Kleine Firmen profitieren von zweijähriger Probezeit

14.12.2005
Von Gudrun Schulz
Die neue Bundesregierung plant, die Probezeit von sechs auf 24 Monate zu verlängern. Nicht nur Gewerkschaften zweifeln daran, dass die neue Regelung für mehr Beschäftigung sorgen wird.

Kaum ist die Tinte unter der Koalitionsvereinbarung getrocknet, gibt es Kritik, zum Beispiel an der geplanten Änderung beim Kündigungsschutz. Während die CDU vor der Bundestagswahl der Wirtschaft noch großes Entgegenkommen signalisiert hatte, etwa mit der Ankündigung, dass bei Vertragsabschluss eine feste Abfindung vereinbart werden kann und der Mitarbeiter dafür auf seinen Kündigungsschutz verzichtet, ist davon mittlerweile nur noch wenig übrig geblieben. Der Kompromiss, auf den sich CDU/CSU und SPD geeinigt haben, geht vielen Wirtschaftsvertretern nicht weit genug.

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  • wie sich die Verlängerung der Probezeit auf den Arbeitsmarkt auswirken wird;

  • welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen die neue Regelung haben wird;

  • was sich Unternehmen von der neuen Bundesregierung wünschen.

Bitkom ist skeptisch

Immerhin: Um mehr Beschäftigung zu ermöglichen, soll die Probezeit ab 2006 verlängert werden. Bislang galt bei Neueinstellungen eine Probezeit von sechs Monaten. In dieser Zeit konnte der Arbeitgeber ohne Angabe von Gründen kündigen. Künftig soll dies für die ersten 24 Monate des Arbeitsverhältnisses gelten. Im Gegenzug soll die Möglichkeit gestrichen werden, Arbeitsverhältnisse ohne sachlichen Grund auf zwei Jahre zu befristen. Während der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi Frank Bsirske schon von "sozialer Entsicherung" spricht, vermissen Wirtschafts- und Branchenverbände den großen Wurf.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt kritisiert, die verlängerte Probezeit sei keine Lockerung des Kündigungsschutzes. Der solle außerdem grundsätzlich erst für Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern gelten. Auch der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) ist skeptisch, ob das neue Gesetz Arbeitsplätze schafft. "Die Unternehmen reagieren verhalten bis negativ", sagt Stephan Pfisterer, Arbeitsmarktexperte beim Bitkom. Gerade in der IT-Branche werde oft projektbezogen und mit Spezialisten gearbeitet.

Nachteile für Arbeitnehmer

Befristungen seien gerade für kleinere Systemhäuser wichtig. Eine sinnvolle arbeitsmarktpolitische Maßnahme wäre es deshalb gewesen, die Möglichkeiten der Befristung auf drei bis fünf Jahre auszudehnen. Auch für die Beschäftigten sieht Pfisterer keine wesentlichen Vorteile. "Wer einem Mitarbeiter kündigt, muss einen Grund angeben. Für den Arbeitnehmer kann das ein Malus sein, der sich im Lebenslauf nicht gut macht. Die Bundesregierung setzt wahrscheinlich auf den Schamfaktor und darauf, dass sich ein Unternehmen bei einer grundsätzlich guten Zusammenarbeit nicht traut, einen Mitarbeiter in der Probezeit zu entlassen." Dass die Rechnung aufgeht, glaubt Pfisterer nicht.

Grundsätzlich positiv steht Peter Neisius, Vorsitzender des Vorstandes der IT-Beratung Cundus, der längeren Probezeit gegenüber: "Uns kommt diese Regelung sehr entgegen. Wir investieren viel in unsere Mitarbeiter und schulen intern sehr intensiv, damit die Berater über das notwendige Know-how verfügen." Sechs Monate Probezeit seien deshalb oft zu kurz. Befristete Verträge entsprächen dagegen nicht der Firmenphilosophie. Wer wisse, dass er lediglich eine Stellung auf Zeit habe, sehe sich rechtzeitig nach Alternativen um. "Gerade im SAP-Umfeld werden Berater stark von Headhuntern umworben. Mit einem befristeten Vertrag brauche ich da gar nicht erst zu kommen."

Was bedeutet Probezeit?

Ein Probearbeitsverhältnis ist ein echtes, voll wirksames Arbeitsverhältnis, das aber wegen der vereinbarten Erprobung des Arbeitnehmers leichter lösbar ist. Das Probearbeitsverhältnis kommt dabei in zwei Formen vor, nämlich als befristetes Arbeitsverhältnis und als Arbeitsverhältnis mit unbestimmter Dauer, bei dem die ordentliche Kündigung kurzfristig möglich ist. In Paragraph 622, Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) heißt es: Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden."

Das Besondere an der Probezeit, die vereinbart werden muss, ist also die verkürzte Kündigungsfrist. Wenn keine Probezeit vereinbart ist, gilt gemäß die Grundkündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats.

Kann man gegen eine Kündigung in der Probezeit vorgehen?

Ein erfolgreiches Vorgehen gegen eine Kündigung, die vor Erfüllung der Wartezeit und während der Probezeit erklärt wurde, ist, abgesehen von krassen Ausnahmefällen, nur bei formellen Mängeln der Kündigung möglich.

Ist ein Anspruch auf Abfindung während der Probezeit grundsätzlich ausgeschlossen?

Die Zahlung einer Abfindung bei Kündigung vor Erfüllung der Wartezeit ist regelmäßig nicht zu erwarten. Wirksame Kündigungen beenden ein Arbeitsverhältnis, ohne dass ein Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers gegeben wäre. Die Zahlung einer Abfindung kommt hier nur ausnahmsweise in Betracht, wenn Zweifel an der Wirksamkeit der Kündigung begründet sind und der Arbeitgeber sich von diesen Zweifeln freikaufen möchte.

Quelle: Anwaltskanzlei Ulrich Weber & Partner, Köln

Größere Flexibilität für Unternehmen

SAP-Personal-Manager Axel Kersten erhofft sich von der verlängerten Probezeit mehr Flexibilität. Foto: Joachim Wendler
SAP-Personal-Manager Axel Kersten erhofft sich von der verlängerten Probezeit mehr Flexibilität. Foto: Joachim Wendler

Auch Axel Kersten, Leiter Recruitment Center Germany bei SAP, schätzt an der verlängerten Probezeit die größere Flexibilität. Sie senke die Hemmschwelle bei Neueinstellungen und biete Gelegenheit, Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum zu testen und in verschiedenen Projekten einzusetzen. Amerikanische Verhältnisse mit einer Hire-and-Fire-Mentalität strebe man jedoch auf keinen Fall an. Kersten: "Der Weg, der mit der Verlängerung der Probezeit beschritten wird, ist richtig. Ideal wäre natürlich, wenn wir zwischen einer 24-monatigen Probezeit und befristeten Zwei-Jahres-Verträgen wählen könnten."

Ein Sturm im Wasserglas ist die Diskussion um die verlängerte Probezeit für Alfred Mauer, Associate Partner der MR Personalberatung in Unterhaching bei München. Große Beschäftigungseffekte erwartet er nicht. "Die Unternehmen, die uns beauftragen, haben eine Vakanz, die sie mit einem qualifizierten Kandidaten besetzen wollen." Ihnen gehe es nicht darum, Mitarbeiter anzuwerben, nur um sie dann nach zwei Jahren wieder zu entlassen. "Für das Handwerk oder kleine Betriebe mag die neue Regelung interessant sein, Großunternehmen werden deshalb sicher nicht mehr Leute einstellen."

Auswirkungen auf die Wechselwilligkeit von Arbeitnehmern hält er dagegen für nicht ausgeschlossen, vor allem bei Nachwuchskräften. Mauer: "Ein Jobwechsel birgt immer eine gewisse Unsicherheit, die sich durch die verlängerte Probezeit noch verstärkt." Das mögliche Dilemma dabei: Ein Unternehmen sucht einen qualifizierten Mitarbeiter, kann die offene Stelle aber nicht besetzen, weil der Kandidat aus Angst vor einer ungewissen Zukunft am bestehenden Arbeitsverhältnis festhält.