Kommissär Computer:

KIS von Rechts wegen unter Beschuß

28.03.1980

ZÜRICH (sg) - Das geplante Kriminalpolizeiliche Informationssystem (KIS), vielerorts unter Beschuß genommen, kann nun mit Sicherheit nicht wie vorgesehen ab 1981 die diesem zugedachten Aufgaben in Bund und Kantonen übernehmen. Man spricht derzeit sogar von einer Verschiebung "auf unbestimmte Dauer" und von allenfalls "schmerzlichen Abstrichen", die darauf hinauszulaufen scheinen, daß das KIS die ihm zugedachte Aufgabe, eine die ganze Schweiz umfassende Kriminalstatistik zu führen, nicht erfüllen kann. Wenigstens nicht in der ersten Ausbaustufe.

Die erste Ausbaustufe soll in den Teilbereichen Personenfahndung und Sachfahndung, Sammlungen von Informationen über Personen mit Kriminalpolizeilichen Vorgängen wirksam werden lassen. Diese Sammlungen lehnen die KIS-Gegner aus rechtsstaatlichen Bedenken heraus mit aller Entschiedenheit ab. Vor allem wohl auch, weil sie befürchten müssen, daß beispielsweise Demonstranten und Streikende damit im KIS aufgenommen würden.

Der Basler SP-Natiorialrat Andreas Gerwig befürchtet gar, daß mit Einführung des KIS unter dem Stichwort "Strafverdächtige", eine neue Kategorie von Menschen gebildet werden könnte, deren besonderes Merkmal darin bestünde, daß ihnen, obwohl sie noch niemals straffällig wurden, in Zukunft jede Straftat zuzutrauen wäre. Übrigens rechnet man

damit, daß im KIS gegen 1,5 Millionen 1 Personen aufzunehmen sind, wonach

praktisch jeder vierte Schweizer tatverdächtig werden könnte.

Zweifelsohne kann darin ein bedenkliches Vorgehen gesehen werden. Kommt hinzu, daß in Ermangelung einer schweizerischen Datenschutzgesetzgebung noch vielfältige andere Unsicherheiten bestehen, die vor der Einführung des KIS einer gründlichen Regelung bedürfen.

Vor diesem Hintergrund beginnt sich der Widerstand allmählich überall in den Kantonen zu regen, und die Kantone Basel-Stadt und -Land, Luzern und Graubünden haben ihre Finanzierungszusagen an das KIS für das Budget 1980 annuliert. Auch im Welschland ist das Mißtrauen gegenüber KIS groß.

Demgegenüber behaupten die Verfechter dieses Kriminalpolizeilichen Informationssystems - allesamt hohe Polizeifunktionäre -, daß das KIS im Prinzip nicht mehr bedeute, als ein modernes Werkzeug für die Wahrnehmung einer an sich "alten Aufgabe".

Das erklärte Ziel besteht denn auch darin, mit Hilfe von KIS zu einer besseren und wirksameren Verbrechensbekämpfung, sowohl repressiv wie präventiv, zu kommen. Die Aktualität und rasche Verfügbarkeit der kriminalpolizeilichen Informationen sind dafür eine unbedingte Voraussetzung.

Auf Betreiben von Zürich ist man nun daran gegangen, eine Überarbeitung, das heißt, eine Projektumschreibung für das KIS vorzunehmen. Der Schlußbericht hieraus wird voraussichtlich im Sommer dieses Jahres vorgelegt werden können. Bis dahin liegt KIS und die dafür von einigen Kantonen bereits bereitgestellten finanziellen Mittel zunächst einmal auf Eis. Erst dann soll wieder darüber befunden werden, ob der mit 41 Millionen Franken an Einmalkosten und jährlichen Betriebskosten von 4 Millionen Franken geplante Aufwand sich überhaupt auszahlt.