Kleine Firmen brauchen mehr Service

30.10.2006
Die kommerziellen Distributoren haben Linux vor allem bei größeren Anwendern zu Präsenz verholfen. Für die Anforderungen kleiner und mittelständischer Unternehmen entstehen spezialisierte Anbieter.
Linux holt seit sieben Jahren mit zweistelligem Wachstum auf.
Linux holt seit sieben Jahren mit zweistelligem Wachstum auf.

Seit seinen ersten Schritten im Jahr 1991 hat sich das Open-Source-Betriebssystem Linux vom Entwicklerspielzeug zur ernsthaften Alternative auf Unternehmens-Servern gemausert. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch aufsehenerregende Entscheidungen wie beispielsweise die der europäischen Großstädte München und Wien, ihre Verwaltung auf Linux umzustellen. Dies bescherte dem quelloffenen Betriebssystem Pressewirbel und Popularität zugleich.

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Mittlerweile hat sich Linux als drittes Betriebssystem neben Unix und Windows im Rechenzentrum durchgesetzt. Nach Angaben der Marktforscher von IDC erreichten Linux-Server in Emea (Europe, Middle East, Africa) im zweiten Quartal 2006 einen Marktanteil nach Umsatz von fast zwölf Prozent - ein Zuwachs von 34 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Damit ist Linux seit 14 Quartalen auf zweistelligem Wachstumskurs. Dabei hat IDC nur die Produkte kommerzieller Linux-Anbieter berücksichtigt, nicht die vielen installierten Server aus Community-Distributionen wie Open Suse oder Debian.

Große Firmen migrierten zuerst

Bis jetzt sind es weitgehend Großunternehmen und Behörden mit ausgebildetem Unix/Linux-Personal, die ihre Services auf Linux und Open-Source-Software migriert haben. Waren es anfangs nur File- oder Web-Server, folgten rasch Unternehmensanwendungen. Mittlerweile steht eine umfangreiche Palette an Applikationen und Infrastrukturkomponenten für Linux zur Verfügung, weitere folgen. So wird zum Beispiel Oracle die Software des 2005 übernommenen CRM (Customer-Relationship-Management) -Anbieters Siebel im kommenden Release auf Linux portieren.

Inzwischen sollte es sich herumgesprochen haben: Freie Software ist nicht gratis. Kosteneinsparungen bei den Betriebssystem-Lizenzen sind nicht das entscheidende Argument, warum Unternehmen Linux-basierende Server einsetzen. Großunternehmen profitieren bei Linux vor allem durch die freie Zugänglichkeit des Codes und durch die Unabhängigkeit von bestimmter Hardware. Anwendungen und Betriebssystem lassen sich optimal an den Bedarf anpassen, zahlreiche große IT-Anbieter wie IBM oder Hewlett-Packard unterstützen die Enterprise-Kunden dabei.

Großunternehmen bevorzugt

Die Geschäftsmodelle aller Open-Source-Anbieter basieren darauf, Service- und Supportleistungen zu verkaufen. Diese werden vor allem von großen Unternehmen benötigt. So hat sich die Entwicklung von Linux in den vergangenen Jahren auch besonders auf diese Klientel ausgerichtet. Es entstanden Distributionen, die für bestimmte Hardware zertifiziert und mit wichtigen Garantien unterlegt wurden. Hier bekommen die Anwender klare Zusagen, dass die eingesetzte Distribution in der bestimmten Version über einen definierten Zeitraum gepflegt wird und der Anbieter alle Updates und Patches streng evaluiert. Zudem bieten diese Distributionen kommerzieller Softwarehersteller alle Dienstleistungen an, die für den Einsatz eines Betriebssystems in großen Unternehmen notwendig sind.

Bekannteste Anbieter auf diesem Markt sind Novell mit Suse Linux sowie der amerikanische Hersteller Red Hat. "Mit den Enterprise-Servern und dem Fokus auf große und lukrative Unternehmen haben diese Distributoren allerdings den Mittelstand aus den Augen verloren", erläutert Carlo Velten, Senior Advisor der Experton Group. "Die Verbesserungen an diesen Distributionen zielen vor allem auf den Einsatz in Rechenzentren für unternehmenskritische Workloads ab."

Mittelständische Unternehmen haben andere Anforderungen. Wer sich für eine Enterprise-Linux-Distribution entscheidet, erhält ein Paket aus rund 2000 Programmen - darunter verschiedene Datenbank-Management-Systeme, diverse Programmier- und Script-Sprachen, Entwicklungsumgebungen für das Softwaredesign oder Unterstützung für unzählige Landessprachen. Unternehmen ohne umfassendes Linux-Know-how können bereits bei der Auswahl der benötigten Komponenten überfordert sein.

Der Mittelstand braucht’s einfach

Fehlen Komponenten, wird der Server nicht stabil arbeiten. Ist unnötige Software installiert, bietet diese unter Umständen vermeidbare Angriffsflächen für Eindringlinge oder Schadprogramme und macht die Server-Verwaltung komplizierter als nötig. "Mittelständler benötigen nicht die umfassenden Software- und Servicepakete, wie sie von großen Unternehmen nachgefragt werden", so Velten. "Im Mittelstand liegt der Bedarf eher bei einfachen Server-Diensten. So kam Linux auch in die Server-Räume der KMUs, meist getrieben durch interessierte und sachkundige Administratoren."

So findet sich neben den bekannten Linux-Distributionen Platz für neue Geschäftsmodelle. Unternehmen wie zum Beispiel Spikesource oder Sourcelab entwickeln gar keine eigene Software mehr, sondern liefern zertifizierte Software-Stacks aus Open-Source-Anwendungen anderer Hersteller oder Community-Projekte und garantieren damit deren reibungslose Zusammenarbeit. Wer sich also nicht die Mühe machen will, selbst zu erforschen, welcher Server in welcher Version sich mit welcher Middleware verträgt, findet hier komplette Lösungen für bestimmte Anwendungsfelder - inklusive Support und Update-Service.

Alles fix und fertig im Paket

Einen anderen Ansatz wählen Distributoren, die ganz gezielt mittelständische Unternehmen ansprechen wollen. Bekanntester Vertreter dieser Art ist Collax, ein Spin-off der Freiburger Pyramid Computer GmbH. Im Unterschied zu den Enterprise-Linux-Servern umfasst deren Distribution nicht zahllose Softwarepakete als Baukasten, sondern bietet eine vorkonfigurierte Applikationssammlung für typische Aufgaben. Dazu zählen Datei- und Druckerdienste, E-Mail-Server und Groupware.

Durch die Beschränkung auf die normalerweise von mittleren Unternehmen benötigten Funktionen ist es möglich, die Konfiguration und Administration des Servers über eine Browser-basierende Oberfläche vorzunehmen. Der Administrator hat keinen direkten Kontakt zum darunter liegenden Linux und braucht auch keine speziellen Kenntnisse. Für getestete Patches und Updates sorgt der Anbieter im Rahmen der kostenpflichtigen Subskription. Das Ganze gibt es in verschiedenen Appliance-Varianten, auch vorkonfiguriert auf Rechnern.

"Anbieter wie Collax besetzen genau die Lücke, die die Enterprise-Distributoren bislang kaum beachtet haben", so Experton-Berater Velten. "Mit den Angeboten werden vor allem Unternehmen angesprochen, die bislang noch kein Linux einsetzen. Vor allem die vorkonfigurierten Appliances können hier die Einstiegsschwelle senken."

Veltens Prognose für die weitere Linux-Entwicklung lautet, der Markt teile sich in zwei Bereiche auf: "Auf der einen Seite wird es die Angebote für große Unternehmen geben, bei denen es um hohe Skalierbarkeit und den Betrieb unternehmenskritischer Anwendungen geht. Auf der anderen Seite werden wir vermehrt Mittelstands-Distributionen sehen, die sich auf eine möglichst einfache Konfiguration und Administration konzentrieren."

Neuer Service für Neulinge

Velten rechnet damit, dass Linux sowohl in mittleren als auch in großen Unternehmen in den kommenden zwei bis fünf Jahren einen starken Schub erfahren wird: "Die Zahl der für Linux verfügbaren Anwendungen wie ERP (Enterprise Resource Planning), CRM (Customer-Relationship-Management) oder CMS (Content-Management-Systeme) nimmt ständig zu. Auch hier ist der Markt aber geteilt. Für kleine und mittlere Unternehmen sind besonders Open-Source-Anwendungen interessant, da bei diesen Firmen die Lizenzkosten eine große Rolle spielen. Diese Produkte sind noch recht jung und skalieren nicht in dem Maße, wie es die traditionellen Lösungen machen. Für den Einsatz im Mittelstand erfüllen sie jedoch alle Anforderungen. Große Unternehmen werden nach wie vor eher zu den etablierten, proprietären Anwendungen greifen, die zunehmend auf Linux portiert und auf geclusterten Linux-Servern betrieben werden." (ls)