut organisierte Veranstaltungen mit thematischen Schwerpunkten den idealen Rahmen.

Aus dem amerikanischen Markt sind sie laengst nicht mehr wegzudenken, in Deutschland werden sie noch als Exoten angesehen: kleine Spezialmessen, die einem relativ homogenen Kern von Anwendern, aber auch Einsteigern als Forum dienen.

Unternehmen aus der Informationstechnologie mit komplexen und beratungsintensiven Produkten sind fuer diese multimediale Form der Praesentation praedestiniert. Theorie und Anwendungspraxis verbinden sich fuer den Besucher zu einer sinnvollen Einheit. Das bestaetigt auch Barbara Lukossek von Congress & Design in Muenchen. Aus ihrer Erfahrung in Konzeption, Organisation und Realisierung derartiger Events weiss sie, dass sich ein Messeerfolg nicht unbedingt proportional zu den Investitionen verhaelt: "Man kann den Rahmen dieser Veranstaltungen immer auf das Budget des jeweiligen Unternehmens abstellen."

Die Vorteile dieses neuen Veranstaltungstypus liegen auf der Hand. Bei der CAD Open, Client Server World, Windows Solution oder der Exponet, das betont Lukossek, stehe der Besucher im Mittelpunkt. Bei keiner der grossen Messen bleibe soviel Zeit fuer individuelle fachkundige Beratung: "Der Gespraechspartner geniesst die ganze Aufmerksamkeit des Standpersonals und fuehlt sich ernst genommen. Das wirkt sich natuerlich positiv auf eine langfristige Partnerschaft aus." Das "CeBIT-Syndrom", der unruhige, waehrend des Gespraechs stetig ueber die Masse streifende Blick des Beraters, tritt, so Lukossek weiter, hier nicht auf.

Mit einer Trefferquote von nahezu 100 Prozent trifft das Standpersonal auf fachkundiges Publikum. Beratungs- und Informationsgespraeche laufen auf einem hohen Niveau ab. Daraus resultiert aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein weit guenstigeres Kosten-Nutzen-Verhaeltnis als bei grossen Messen.

Dass die Rechnung aufgeht, beweist auch das Beispiel der CAD Open in Wiesbaden. Von Autodesk 1994 ins Leben gerufen, hat das neue Forum fuer CAD-Anwender der im Messegeschaeft renommierten CAT in Stuttgart gleich bei seinem Start im Juni kraeftig Konkurrenz gemacht. Die Branche reagierte auf den Vorstoss des Marktfuehrers fuer CAD-Software nach anfaenglicher Skepsis durchweg positiv: "lebendiges Forum", "gelungene Premiere", "grosse Resonanz" waren nur einige der Schlagzeilen. "Unser Konzept hat sich bestaetigt", sagt Robert Gatz, Marketing-Leiter von Autodesk Deutschland. "Wir wollten von Anfang an keine reine Messeveranstaltung, sondern eine Kommunikationsplattform, also im Endeffekt einen Kongress mit begleitender Fachausstellung. Unser Angebot an Workshops, Symposien und Diskussionsrunden hat der Besucher honoriert."

Fast 90 Prozent des Publikums beurteilte die CAD Open deshalb auch mit "gut" bis "sehr gut". Um die subjektiven Eindruecke von Messebesuchern wie -ausstellern empirisch zu erfassen und auszuwerten, hatte Autodesk die beiden Gruppen im Rahmen einer repraesentativen Untersuchung zu ihren Erfahrungen waehrend der Veranstaltung befragt. Mehr als 88 Prozent der befragten Aussteller hoben die hohe Qualifikation des Publikums als besonders bemerkenswert hervor. Das gute Ergebnis macht den Veranstaltern Mut: Fuer die naechste CAD Open im Juni 1995 wurde die Ausstellungsflaeche verdoppelt.

Um die bestmoeglichen Voraussetzungen fuer ihren Auftritt zu schaffen, sollten Unternehmen:

- den gewuenschten Messeerfolg fixieren (Ziele definieren);

- eine Messe-Gesamtkonzeption erarbeiten (Botschaft);

- abstrakte Ziele im Detail konkret umsetzen (Corporate Identity);

- auf Uebereinstimmung zwischen Praesentationsformen und Unternehmensphilosophie achten (Glaubwuerdigkeit);

- ein internes Planungsteam benennen beziehungsweise einen externen Partner beauftragen (professionelle Organisation);

- den Servicegedanken bewusst leben (Mittelpunkt "Kunde");

- eine angenehme Atmosphaere schaffen (Architektur und Gestaltung);

- fuer eine angemessene Plazierung sorgen (Ort und Zeitpunkt);

- eine Infrastruktur aufbauen (kurze Kommunikationswege) sowie

- die eigenen Mitarbeiter motivieren (Identifikation mit dem Unternehmen, dessen Produkten und Dienstleistungen).

Kompetente Unterstuetzung von ausserhalb anfordern

"Die wenigsten Firmen haben die noetigen Ressourcen im Hause", stellt Lukossek fest. Konzeption und Realisierung einer derartigen Veranstaltung, das gibt sie zu bedenken, beduerfen der vollen Aufmerksamkeit eines verantwortlichen Projektteams. Sie haelt nichts davon, dass Mitarbeiter eines Unternehmens neben dem Tagesgeschaeft ein Projekt dieser Groesse abwickeln. Kompetente Unterstuetzung kann allerdings auch von aussen kommen. Ob ein externer Partner dabei das gesamte Projekt federfuehrend betreut oder ob er die Kapazitaeten des internen Projektteams beratend unterstuetzt, ist nicht entscheidend. Was zaehlt, so Lukossek, ist das Ergebnis: "Die Atmosphaere muss stimmen."

Viele Unternehmen begehen bei der Vorbereitung den gleichen Fehler: Aus zahlreichen vertrieblichen Einzelaktivitaeten und an sich guten Ideen basteln sie ihren Messeauftritt. Das Ergebnis wirkt improvisiert und laienhaft. Selbst eine perfekte Standarchitektur kann ueber diese inneren Defizite nicht hinwegtaeuschen.

"Der Messeauftritt darf kein Flickwerk sein", warnt Lukossek. (Siehe auch Seiten 55 und 63)

* Christl Ziegler-Pirthauer ist Mitarbeiterin der Firma Maisberger & Partner in Muenchen.