Echter Mehrwert entsteht weit über der Netz-Ebene

Klassische Mehrwertdienste als Outsourcing-Bestandteil

30.11.1990

Seit mit Hardware keine großen Gewinne mehr zu machen sind, und auch die Zuwachsraten im Softwaregeschäft schrumpfen, zieht der Kommunikationsbereich die begehrlichen Blicke der Anbieter auf sich. Vor allem Mehrwertdienste gelten als lukrativer Wachstumsmarkt. In einem Gespräch mit COMPUTERWOCHE-Redakteur Hermann Gfaller vertrat Horst Gräber, Geschäftsführer der Electronic Data Systems GmbH (EDS), Rüsselsheim, allerdings den Standpunkt, daß netznahen Mehrwertdiensten nur ein Nischendasein beschieden sein wird. Die Zukunft gehört seiner Ansicht nach weit umfassenderen DV-Dienstleistungen mit "mehr Wert" wie beispielsweise dem Outsourcing.

CW: Was verstehen Sie unter Mehrwertdiensten?

Gräber: Wenn ich von Mehrwertdiensten rede, liegt die Betonung auf "mehr wert" und dies muß nicht unbedingt auf Netzwerke aufbauen.

CW: Mit welcher Art Mehrwertdiensten gehen Sie denn an den Markt?

Gräber: In der reinen Kommunikation bieten wir das klassische Netzwerk-Management von der Planung über die Installierung bis zum Betrieb an. Allerdings treten wir - anders als etwa in den Staaten - nicht als Carrier auf. Aber das ist nur ein kleiner Teil unserer Dienstleistung, denn in Deutschland konzentrieren wir uns vor allem auf Aufgaben außerhalb des reinen Netzbetriebs.

CW: Was sind das für Aufgaben?

Gräber: EDS gleicht einem Generalunternehmer. Wir übernehmen Aufgaben aus dem Bereich der Kommunikation, helfen bei der Systemintegration, führen befristete Projekte durch und nehmen dem Kunden seine Datenverarbeitung je nach Wunsch ganz oder teilweise ab.

CW: Ist Netzwerk-Management dann überhaupt ein eigener Geschäftsbereich?

Gräber: Weltweit gesehen machen wir hier durchaus Geschäft. In Deutschland sind wir allerdings nicht aktiv. Daher haben wir auch keine Kunden, die nur ihr Netz von uns verwalten lassen.

CW: Warum vernachlässigen Sie diesen Markt?

Gräber: Das liegt vor allem an der Tarifstruktur. Trotz der angefangenen Liberalisierung hemmt das Postmonopol hier noch ganz stark. Ein Telekom-Sprecher würde das Argument zwar weit von sich weisen, aber für uns offenbart sich das Monopol in den Preisen: Die Leitungskosten, die die Post berechnet, sind nach wie vor ein Vielfaches von dem, was etwa in den Staaten verlangt wird.

Wenn wir unter diesen Bedingungen reines Netzwerk-Management anbieten würden, dann wären wir für die Kunden nicht kostengünstig genug. Das liegt auch an unserer Struktur. Wir sind aus dem General-Motors-Konzern herausgewachsen und haben daher eine an der Automobilbranche orientierte Struktur. Wenn nun ein Kunde zu uns kommt, der in diese Struktur paßt, dann ist auch reines Netz-Management für ihn wie für uns lukrativ. Ansonsten wird der Aufwand ganz einfach zu groß.

CW: Aber die meisten ihrer Kunden nützen doch die Netzwerkmöglichkeiten ihres Unternehmens...

Gräber: Ja, bei fast allen Kunden ist Netzwerk-Management ein Bestandteil des Vertrages - aber eben nur ein Teil. Echter Zusatznutzen entsteht auf einer ganz anderen Ebene als dem der Netze. Deshalb ist für mich das Netz-Management nur ein Teil des weit umfassenderen Facilities Managements.

CW: Sehen Ihre Kunden das auch so?

Gräber: Ich denke schon. Der Trend zum Outsourcing verstärkt sich ständig - vor allem im Bereich des klassischen DV-Service inklusive der dazugehörigen Netzleistungen. Allerdings wird sich auch, im reinen Kommunikationsbereich einiges tun. In Zukunft wird es dabei nicht nur um Daten, sondern auch um Sprache gehen. Dazu muß die Deutsche Bundespost Telekom allerdings noch einiges von ihrem Monopol abgeben. Das wird ab 1992 geschehen.

CW: Wie wird sich Ihrer Ansicht nach der Markt entwickeln, in dem Sie sich bewegen.

Gräber: Der Markt für Value-Added Services wächst stärker als jeder andere DV-Bereich. Die Steigerungsraten bleiben hier zweistellig. Das gilt vor allem für die wirklichen Dienste mit Zusatznutzen wie Outsourcing und Systemintegration.

CW: Gibt es auf diesem Markt einen Wettbewerb?

Gräber: Gerade im Outsourcing-Bereich gibt es durchaus Wettbewerber. In Deutschland wird Debis ein harter Konkurrent werden. International sind IBM, DEC und vor allem Arthur Andersen bereits sehr aktiv. Im europäischen Raum heißen die Mitbewerber Cap Gemini und Hoskyns.

CW: Das bedeutet, daß Hard- und Softwarehersteller sich in diesem Bereich ein neues Standbein suchen.

Gräber: Nicht nur sie. Auch die RZ-Dienstleister versuchen hier ins Geschäft zu kommen. Aber sie werden es nicht leicht haben. Bestehen werden nur sehr große Unternehmen, wie die Mercedes-Tochter Debis, die auf entsprechende Ressourcen zurückgreifen können. Diese Anbieter von Netzwerkleistungen werden vermutlich kaum aus ihrer Nische herauskommen.

CW: Wollen Sie damit sagen, daß den netznahen Mehrwertdiensten auf Dauer nur ein Nischenmarkt innerhalb von umfassenderen Mehrwertdiensten bleibt?

Gräber: Ja.

CW: Wie intensiv ist denn bereits jetzt der Verdrängungswettbewerb?

Gräber: Hier entsteht ein heißumkämpfter Markt, der sich in nationale und globale Anbieter aufteilen wird. Die Chemie-Industrie zum Beispiel wird sich internationale Partner suchen, auf lokaler Ebene wird das Geschäft dann zum Beispiel mit Wiederverkäufern wie Hertie gemacht.

CW: Heißt das, daß Anbieter von Facilities Management sich an Branchen orientieren werden?

Gräber: Ja, zumindest im lokalen Bereich. So wird etwa ein deutscher Anbieter in die Branchen gedrängt, die hier besonders stark vertreten sind. Die großen international agierenden Dienstleister werden allerdings ein breiteres Spektrum anbieten können.

CW: Wie differenzieren Sie sich gegen die Mitbewerber?

Gräber: Besonders wichtig ist, daß wir nicht nur reine DV-Mitarbeiter haben. Viele Mitarbeiter kommen von Opel oder General Motors und haben daher Erfahrung mit den Problemen der Kunden. Vor allem sprechen sie dieselbe Sprache. Hier haben wir einen echten Vorteil gegenüber IBM und DEC.

CW: Welche Dienstleistungen werden bei Ihnen am meisten nachgefragt?

Gräber: Reine Rechenzentrumsleistung ist ganz selten. Eigentlich wollen unsere Kunden Komplettservice in irgendwelcher Form.

CW: Und die Mehrwertdienste im Kommunikationsbereich?

Gräber: Die spielen meines Erachtens in den nächsten ein bis zwei Jahren eine untergeordnete Rolle. Aber wenn das Postmonopol ganz fällt, dann holt auch dieser Bereich zur Zeit vor allem der Markt für CAD-Leistungen.

CW: Soviel ich weiß, haben Sie doch erst zwölf CAD-Kunden. Liegt darin schon ein Trend?

Gräber: Richtig, aber wir sind ja nicht die einzigen Anbieter. Interessant ist dieser Service für alle Zulieferer, dort wächst nämlich der Druck der Industrie, sie in die Entwicklung mit einzubeziehen.

CW: Haben Sie irgendwelche besonderen Dienste, die über das hinaus gehen, was Ihre Konkurrenten anbieten?

Gräber: Vor allem das Facilities Management, also die komplette oder teilweise Übernahme der Datenverarbeitung von Kunden. Hier sprechen wir nicht nur Großkunden, sondern mit unserem CAD-Service auch die mittelständischen Unternehmen an. Auf diese Weise können zum Beispiel Konstrukteure die vielfältigen Vorgaben ihrer Kunden einhalten, ohne jede Software und jedes Übertragungsprotokoll selbst kaufen und beherrschen zu müssen.

Netzwerkdienste fallen hier beispielsweise an, wenn Grafiken an den Auftraggeber unseres Kunden übertragen werden. Wir übernehmen dann den Transport per Netz und konvertieren die Konstruktion wenn nötig in das geforderte Format. Dabei erhalten diese Kunden denselben Service wie unsere Großkunden.

CW: Ist ein derartiger Service zumal wenn er Netzdienste einschließt - nicht zu teuer für diese Zielgruppe?

Gräber: Nein. Wir sind zwar nicht billig, aber wir machen individuelle Preise. Und in der Relation zahlen diese Unternehmen genausoviel wie die Großkunden, die natürlich in absoluten Summen gemessen weit mehr einbringen. Sie brauchen aber auch entsprechend mehr Service.

CW: Was zahlt denn ein Kunde bei Ihnen?

Gräber: Wir haben keine Preislisten. Jeder Kunde betont seinen eigenen Vertrag. Ich kann Ihnen lediglich sagen, welche Faktoren in die Kalkulation eingehen. Wichtig ist vor allem, welche Systeme des Kunden integriert werden müssen, und welcher Aufwand dafür nötig ist. Dann stellen wir fest, welche Infrastruktur wir einbringen müssen. Damit ist gemeint, welche Netz- und Rechenzeiten anfallen. Hinzu kommt der Personal- und Entwicklungsaufwand.

Für unsere Dienste erheben wir entweder einen Fixpreis für ein bestimmtes Leistungsspektrum, oder wir regeln die Zahlung vertraglich. Dann werden Verbrauchseinheiten mit dem Kunden ausgehandelt, aus denen ein Festpreis errechnet wird, der dann über die Vertragsdauer gilt.

CW: Das ist etwas allgemein. Könnte Sie nicht doch etwas konkreter auf den finanziellen Umfang Ihrer Leistungen eingehen?

Gräber: Es gibt da immer Ausnahmen und eigentlich kann man keine Summen nennen. Richtig ist auf alle Fälle, daß sich die Aufträge in der Regel im Millionen-Bereich bewegen.

CW: Wie wichtig Ist denn für Sie die von General Motors vorgegebene Infrastruktur?

Gräber: Sehr wichtig. Denn die Art, wie unser Netze aufgebaut wurden, folgt der Struktur der Automobilbranche. Noch wichtiger ist, daß wir Erfahrungen aus dieser Branche mitbringen.

CW: Service-Anbieter wie EDS sind häufig aus der DV-Abteilung eines Industrieunternehmens herausgewachsen. Muß man eine Konzerntochter mit all den infrastrukturellen Vorteilen sein, um Outsourcing und Netzwerkdienste anbieten zu können?

Gräber: Nein, überhaupt nicht. Es kann eine, neue Firma von unten hochkommen. Ein solches Unternehmen wird dann allerdings langsam wachsen, sowohl was die Kundenbasis als auch was die Akquisition von Firmen betrifft, die nach und nach technische und personelle Möglichkeiten einbringen.

CW: Sehen Sie einen Trend, daß sich ausländische Firmen durch die Ausgliederung ihrer Netzwerke an international agierende Outsourcer Zugang zur europäischen und speziell deutschen Netz-Infrastruktur verschaffen?

Gräber: Die ganze Wirtschaft globalisiert sich zur Zeit. Aber auch die drohende Rezession in den USA verstärkt den Trend, nach Europa zu gehen. Konkret benutzen zur Zeit vor allem ausländische Unternehmen aus den USA, England und Holland unser internationales Netz. Umgekehrt haben wir zwar bereits deutsche Interessenten dafür, aber noch keine Kunden.

CW: Welche Rolle spielen Dienste wie Electronic Data Interchange (EDI)?

Gräber: Wir haben hier ein Projekt gemeinsam mit General Motors laufen. Wenn das läuft, dann werden wir damit auch an den Markt gehen.

CW: Nehmen Sie Einfluß auf ihre Kunden, um einen Standard wie Edifact durchzusetzen?

Gräber: Natürlich werden bei uns intern Standards gesetzt, und wir empfehlen jedem Kunden diejenigen, die für ihn sinnvoll sind. Generell benutzen wir international unseren Einfluß, um Dinge zu forcieren, von denen wir glauben, daß sie ein Standard werden könnten.