Währungsumstellung als Verkaufsargument

"Kleine" Finanzprogramme locken mit dem Euro

10.11.1998
MÜNCHEN (CW) - Zwischen den Anbietern betriebswirtschaftlicher Software für kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) herrscht ein enormer Konkurrenzdruck. Da das Funktionsspektrum offenbar ausgereizt ist, soll die Euro-Fähigkeit der Lösungen für Umsatzsteigerungen und größere Marktanteile sorgen. Doch die Hoffnung, daß Kunden ihre Software pünktlich zum 1. Januar 1999 umstellen, scheint sich nicht zu erfüllen.

Selbsternannter Hecht im Karpfenteich ist Sage KHK mit deutscher Zentrale in Frankfurt am Main. Eigenen Angaben zufolge sind die Produktlinien des Hauses in Deutschland rund 476000mal installiert. Doch trotz des großen Marktanteils - Beobachter sprechen von 15 bis 20 Prozent - kann sich der Hersteller nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen. Denn das Unternehmen steht im Wettbewerb mit einer Vielzahl von Softwareschmieden, die seit Jahren in dem Segment etabliert sind, Lizenzen im fünfstelligen Bereich verkauft haben und eine feste Stammkundschaft vorweisen können.

Ein Problem für die Konkurrenten ist, daß betriebswirtschaftliche Programme nahezu identische Features bieten. Eine Buchhaltungssoftware sei eben nur eine Buchhaltungssoftware, so Roland Schlager, Geschäftsführer der Freiburger Lexware GmbH, die ebenfalls in diesem Segment anbietet. Die diversen Lösungen für Großunternehmen und KMUs unterscheiden seiner Meinung nach in der Skalierbarkeit und den speziellen Funktionen, die in kleinen Firmen benötigt werden. Für diese sei die Dialogfähigkeit und intuitive Bedienbarkeit der Tools von besonderem Interesse, da die Buchhaltung beispielsweise in Handwerksbetrieben nur selten als Full-Time-Job geleistet werde.

Auch das europäische Ausland hat die Kaufkraft der kleinen Unternehmen erkannt. Neben Filialgründungen haben sich vor allem Firmenübernahmen als Mittel erwiesen, hierzulande Fuß zu fassen. So schluckte die niederländische Exact-Gruppe mit Szymaniak, Bavaria-Soft und DB-Soft gleich drei etablierte deutsche Anbieter. Das Konglomerat sieht sich als Gegengewicht zur KHK GmbH, welche bereits im letzten Jahr von der britischen Sage Group übernommen worden war. Aus der Schweiz drängt ferner die Lynx AG mit der Lösung "Miracle V" in den deutschen Markt, aus Österreich beispielsweise das Systemhaus BMD. Darüber hinaus wird Lexware Anfang 1999 mit den "Business Solutions" eine eigene Lösung für den Mittelstand vorstellen.

Die anstehende Euro-Einführung mutet angesichts des herrschenden Drucks wie ein Geschenk des Himmels an. Das Gros der Softwareschmieden wirbt folglich mit seiner Unterstützung der neuen Gemeinschaftswährung. Da der Euro in jedem Fall kommt und fast sämtliche Finanzprogramme davon betroffen sind, lag diese Taktik nahe. Doch entgegen allen, noch auf der Münchner Messe Systems ''98 zu hörenden Marketing-Aussagen: Euro-Fähigkeit als Alleinstellungsmerkmal zieht inzwischen nicht mehr, da sämtliche seriösen Programme spätestens zum Jahresanfang 1999 zumindest laut Herstellerangaben die Kriterien erfüllen werden.

Dennoch müssen das neue Geld und die damit einhergehenden Komplikationen noch als Verkaufsargumente herhalten. So warnte beispielsweise Sage KHK unlängst wieder mit einer Allensbach-Studie von Anfang 1998 davor, daß der deutsche Mittelstand das Problem schlicht verschlafen würde.

Damals hätten sich 74 Prozent der KMUs noch nicht mit der Umstellung befaßt. Eine eigens entwickelte und "aktive" Euro-Diagnose für Unternehmen brachte laut Sage KHK inzwischen ans Licht, daß immer noch die Hälfte der kleinen Betriebe in Euro-Untätigkeit verharren und finanziellen Schaden riskieren.

Doch glaubt man den Interessenvertretungen der Zielgruppe, sehen die meisten Betriebe der Währungsumstellung gelassen entgegen. Laut Dieter Schwab, Euro-Währungsbeauftragter der IHK in Frankfurt am Main, schneiden die deutschen KMUs im europäischen Vergleich am besten ab. Seine Vermutung stützt sich auf eine Untersuchung der Deutschen Bank vom vergangenen September. Darin heißt es, der Mittelstand sei wesentlich besser auf die Umstellung vorbereitet als noch zu Jahresbeginn. Rund 90 Prozent der befragten Betriebe äußerten, sie seien gut bis sehr gut über die Gemeinschaftswährung informiert.

Ähnlich weit gediehen sieht Alexander Bojanowsky, Geschäftsführer des Bundesverbandes Informationstechnologien (BVIT), die Euro-Vorbereitung hierzulande. Kleine Betriebe würden seiner Meinung nach rechtzeitig mit der Umstellung fertig, obwohl auch hier branchenspezifische Unterschiede bei der Euro-Einführung festzustellen seien. National agierende Unternehmen, beispielsweise der traditionelle Handel, könnten sich mehr Zeit als international operierende Firmen lassen. Je näher ein Betrieb am Bargeld operiere, desto später werde in der Regel die Umstellung erfolgen.

Aus diesem Grund rechnet auch der Geschäftsführer des Landesverbandes der Bayerischen Einzelhändler, Günter Gross, mit dem Schwerpunkt der Euro-Einführung bei KMUs frühestens in den Jahren 2000 und 2001. Auslöser hierfür sei vor allem das langsame Ansteigen der "Bargeldwelle", so Gross. Erschwerend komme hinzu, daß die Finanzämter erst zum 1. Januar 2002 Steuererklärungen in der neuen Gemeinschaftswährung zulassen.

Eine rasche Umstellung ist jedoch nötig, wenn die Geschäftspartner Rechnungen in der neuen Währung fordern. Darüber hinaus werden Banken wahrscheinlich von ihren Geschäfts- und Firmenkunden Auskünfte über den Stand der Euro-Vorbereitungen einholen, um das Kreditrisiko besser einschätzen zu können. Dies kann für verspätete Euro-Umsteller zur Folge haben, daß sie bei Darlehenszinsen tiefer in die Tasche greifen müssen.

Das A und O einer erfolgreichen Euro-Einführung ist die rechtzeitige und umfassende Information in den Betrieben, so BVIT-Geschäftsführer Bojanowsky. Dies umfaßt auch den Funktionsumfang der verwendeten betriebswirtschaftlichen Software. Hier wird sich die Spreu vom Weizen trennen, denn für die Umstellung genügt es nicht, einfach eine weitere Fremdwährungsspalte mit Namen "Euro" hinzuzufügen. Künftige Be- und Umrechnungen unterliegen gesetzlichen Vorgaben, die es zu erfüllen gilt (siehe Kasten: "Euro-Fakten").

Christoph Michel, Geschäftsführer der deutschen Sage KHK, sieht das Hauptproblem des Marktes allerdings weder in den Wettbewerbern noch im Euro: Sein größter Konkurrent ist der Bleistift, so der Manager. Mehr als 50 Prozent der Kleinbetriebe und Mittelständler setzten seiner Aussage nach überhaupt keine Software ein, um ihre Bücher zu führen. Diesen Firmen wird zumindest die Euro-Umstellung wohl auch nicht weiter schwerfallen.

Euro-Fakten

- Parallelwährung: Der Euro ist nicht einfach eine weitere Fremdwährung. Er ist wie eine zweite - für einen freien Zeitraum gleichzeitig geführte - Hauswährung zu behandeln.

- Triangulation: Der Euro bildet künftig die Basis für Währungskalkulationen. Ein Wert in Deutscher Mark wird erst zum Euro und dann zu seinem Gegenwert, beispielsweise in französische Franc, umgerechnet. Diese Dreiecksmethode wird als Triangulation bezeichnet.

- Dezimalstellen: Durch die Einführung des Euro sind Währungsfelder gegebenenfalls zu ändern. So hat beispielsweise die italienische Lira keine Nachkommastellen, die neue Gemeinschaftswährung hingegen schon.

- Rundungsdifferenzen: Fehlbeträge, die sich durch kaufmännische Rundungen der vierten bis sechsten Stelle nach dem Komma ergeben, sind unter Umständen auf einem eigenen Konto gesondert auszuweisen.

- Datensicherung: Aus rechtlichen Gründen und zur späteren Kontrolle sind Finanzdaten über mehrere Jahre aufzubewahren. Diese Zahlen müssen auch nach einer Euro-Umstellung weiterhin in der alten Währung verfügbar sein oder sich zumindest wiederherstellen lassen.