Klassische Rekrutierungswege helfen nicht mehr weiter

Kleine IT-Firmen setzen auf unorthodoxe Methoden

14.08.1998

Wolfgang Fritz, Chef der Stuttgarter Coso Einkaufservice GmbH, hatte Glück. Mit bislang sieben Mitarbeitern betreibt er eine Extranet-basierte E-Commerce-Lösung für Anbieter und Abnehmer von Arbeitskleidung, Büromaterial etc. Nachdem Stellenanzeigen und die Recherche im Internet nichts gebracht hatten, fand er den gewünschten Informatiker mit Kenntnissen in C++, Java, HTML und Betriebswirtschaft durch den persönlichen Kontakt einer seiner Mitarbeiter.

Gut traf es auch Wolfgang Nagel, Geschäftsführer der Systec Pipeline Security GmbH in Münster: "Ich bin überwältigt vom Erfolg." Den neuen IT-Produkt-Manager "mit gutem Ausdrucksvermögen, Sozialkompetenz und analytischen Fähigkeiten" für seine kleine High-Tech-Servicefirma mit bislang drei Mitarbeitern fand er durch das eigene Stellenangebot im Stellen-Informations-Service (SIS) des Arbeitsamtes (www.arbeitsamt.de). 30 Bewerber meldeten sich, zwölf davon kamen in die engere Wahl und wurden eingeladen.

In der Regel jedoch haben die kleinen Firmen Probleme bei der Suche nach qualifiziertem IT-Personal. So mußte zum Beispiel ein mittelständischer Spezialgetriebehersteller aus dem Schwarzwald mit ungutem Gefühl sein PPS-Migrationsprojekt samt Projektleitung in die Hände eines regionalen Systemhauses legen. Die eigene DV-Abteilung war durch den laufenden Betrieb mehr als ausgelastet.

Deshalb mußte auch ein nordrhein-westfälischer Hersteller von Gartenzubehör die Intranet-Einbindung seiner europäischen Handelspartner extern vornehmen lassen und zudem seinen Web-Server in einer Server-Farm der Telekom unterstellen. Um dieses für seine Firma im europäischen Wettbewerb überlebenswichtige strategische Projekt in eigener Regie durchzuziehen, hätte das Unternehmen Mitarbeiter gebraucht, die auf dem Arbeitsmarkt nicht zu bekommen waren.

Für die mittelständischen IT-Beratungs-, Software- und Systemhäuser wirkt sich der Mangel an Spezialisten noch krasser aus. Im Gegensatz zu ihren Kunden können sie ihre Probleme nicht einfach outsourcen.

So rechnen nach der aktuellen Konjunkturumfrage des Münchner Ifo- Instituts für Wirtschaftsforschung zwar neun von zehn DV-Dienstleistern mit einer Ausweitung ihrer Geschäftstätigkeit in den nächsten drei bis fünf Jahren, und vier von fünf befragten Unternehmen wollen deshalb qualifizierte Computerfachkräfte einstellen. Jedoch konnten "zuletzt mehr als 40 Prozent der Datenverarbeitungsdienstleister die Geschäftstätigkeit nicht ausweiten, weil Fachkräfte fehlten", faßt Konjunkturreferent Joachim Gürtler vom Ifo-Institut das Ergebnis zusammen.

Eva Peters, Geschäftsführerin der Interconsult GmbH in München, bestätigt diesen alarmierenden Trend. Ihre Kunden suchen händeringend Netzwerk- und Datenbankspezialisten, aber: "Konventionelle Mittel wie Anzeigen helfen meistens nicht weiter." Selbst die Direktansprache ist schwer geworden. Viel pfleglicher als früher behandeln die Firmen ihre Mitarbeiter. Diese wiederum scheuen im angenehmen, gut ausgestatteten Umfeld die Risiken eines Wechsels. "Quereinsteiger mobilisieren" rät die Personalvermittlerin ihren Kunden als eine mögliche Ausweichstrategie.

Erfolg mit dieser Methode hatte Gerhard Wächter, Chef der Integrata Unternehmensberatung in Tübingen. Zusammen mit der Universität vor Ort ließ er unter anderem IT-fachfremde Chemiker, Physiker und Ingenieure zu SAP-Spezialisten qualifizieren: "20 Leute wurden ausgebildet, elf davon konnte ich direkt einstellen, die anderen neun haben gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt."

Alle Register zieht Kai Petersen, Geschäftsführer der Düsseldorfer Innomate Online Marketing GmbH, um neue Leute zu finden: von der Stellenanzeige über die Internet-Recherche bis zum Aushang in der Universität. Mit seinen 35 Mitarbeitern realisiert er Intranet- und Extranet-Lösungen. Dringend braucht er für die stürmische Nachfrage Internet-Programmierer und Projekt-Manager mit Erfahrung im Umgang mit Kunden. Studienabbrecher nimmt er gerne: "Ich habe sehr gute Erfahrungen gemacht mit Leuten, die schon während ihrer Universitätszeit gearbeitet haben."

Mit einer Erfolgsbeteiligung in Form von Aktien und Optionen und durch spontane gemeinsame Freizeitaktivitäten nach langen und anstrengenden Arbeitstagen erreicht Jungunternehmer Petersen, daß seine Mitarbeiter gerne im Unternehmen arbeiten und auch bleiben: "Wenn die persönlichen Kontakte etwas enger sind, können sich die Leute in Streßsituationen gegenseitig besser einschätzen und reagieren adäquater."

Für Peter Langosch, den European Associate Director von Arthur D. Little International in Düsseldorf, sind IT-Spezialisten kreative Künstler, die Freiräume brauchen. Daran orientiert sich auch Coso-Chef Fritz: "Ich lasse meinen jungen Mitarbeitern viel Freiheit, das weckt ihre Kreativität, und die Arbeit macht ihnen mehr Spaß."

Wege zum neuen Mitarbeiter

- Ausbildung von Lehrlingen in den vier neuen IT-Berufen;

- Direktansprache von Mitarbeitern anderer Firmen;

- Auswerten kommerzieller Stellenmärkte im World Wide Web und in Zeitungen;

- Kooperationen mit anderen Firmen bis hin zur Organisationsform des virtuellen Unternehmens;

- Outsourcing: Nicht alles muß das Unternehmen mit seinen eigenen Mitarbeitern machen;

- Einschalten eines Personalberaters;

- Personalentwicklung: Mit einem Qualifizierungskonzept neue Ressourcen bei den vorhandenen Mitarbeitern schaffen;

- Quereinsteiger finden, qualifizieren und integrieren;

- Stellenanzeigen schalten;

- direkte Kontakte suchen zu Universitäten, Fachhochschulen, Weiterbildungseinrichtungen sowie

- Vermittlung über das Arbeitsamt, vor allem über das Stellen-Informations-System (SIS) im Internet (www.arbeitsamt.de).

JOhannes Fritscheist freier Journalist in Bonn und Brüssel.