VMworld 2015

Klare Produktpläne - unklare Management-Strategie

04.09.2015
Von 
Harald Weiss ist Fachjournalist in New York und Mitglied bei New York Reporters.
VMware marschiert mit voller Kraft in den Cloud-Markt. Neue Produkte und Kooperationen sollen diese Entwicklung beschleunigen. Rätselraten gibt dagegen die weitere Management- und Unternehmensstrategie auf.
One Cloud, Any Application, Any Device - so lautete das Motto der diesjährigen VMworld.
One Cloud, Any Application, Any Device - so lautete das Motto der diesjährigen VMworld.
Foto: Harald Weiss

Auf dem Weg in die Cloud verbündet man sich selbst mit dem Erzkonkurrenten Microsoft. Während einerseits VMwares Produkt- und Service-Strategie immer klarer und nachvollziehbarer wird, gib es ein zunehmendes Rätselraten über die weitere Management- und Unternehmens-Strategie. Hintergrund dafür ist, dass einerseits EMCs Großaktionäre einen Verkauf von VMware fordern, wogegen einige Analysten eher erwarten, dass VMware EMC akquirieren wird.

Das Motto der diesjährigen VMworld in San Francisco lautete "One Cloud, Any Application, Any Device". Damit signalisierte VMware ganz deutlich, wohin die Unternehmensreise gehen soll: Ab in die Cloud! Das ist nur allzu verständlich, denn VMwares Kunden haben immer weniger Interesse daran, eine eigene IT-Infrastruktur zu betreiben. "Bei neuen Anwendungen heißt es stets Cloud-First. Viele Firmen haben dafür sogar eigenständige IT-Abteilungen auf der grünen Wiese geschaffen, damit sie nicht mit den bekannten IT-Altlasten kämpfen müssen", sagt Matthias Schorer, der bei VMware Europa die Position eines strategischen Kundenberaters einnimmt.

Schnell wachsendes Cloud-Segment

EMC-Chef Tucci wehrt sich noch gegen einen Verkauf von VMware.
EMC-Chef Tucci wehrt sich noch gegen einen Verkauf von VMware.
Foto: Harald Weiss

Die Flucht in die Cloud spiegelt sich auch in den Marktzahlen wider. Laut IDC ist das Cloud-Geschäft das am schnellsten wachsende IT-Segment. Bis 2018 soll es auf 122 Milliarden Dollar anschwellen, was vor allem daran liegt, dass inzwischen nicht nur die Großen, sondern zunehmend auch kleine und mittlere Unternehmen ihre IT-Lösungen in die Cloud verschieben. Laut einer Untersuchung von RightScale gibt es derzeit bei 82 Prozent aller Unternehmen eine Cloud-Strategie und 71 Prozent nutzen bereits eine Public-Cloud, oder sind zumindest im Begriff die ersten Anwendungen dorthin auszulagern. Wobei es aber erhebliche regionale Unterschiede gibt. "Europa und Deutschland liegen deutlich hinter der Cloud-Nutzung in Nordamerika", sagt Jean-Pierre Brulard, VMwares frisch ernannter EMEA-Chef. Doch er sieht ein zunehmendes Cloud-Interesse vor allem im deutschen Mittelstand, was unter anderem an den rasanten Entwicklungen im Bereich Industrie 4.0 liegt, wo seiner Meinung nach die Cloud eine besonders effiziente IT-Nutzung darstellt.

Triumvirat beherrscht die Business-Cloud

Anbieterseitig ist der Business-Wolkenhimmel von drei Großanbietern besetzt: Amazon, Google und Microsoft. VMware kann also nicht tatenlos zuschauen, wenn im Rechenzentrum der Kunden immer weniger Server-Virtualisierung eingesetzt wird und stattdessen nur noch Instances bei Amazon an- und ausgeknipst werden. Folglich muss VMware seinen Kunden in die Cloud folgen - ohne dabei aber das gut florierende On-Premise-Geschäft zu gefährden. "Unser Cloud-Geschäft ist vergleichbar mit dem von Microsoft, wir sind beide im On-Premise-Bereich groß geworden und bieten heute eine Sowohl-als-auch-Lösung an", beschrieb VMwares CEO Pat Gelsinger in einer Pressekonferenz die Situation. Dieses sei einer der Gründe, weshalb er Microsoft als einen von zwei Hauptkonkurrenten einstuft. Der andere Konkurrent ist laut Gelsinger Amazons Webservice AWS, der zwar nichts im On-Premise-Bereich anzubieten hat, der aber inzwischen auch die Ko-Existenz von Privat- und Public-Cloud unterstützt - und damit indirekt am Umsatz von VMware knabbert.

Freund und Feind in einem

Wie aber in der IT-Branche üblich, steht jeder der großen Anbieter mit dem anderen in Konkurrenz und ist gleichzeitig in irgendeiner Kooperation verwickelt. So kündigte VMware am zweiten Veranstaltungstag das Projekt A² (gesprochen A-Quadrat) an, mit dem die Apps für mobile Windows-10-Geräte besser unterstützt werden. Hierzu wird VMwares Mobility-Management-Software AirWatch mit der neuen AppVolume-Software verbunden. Ziel ist es, virtuelle Apps besser zu managen und deren Performance zu verbessern. Genau genommen werden bei A² virtuelle Container mit etablierten Windows-Apps geschaffen, die dann mittels AppVolumes auf jedes W10-Endgerät gestreamt werden können.

Mit Google gegen AWS und Microsoft

Gerüchte spekulieren, dass VMware womöglich EMC kaufen könnte und Gelsinger dann Chef wird.
Gerüchte spekulieren, dass VMware womöglich EMC kaufen könnte und Gelsinger dann Chef wird.
Foto: Harald Weiss

Mit Google, dem dritten großen Cloud-Anbieter, sieht sich VMware nicht in Konkurrenz - im Gegenteil. Hier wurde eine Kooperation im Bereich von vCloud Air angekündigt, bei der die Google-Cloud-Plattform für die Objekt-Speicherung genutzt wird. Damit setzt VMware seine im Januar begonnene Kooperation mit Google weiter fort. Gartner sieht bereits dieses Duo als ernstzunehmende Konkurrenz zu Amazon. "Google hat immense Erfahrungen im Bereich von extrem großen Cloud-Nutzungen und VMware hat das Wissen bei den Business-Anforderungen und die Erfahrungen der In-House-Lösungen, damit können sie die getrennten Angebote von Microsoft und Amazon aus einer Hand anbieten", schrieb Gartner-Analystin Lydia Leong in einer Research-Note. Genau diesen Weg will man bei VMware auch weiter beschreiten. "Wir sehen à la longue eine zunehmend intensive Zusammenarbeit mit Google", sagte Gelsinger über die weiteren Pläne.

Dunkle Wolken über VCE

Häufig sind auf solchen Veranstaltungen aber nicht die vielen Reden und Statements das Aufschlussreichste - sondern das, was nicht gesagt wird. So sprachen weder Gelsinger noch sein COO Carl Eschenbach den schwelenden Konflikt mit VCE an. Das ist die Verzahnung von VMware mit Cisco, Pivotal, RSA und EMC. Mit Cisco ist man spätestens seit der Akquisition von Nicira vor drei Jahren auf dem Kriegsfuß. Zwar bestreitet VMwares NSX-Manager Guido Appenzeller, dass man sich als Konkurrent zu Cisco sieht, doch im selben Atemzug führt er aus, dass NSX die Switches und Router zu Commodities degradiert - womit Ciscos Geschäftsmodell frontal torpediert wird.

Kauft VMware EMC?

Damit noch nicht genug. So fordert der Hedgefund Elliott Management von EMC den Verkauf von VMware, um damit frisches Kapital für EMC und deren Aktionäre in die Kasse zu bekommen. EMC-Chef Joe Tucci wehrt sich vehement dagegen, doch viele Umbesetzungen und Auftritte bei den Top-Managern deuten auf unterschwellige Konflikte hin. Eschenbach scheint eine größere Rolle bei VMware einzunehmen. Er hielt die Eröffnungs-Keynote wogegen Gelsinger am ersten Tag überhaupt nicht in Erscheinung trat. Erst am zweiten Tag hatte er am Ende der Keynote einen zwanzigminütigen Auftritt. Da ging er aber nicht auf die aktuellen VMware-Produkte und die Neuankündigungen ein, sondern präsentierte einen Fünfjahres-Ausblick über die IT-Branche im Allgemeinen und über deren Entwicklungs-Probleme im Speziellen. Das alles passt zu dem Gerücht, dass VMware möglicherweise EMC aufkauft und Gelsinger damit Chef von EMC, RSA, Pivotal und VMware wird. Tucci würde dann endgültig in den Ruhestand gehen. Ein Schritt, den er schon mehrmals vorhatte und der schon lange erwartet wird.