Schweizer Spedition im Netz der Info AG

Klassiker X.25 bildet Rueckgrat fuer die WAN-Kommunikation

23.02.1996

Anfang 1994 erhielt die Info AG von der Danzas GmbH, der deutschen Niederlassung der in der Schweiz ansaessigen internationalen Spedition Danzas, den Auftrag, deren deutsche Datenkommunikation auf X.25-Basis abzuwickeln. Was sich zunaechst so einfach und selbstverstaendlich anhoert, erwies sich als durchaus komplexe Aufgabe. Immerhin gehoert zu den aktuellen und zukunftsweisenden Projekten der Danzas-Gruppe deren eigenes Datenkommunikationsnetz "Danznet". Mit dieser, 1989 implementierten Netzinfrastruktur haben die Eidgenossen den Grundstein zur Schaffung eines effizienten Verbundsystems fuer ihre spezifischen Belange in Sachen Transport- und Lagerwesen gelegt.

Danznet verbindet weltweit alle Danzas-Niederlassungen und gewaehrleistet den Austausch formatierter Nachrichten. Als Besonderheit (weil leider in vielen anderen Faellen noch nicht ueblich) gilt dabei die Kompatibilitaet zu allen gaengigen Hardwaresystemen sowie die Beachtung international gueltiger Standards. Dies wiederum ermoeglicht die nahezu problemlose Anbindung an das DV-Equipment der jeweiligen Kunden, Geschaeftspartner und Dienstleister - natuerlich mit entsprechenden Synergie-Effekten und Kosteneinsparungen, die sich positiv auf die Administration sowie die Kosten fuer Telefon, Telefax und Telex aller Beteiligten auswirken. Darueber hinaus ist mit Danznet auch der Kontakt zu privaten und oeffentlichen "Frachtfuehrern" (zum Beispiel Bahngesellschaften) sowie zu Behoerden (Zoll) moeglich.

In Deutschland befindet sich die zweitgroesste Danzas-Niederlassung in Europa. Bisher lief Danznet in der Bundesrepublik ueber das Datex-P-Netz sowie Datendirektverbindungen der Deutschen Telekom. Aus naheliegenden Kostengruenden und aufgrund der, wie die verantwortlichen IT-Manager von Danzas immer wieder zu verstehen geben, groesseren Servicebereitschaft eines privaten Anbieters, entschied man sich Mitte 1993, der Info AG den Zuschlag zu geben. Dies um so mehr, da sich schon bei der Abgabe eines entsprechenden Angebotes des Hamburger Netzbetreibers schnell herausstellte, dass die Info AG nicht nur ein bisschen, sondern deutlich preisguenstiger als die Telekom war.

Die Kosten waren aber nicht das allein ausschlaggebende Argument: Danzas wollte sein Netz und das dazu erforderliche Management komplett outsourcen. Ein weiterer wichtiger Aspekt galt der Internationalitaet des zu beauftragenden Netzbetreibers, da die Spedition Zug um Zug auch in anderen EU-Laendern Dienste eines privaten Carriers in Anspruch nehmen wollte. Das homogene europaeische Netz der France Telecom/Transpac-Gruppe, zu der die Info AG (noch) mehrheitlich gehoert, erfuellte die Anforderung, zumindest europaweit eine einheitliche Datenkommunikation ohne Schnittstel- len zur Verfuegung stellen zu koennen. (Der internationale Datenverkehr von Kunden der Info AG wird in der Regel ueber Gateways zu bestehenden X.25-Netzen, etwa dem von Infonet, geroutet.)

Aus diesen Ueberlegungen heraus war es fuer die IT-Verantwortlichen bei Danzas ein logischer Schluss, nicht nur in Deutschland die Info AG, sondern europaweit gleichzeitig die Transpac-Gruppe zu beauftragen (siehe Kasten "Verlorenes Kind sucht neue Mutter"). Die drei jeweils nationalen Netze in Frankreich, in der Schweiz und in Deutschland dienen den Eidgenossen somit als Basis fuer den weiteren internationalen Netzausbau .

Im Februar 1994 begann die Info AG mit der Ist-Aufnahme des Projektes: Danzas betreibt in Deutschland acht regionale Rechenzentren an den Standorten Hamburg (Nord), Koeln (West), Stuttgart (Suedwest), Muenchen (Suedost), Berlin (Ost) sowie Frankfurt mit den drei Rechenzentren (Mitte, Zentrale und Lebensmittelverkehr). Die gesamte Kommunikationsstruktur der Spedition war daher entsprechend differenziert zu betrachten. So sind allen genannten Standorten mit ihren Rechenzentren jeweils bis zu zwoelf kleinere Niederlassungen und Aussenbueros zugeordnet, die ueber PCs oder einfache asynchrone Terminals auf die Anwendungen im Rechenzentrum Zugriff haben.

Gleichzeitig koennen die einzelnen Geschaeftsstellen aber auch miteinander sowie mit den uebrigen regionalen Rechenzentren kommunizieren. Ueber letztere wird etwa der Zugriff auf Daten der Bundesfinanzverwaltung realisiert, also im Prinzip die gesamte Zollabwicklung erledigt. Darueber hinaus muss fuer die Danzas- Mitarbeiter stets die Kommunikation mit deutschen Kunden, die in der Regel mit Datex-P arbeiten, sowie mit internationalen Geschaeftspartnern mit X.25-Anschluessen gewaehrleistet sein.

Die eigentliche Umsetzung des Projektes begann damit, Teile der bestehenden Netzkonstellation 1:1 abzubilden. Betroffen waren 109 Leitungen, die auf unterschiedlichen Telekom-Diensten basierten: 38 Standorte an strategisch wichtigen Standpunkten wie etwa Flughaefen, Umschlagbahnhoefen oder Messegelaenden waren wegen ihres zum Teil hohen Datenaufkommens ueber Orts- und Datendirektverbindungen (DDVs) beziehungsweise ISDN- Festverbindungen angebunden; 67 Trunks liefen ueber Datex-P (vorwiegend 9,6-Kbit/s- aber auch einige 4,8 Kbit/s-Verbindungen); und vier Standorte waren ueber ISDN-Leitungen mit 64 Kbit/s angeschlossen.

Die Portierung der Danznet-Strukturen auf das Netz der Info AG sah ferner vor, die bisherigen DDVs auf entsprechende DDVs der Info AG zu uebertragen und die Datex-P-Leitungen in das adequate X.25-Netz der Info AG zu integrieren.

Wichtig fuer Danzas war hier vor allem das komplette Netz- Management, dass heisst die vollstaendige Ueberwachung des gesamten Netzes durch den neuen Netzbetreiber.

Das Thema Netz-Management und begleitende Administration betraf im uebrigen nicht nur die Bestellung erforderlicher Leitungskapazitaet bei der Telekom waehrend der Umstellungsphase, sondern umfasst heute alle Aufgaben, die mit dem Betrieb eines virtuellen privaten Netzes von einem Outsourcer uebernommen werden koennen. Im einzelnen sind dies:

-die Terminueberwachung bis hin zur Inbetriebnahme der Leitungen inklusive entsprechender Hard- und Software;

-die Kuendigung und Neubeantragung von Leitungen bei geaendertem oder zusaetzlichem Kommunikationsbedarf (zum Beispiel bei Umzuegen, der Einrichtung weiterer Geschaeftsstellen oder der Anbindung neuer Kunden);

-die Ueberwachung des laufenden Netzbetriebs rund um die Uhr;

-die Fehlerfeststellung, -analyse und -beseitigung sowie

-ein regelmaessiges und zuverlaessiges Reporting bezueglich der Auslastung.

Einen nicht unwesentlichen Fortschritt gegenueber der vorherigen Loesung stellte letztlich auch das technische Angebot der Info AG dar. Waehrend frueher nur ein Leitungsanschluss mit X.25-Protokoll pro Standort zur Verfuegung gestellt wurde, bieten die jetzt installierten X.25-Konzentratoren die Moeglichkeit, mehrere unterschiedliche Endgeraete pro Standort anzuschliessen. Zusaetzlich zur standardmaessigen X.25-Schnittstelle unterstuetzen die Konzentratoren auch asynchrone und transparente HDLC-Interfaces sowie SNA.

Mit Hilfe dieser neuen Features war es ferner moeglich, die Anzahl der Telekom-Leitungen zu verringern, da beispielsweise je zwei 9,6-Kbit/s-Leitungen beziehungsweise -Anschluesse zu einer 19,2- Kbit/s-Strecke mit mehreren Anschluessen zusammengefasst werden konnten. Neben einer deutlichen Kostenersparnis brachte dies auch technische Vorteile wie einfachere Bedienung sowie geringere Stoerungsanfaelligkeit und damit weniger Organisationsaufwand mit sich. Letztendlich eroeffnete die Zusammenarbeit mit der Info AG aber auch die Perspektive des Einsatzes ganz neuer Dienste - so zum Beispiel Frame Relay und Leitungs-Backup ueber ISDN- Waehlverbindungen.

Als erste Region wurde das Gebiet "Suedwest" im Raum Stuttgart sowie die deutsche Danzas-Zentrale in Frankfurt an das Netz der Info AG angeschlossen - nicht zuletzt auch deshalb, weil dort alle Anforderungen beziehungsweise Anwendungen gegeben waren, die fuer eine, wenn man so will, Pilotphase benoetigt wurden. Dabei kam allerdings fuer die Hanseaten noch der Umstand erschwerend hinzu, dass sie in diesem Zeitraum auch ihr eigenes Netz, das bisher auf der Vermittlungstechnik des US-Carriers Sprint basierte, sukzessive auf das Alcatel-Equipment ihrer Muttergesellschaft France Telecom/ Transpac umstellten. Dies diente vor allem dazu, die Bundesrepublik zum Bestandteil eines nahtlosen europaeischen Netzverbundes zu machen.

Zeitweise liefen daher bei der Info AG die zwei Netze parallel, da das Sprint-Equipment erst abgebaut werden konnte, als die Alcatel- Technik reibungslos lief. Um die mit dem Kunden abgesprochenen Zeitplaene ueberhaupt einhalten zu koennen (naemlich spaetestens ab September 1994 weitere Regionen umzustellen und die Netzuebernahme bis Ende 1994 abzuschliessen), wurde die Pilotregion zunaechst noch auf das bestehende Sprint-Netz portiert, um so die Leistungsfaehigkeit und Funktionalitaet der Info AG unter Beweis zu stellen. Da man aber vermeiden wollte, die Kommunikation von Danzas laengere Zeit auf zwei verschiedenen Netzen abzuwickeln, wurde auch die Pilotregion sofort auf die Alcatel-Technik umgestellt, als diese dort zur Verfuegung stand - bevor weitere Standorte angebunden wurden. Dies war von besonderer Bedeutung, da es doch in jedem Fall galt, die internationale Kommunikation im Danznet sicherzustellen.

Danzas

Die in der Schweiz ansaessige Spedition Danzas ist eigenen Angaben zufolge seit fast 180 Jahren erfolgreich auf dem Weltmarkt taetig. Zu den Geschaeftsfeldern des Unternehmens gehoeren heute der europaweite Stueckgut- und Ladungsverkehr, industrielle Distribution, Zolldienst sowie Luft- und Seefracht. In Laendern ausserhalb Europas dominieren bei den Eidgenossen vor allem Dienstleistungen in den Bereichen Luft- und Seetransport sowie Zollabfertigung.

Verlorenes Kind sucht neue Mutter

Die juengste Geschichte der Hamburger Info AG, einer der ersten privaten Netzbetreiber in der Bundesrepublik und Marktfuehrer bei sogenannten Ausweich-Rechenzentren, hat fast schon etwas Tragisches an sich. Lange Zeit im vermeintlich sicheren Schoss der franzoesischen Muttergesellschaft Transpac (einer 100prozentigen Tochter von France Telecom), kam das Unternehmen urploetzlich unter die Raeder grosser europaeischer respektive weltweiter Telecom- Allianzen. Nachdem die Bruesseler EU-Kommission ihre Genehmigung des "Atlas"-Projektes (dem auf europaeische Grosskunden fokussierten Joint-venture zwischen France Telecom und Deutsche Telekom) davon abhaengig gemacht hat, dass sowohl der Datex-P-Dienst der Telekom zunaechst nicht in das Joint-venture integriert als auch die Beteiligung der Franzosen an der Info AG (97 Prozent) rueckgaengig gemacht wird, muss fuer die Hanseaten ein neuer Kaeufer gesucht werden.

Obwohl das Betriebsergebnis der Info AG in den zurueckliegenden Jahren kraeftig rot schimmerte (bei einem Umsatz von gut 70 Millionen Mark kam es zu Verlusten in einem zweistelligen Millionenbereich; gleichzeitig wurden jedoch mehr als 30 Millionen Mark in neue Netzwerktechnologie sowie in die Ausweichrechenzentren investiert), gilt in der deutschen Telecom- Szene vor allem die Netzwerk-Division der Hamburger als durchaus lukratives Schnaeppchen. Wer jedoch letztendlich fuer das mit rund 100 Einwaehlknoten bundesweit flaechendeckende Netz samt Kundschaft den Zuschlag erhaelt, ist derzeit noch ungewiss. Nach Angaben von Ernst Mueller, seit August 1995 Vorstandsvorsitzender der Info AG, wird derzeit mit vier Gesellschaften ernsthaft verhandelt, wobei fruehestens Ende Maerz mit einer Entscheidung zu rechnen sei. Geruechte, wonach im Prinzip die Wuerfel schon zugunsten von Thyssen Telecom gefallen sind, wollte der Info-AG-Chef nicht kommentieren. gh

Kurz & buendig

WAN-Networking ist angesichts globaler Maerkte notwendiger denn je - wer wollte dies bestreiten? Als, wenn man so will, Paradebeispiel solcher Anwendungsszenarien gilt ohne Zweifel das Speditionswesen mit all seinen Beduerfnissen in puncto Organisation und Ueberwachung des Stueckgutverkehrs beziehungsweise der Kommunikation mit Kunden und Geschaeftspartnern. Die deutsche Dependance der Schweizer Spedition Danzas, wo man im uebrigen durchaus selbst firm in Sachen Networking ist (die Eidgenossen haben seit 1989 ein eigenes virtuelles Wide Area Network namens "Danznet" in Betrieb), entschied sich, dem Datex-P-Netz samt Datendirektverbindungen der Telekom den Laufpass zu geben und migrierte zum X.25-Netz der Hamburger Info AG.