Kl-Produkt NewWave soll Produktivitätsschub bringen:HP profiliert sich mit PC Software

20.11.1987

BOSTON (ch) - Einen Meilenstein der PC-Software gedenkt Hewlett-Packard mit seinem neuen Produkt NewWave zu setzen. Unter Nutzung von KI-Softwaretechniken ermöglicht das Programm eine horizontale Integration unterschiedlicher Anwendungen. Ziel ist nach den Worten des HP-Präsidenten John Young eine substantielle Zunahme der Produktivität im Bürosektor.

Die objektorientierte Anwendungsumgebung NewWave läuft unter MS-DOS und mit Erscheinen des neuen Betriebssystems auch unter OS/2. Sie ist unter Windows 2.0 zu betreiben und nutzt dessen Code mit, was als Nebeneffekt die Entwicklung von Anwendungen verkürzt. Auch die Unterstützung des IBM Presentation Manager ist geplant.

NewWave erlaubt die Verwendung kombinierter Datentypen bei der Arbeit mit einem Dokument. Man kann also etwa einen Bericht mit Text, einem Spreadsheet-Auszug und Grafik erstellen. Dabei werden zwischen den beteiligten Dateien sogenannte "Hot Links aufgebaut. Diese bewirken, daß die Konsistenz der Daten gewahrt bleibt. Wenn also zum Beispiel in ein Schriftstück ein Spreadsheet eingebaut wird, so hat eine Änderung der Daten in dem Dokument die automatische Nachführung in der gesamten Spreadsheet-Datei zur Folge. Dabei lassen sich Textdateien, Grafiken oder Rechenblätter ebenso integrieren wie Video-Bilder oder sogar - über ein angeschlossenes Telefon - gesprochene Stimme.

Agent arbeitet ereignisgesteuert

Den KI-Anteil bildet der sogenannte "Agent". Mit seiner Hilfe lassen sich ähnlich einem Makro umfangreiche Anwendungen aufbauen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Makros arbeitet der Agent jedoch anwendungsübergreifend. Er erlaubt so die vollautomatische ereignisgesteuerte Ausführung auch umfangreicher Jobs. Ein solcher Job könnte beispielsweise so aussehen, daß der entsprechend trainierte Agent an jedem Monatsersten (gesteuert von der Systemuhr) einen Verkaufsreport für den vergangenen Monat erstellt, sich die dazu erforderlichen Daten von einem anderen ins Netzwerk eingebundenen Rechner holt - HP denkt da vor allem an seine RISC-Superminis der HP-3000-Familie - und den fertigen Report über das Netzwerk an eine vorher festgelegte Reihe von Usern sendet, alles ohne menschliches Zutun.

Durch seine Benutzerführung mit Hilfe von Icons und Kontext-gesteuerten Hilfefunktionen soll NewWave die Einarbeitung in komplexe Programme erleichtern. Dies komme vor allem denjenigen zugute, die nur gelegentlich einen PC nutzen, teilte ein HP-Sprecher mit.

Zwar lassen sich bestehende Applikationen unter NewWave ebenso nutzen wie bisher; Anwenderprogramme, die die Eigenschaften von NewWave voll nutzen, existieren derzeit jedoch nur als Prototypen. Aus diesem Grund setzt Hewlett-Packard darauf, daß unabhängige Softwarehäuser ebenso wie Großanwender dabei mithelfen, NewWave zu etablieren, indem sie Anwendungen dafür erstellen und vermarkten. An der Entwicklung des neuen Produktes hat auch Microsoft einen Anteil. Daher dürfte von dieser Seite wohl bald mit entsprechenden Produkten zu rechnen sein, wie auch der bei der Vorstellung von NewWave anwesende Microsoft-Boß Bill Gates zu verstehen gab.

Das Produkt wird in zwei Schüben ausgeliefert werden. Zuerst, im ersten Quartal '88, gibt es den NewWave Developers Kit, eine Entwicklungsumgebung mit Dokumentation und Softwaretools. Dieses Kit soll 895 Dollar kosten. Dann, in der zweiten Jahreshälfte, soll zum Preis von 195 Dollar eine Enduser-Version folgen. In Deutschland wird diese Version von Anfang an in deutscher Sprache gehalten sein. Hardwareseitig läuft die "Neue Welle" auf jedem MS-DOS-PC, jedoch empfiehlt HP als Mindestausstattung einen AT-Kompatiblen mit 2 MB Arbeitsspeicher und 20 MB Festplatte.