IT-Berater und -Beratung/Krise der New Economy zwingt zum Umdenken

Klassische Berater integrieren das E-Business

22.06.2001
New und Old Economy wachsen zusammen, Startups gehen in etablierten Unternehmen auf. Besonders deutlich zeigt sich dies auf dem Beratungssektor, wenn es um das gemeinsame Ziel geht: die Wirtschaftlichkeit. Von Franz-Josef Seidensticker *

Internet-Startups und etablierte Unternehmen als Teile einer Ökonomie zu sehen fällt all jenen nicht schwer, die sich auf wirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten konzentrieren. Schon die erste Studie zur E-Business-Szene in Deutschland aus dem Hause Bain & Company aus dem vergangenen Jahr wies darauf hin, dass sich jeder Betrieb daran messen lassen muss, ob seine Geschäfte profitabel sind und Werte für Kunden, Mitarbeiter sowie Investoren geschaffen werden. Die komplementären Eigenschaften, welche die Beratungsgesellschaft Old- und New-Economy-Unternehmen attestierte, führen in heutigen Kooperationen zu hohen Synergien. Darunter fallen auch die Konzepte der Top-Strategieberatungen für den IT-Bereich.

Realität ist zwiespältigEine weitere Bain-Untersuchung in Kooperation mit dem Manager Magazin mit dem Titel "Die neuen Realitäten" beleuchtete den heutigen E-Business-Zustand der 30 Dax-Unternehmen. Dabei teilte sie die Old-Economy-Schwergewichte ein in Konzerne, die sich bereits nahezu in vernetzte Betriebe gewandelt haben oder auf dem Weg dazu sind, in jene, die ihre Online-Vorhaben als eigenständige Töchter ausgliedern, und solche, die innerhalb des Konzerns einen eigenen Bereich aufbauen. Außerhalb dieser Kategorien standen immerhin 13 von 30 Großunternehmen, deren E-Business-Aktivitäten das experimentelle Stadium noch nicht überschritten haben.

An derartigen Kategorien richtet sich auch das Consulting für etablierte Unternehmen aus. Der Entwicklungs- und Handlungsbedarf ist meist erkannt und im Jahresbudget der Firmen eingeplant. Mit 10,1 Milliarden Mark stehen im Vergleich zum Vorjahr um 46 Prozent aufgestockte Mittel zur Verfügung, die in 2800 E-Projekte (2000: 1900) fließen sollen, für die 17500 Mitarbeiter (2000: 11800) vorgesehen sind.

Diese Zahlen weisen auf den enorm steigenden Bedarf an E-Business-Kompetenzen in der Old Economy hin, deren Vertreter sich in der Bain-Studie zu 58 Prozent als "unzureichend vorbereitet" bezeichneten. Weitere 24 Prozent halten sich für "begrenzt vorbereitet", und nur 18 Prozent sind davon überzeugt "gut bis sehr gut vorbereitet" zu sein. Dabei hat die "E-Fitness" vor allem unter Finanzdienstleistern, im Handel sowie im Bereich Transport und Logistik zugenommen. In der Bau-, Automobil- und Chemiebranche liegen sie jedoch weiterhin unterhalb des Durchschnitts. Weit abgeschlagen ist mittlerweile die öffentliche Verwaltung.

Um bestehende Defizite auszugleichen, gelten bei etablierten Unternehmen Partnerschaften ebenso wie Know-how-Zukauf als adäquate Strategien. Allianzen mit strategisch fundierten und gut geführten Internet-Firmen können die E-Business-Schwächen etablierter Unternehmen häufig schneller beheben als der - vor allem ob des Fachkräftemangels - oft mühsame Aufbau betriebseigener Kompetenz.

Das kommt vielen Internet-Startups entgegen, die sich in schwierigen Zeiten auf meist wohlüberlegte Kooperationen konzentrieren. Ob Web-Enabler, B-to-B-, B-to-C- oder C-to-C-Anbieter: Gerade die Besten unter den jungen E-Business-Firmen haben den Wert von Partnerschaften und Allianzen mit etablierten Unternehmen klar erkannt. So setzen die "Stars der Startup-Szene", so die Studie, denn auch schon seit geraumer Zeit auf den Erfolgsfaktor Partnering. Im Durchschnitt stützt sich jedes E-Business-Jungunternehmen auf 7,5 Partnerschaften im Vergleich zu 4,5 in der gesamten Internet-Gründerlandschaft.

Da die meisten New-Economy-Firmen ihre Umsatzerwartungen im vergangenen Jahr drastisch zurückschrauben mussten und sie ihre Stärken wie Schnelligkeit, Flexibilität und Dienstleistungsorientierung neben ihrem Innovationsvorsprung nur dann zur Geltung bringen können, wenn sie ihre operativen und strategischen Defizite ausgleichen, profitieren sie zunehmend von Old-Economy-Partnern. Vor allem Tugenden der Etablierten wie Kostenkontrolle und Produktivitätsorientierung, effiziente Organisation sowie vor allem Branchen- und Management-Erfahrung wissen die Gründer mittlerweile zu schätzen. Das zeigt sich nicht nur in der Kooperationsbereitschaft, sondern auch in den eigenen Reihen der New Economy: Lag der Anteil der Startup-Unternehmer mit höchstens vier Jahren Berufspraxis zum Zeitpunkt der ersten Bain-Erhebung noch bei 45 Prozent, hat er sich ein Jahr später auf 29 Prozent reduziert. Fast jeder vierte Unternehmer in der New Economy verfügt zwischenzeitlich über mehr als zehn Jahre Berufserfahrung.

Die Synergien, die durch ein weit gehendes Abfedern der jeweiligen Schwächen mit Hilfe von Kooperationspartnern erzielt werden können, eröffnen zusätzliche Kapazitäten zur Entwicklung neuer Produkte und Marktstrategien. Dies kann im Jahr 2001, dem Jahr der Entscheidung für die weitere Entwicklung der New-Economy-Unternehmen, weg von der bisherigen Online-Hektik hin zu durchdachter Marktreife führen.

*Franz-Josef Seidensticker ist Managing Director bei Bain & Company in München.

Abb: E-Business-Profile "jung" und "alt"

Noch immer ist die Old-Economy auf das E-Business schlecht vorbereitet. Währenddessen ist der Jugendwahn in der New Economy vorbei. Immer häufiger setzt sich zum Teil über 10-jährige Berufserfahrung durch. Quelle: Bain & Company