Kleine Revolution in der Behörde

14.12.2006
Die IT-Verantwortlichen aus dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport haben mit ihrem IT-Projekt "eBeihilfe" eine Behörde vom Kopf auf die Füße gestellt.

Bei dem Landesprojekt "eBeihilfe" handelt es sich um ein bundesweit zumindest momentan noch recht einzigartiges Konzept zur vollständigen elektronischen Beihilfenbearbeitung. Klingt nach Behördendeutsch und nicht so sexy. Was bei der automatisierten Erfassung aller Belege und Schriftstücke beginnt und bei dem automatisierten Druck und Versand der erstellten Bescheide in einer zentralen Druckstraße endet, ist aber für das hessische Ministerium nach den Worten der Projektverantwortlichen Beatrix Karch-Ott "eine kleine Revolution".

Erfolgsfaktoren

  • Zum Stichtag 15. Juni 2006 sind rund 90 Prozent der Antragsteller im System;

  • die IT-Architektur entspricht der E-Government-Strategie des Landes Hessen;

  • mit eBeihilfe ist eine vollständige elektronische Aktenführung möglich;

  • Personal kann nach Eignung und entsprechend der Aufgabe gezielt adäquat eingesetzt werden;

  • Personaleinsparung beträgt 30 Prozent;

  • schneller Zugriff auf die Daten;

  • Auskunftsfähigkeit ist von jedem Arbeitsplatz aus gegeben;

  • mit eBeihilfe ist erstmals ein Gruppenbenchmarking möglich;

  • Arbeitsprozesse wurden sehr beschleunigt;

  • die Bearbeitungszeit pro Vorgang konnte auf maximal zehn Tage begrenzt werden.

Dabei klingt es auch noch nicht so aufregend, was Karch-Ott zum Thema eBeihilfe zu sagen hat: "Hierbei handelt es sich um das Pendant des Arbeitgeberbeitrags zur Krankenversicherung bei Angestellten. Den zahlt das Land Hessen an seine Beamten und Pensionäre für den Fall der Krankheit. Im Gegensatz zu den normalen Beiträgen, die Arbeitgeber zur Krankenkasse beisteuern, ist die Beihilfe aber abhängig von dem tatsächlichen Schadensaufkommen." Mit anderen Worten: Für rund 150 000 Menschen ändern sich so jeden Monat die Bezugsgrößen - und das IT-System muss diese Komplexität abbilden.

Leichter gesagt als getan. Zu Beginn der 16. Legislaturperiode in Hessen am 2. Februar 2003 hatte Ministerpräsident Roland Koch (CDU) ein ambitioniertes Ziel für die Landes-IT formuliert, das Hessens CIO Harald Lemke so umschreibt: "Unter der Überschrift "Konzern Hessen" hat unser Bundesland seit Beginn der neuen Legislaturperiode eine Government-Initiative gestartet. Das ist Teil des Regierungsprogramms. Es bedeutet, dass die gesamte Landesverwaltung von ihren Arbeitsprozessen über alle Ressorts hinweg wie ein Konzern gesteuert werden soll."

Kunststücke einer Behörde

Das Kunststück Projekt eBeihilfe, mit dem das Hessische Ministerium des Inneren und für Sport in der Kategorie Performance-Optimierung den Wettbewerb "Anwender des Jahres" gewonnen hat, war unter anderem, dass es an die in Hessen betriebenen SAP-Systeme (Rechnungswesen, HR) angebunden werden musste, was auch gelang. Quasi als Belohnung kann das Land nun ein Beihilfesystem vorweisen, das sich durch einen hohen Automatisierungsgrad auszeichnet und damit Abläufe stark vereinfacht und beschleunigt.

Das System hat zudem einen entscheidenden Vorteil, sagt Karch-Ott weiter: "Unser System ist multirechtsfähig. Das heißt, dass sich die Rechtssituationen und -verordnungen anderer Bundesländer in eBeihilfe komplett abbilden lassen." Denn jedes Bundesland hat seine eigenen Vorschriften und sein eigenes Recht. Trotzdem könnten andere Landesbehörden das hessische System auch nutzen.

Eine besondere Herausforderung war die Integration von eBeihilfe mit dem Dokumentenmanagementsystem (DMS) "Domea". Hier eine hohe Interaktion zwischen beiden Systemen realisiert zu haben, darf als eine der Leistungen des IT-Teams um Karch-Ott und den System-Architekten Thomas Brandauer angesehen werden. Ändert sich beispielsweise ein Datensatz in eBeihilfe, wird automatisch auch ein sachlich zugehöriges Dokument im DMS modifiziert. Umgekehrt gilt dies genauso.

Wichtig war auch, dass die Integration der Fachverfahren in Domea auf einer übergeordneten Architekturebene koordiniert wurde. Nur so konnten Schnittstellenprobleme schon zu Beginn erkannt und behoben werden. Alle Entscheidungen wurden durch die politische Entscheidungsebene, gemeint ist letztlich Ministerpräsident Roland Koch, mitgetragen und gefördert - ein wesentlicher Erfolgsfaktor während der gesamten Projektphase.

Hohes Kosten-Nutzen-Verhältnis

Das Kosten-Nutzen-Verhältnis schätzt Karch-Ott hoch ein, was sich etwa an der dauerhaften Reduzierung der Bearbeitungszeiten zeigt. Gemessen an den weiteren Projektzielen einer einheitlichen und zukunftssicheren IT-Struktur ist im Hinblick auf die künftige Einbindung der elektronischen Gesundheitskarte bereits heute schon ein hoher Nutzen erreicht.

Darüber hinaus hat sich die Beihilfenbearbeitung in den letzten Jahren zu einem immens papierintensiven Massengeschäft entwickelt. Durch die vollständige elektronische Aktenführung entfallen Papierlagerräume und Registraturdienste. Zudem hat sich die Bearbeitungszeit verkürzt. Die Vorgabe lautete, jeden auch noch so komplexen Beihilfeantrag innerhalb von zehn Tagen komplett bearbeitet zu haben. Mit eBeihilfe konnte man zudem die Personalkosten um 30 Prozent senken.

Das System ermöglicht zudem, Aufgaben nach zeitlichen Gesichtspunkten und nach den Fähigkeiten der Mitarbeiter aufzuteilen. Das bedeutet einerseits, dass sich Beschäftigte wie etwa allein erziehende Mütter die Arbeitszeit je nach Arbeitsanfall flexibel einteilen können. Das heißt andererseits, dass Anträge komplexer Natur mit höherem Schwierigkeitsgrad an entsprechend qualifizierte Mitarbeiter verteilt, Teile davon in jedem Bearbeitungsstadium an Spezialisten delegiert oder an Vorgesetzte weitergeleitet werden können. Dadurch sind weit reichende Optimierungen der Geschäftsprozesse möglich, die in Abkehr von tradierten behördlichen Bearbeitungsmodalitäten zügige und transparente Arbeitsabläufe gewährleisten.

Mit eBeihilfe wurde ferner ein Bewertungs- beziehungsweise Punktesystem möglich. Dieses hilft, die Arbeitsleistung und -belastung der Mitarbeiter zu steuern. Im Ergebnis kann via eBeihilfe eine je nach Arbeitsaufkommen angepasste Aufteilung der Gruppen- beziehungsweise der Teamstruktur und der Arbeitsabläufe realisiert werden. Hierbei können die Spezialkenntnisse von Mitarbeitern in bestimmten Fachgebieten zielgerichteter eingesetzt und genutzt werden.