Data-Warehouse auf AS400-Grundlage

Kinderspezialisten wollen Infopotential erschließen

29.08.1997

Den in Rodach bei Coburg ansässigen Unternehmen war aufgefallen, daß in ihren Datenbanken ungenutztes Potential schlummerte: Mit Hilfe der Kunden- und Produktinformationen müßte es doch eigentlich möglich sein, so die Hypothese, den in der Kinderartikel-Branche entscheidenden Kundenservice weiter zu intensivieren. Außerdem könnte die Unternehmensleitung daraus Unterstützung für ihre Entscheidungen beziehen.

Im September vergangenen Jahres beschlossen die Firmen folglich, die Voraussetzungen für eine zielgerichtete Datenanalyse zu schaffen, also ein Data-Warehouse zu installieren. Wie Roland Wimmer, DV- und Organisationsleiter der Unternehmensgruppe, erläutert, wollten Habermaaß, Wehrfritz und Jako-O auf jeden Fall an ihrer bewährten AS/400-Plattform festhalten. Die Wahl fiel schließlich auf das Produkt "Strategy", eine multidimensionale Data-Warehouse-Lösung des in Eschborn ansässigen US-Anbieters Showcase. "Früher haben wir tausend kleine Programme geschrieben, um die spezifischen Anfragen der Geschäftsführung, der Abteilungsleiter und der Kollegen aus dem Vertrieb zu bedienen", erinnert sich Wimmer. Jede neue Analyseidee der Anwender habe eine weitere Abfrage nach sich gezogen. Dabei sei kostbare Programmier- und Rechenzeit investiert worden. Und nicht selten habe sich erst anhand des Abfrageergebnisses herausgestellt, daß die gesuchte Aussage nichts brachte.

Die im Aufbau befindliche Warehouse-Lösung gibt, so Wimmer, den Anwendern ein Werkzeug in die Hand, mit dem sie - innerhalb eines vorab definierten Rahmens - selbst ihre Wünsche umsetzen können, ohne dabei einen Programmierer aus der DV-Abteilung zu bemühen.

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, muß das Data-Warehouse mehrere Voraussetzungen erfüllen: neben kurzen Anwortzeiten und Datensicherheit vor allem ein benutzerfreundliches, unkompliziertes Abfrageverfahren, denn auch in Rodach ist der klassische Data-Warehouse-Anwender kein DV-Fachmann, sondern ein Entscheider im Vertrieb beziehungsweise in der Geschäfts- oder Abteilungsleitung, der die Informationen per Mausklick haben will.

Entscheidend für den erfolgreichen Einsatz der Data-Warehouse-Technologie ist nach Wimmers Ansicht aber, daß die Benutzer die Idee verstehen und "die richtigen Fragen richtig stellen".

Selbstverständlich lasse sich mit einem Data-Warehouse ermitteln, wie viele Produkte ein bestimmter Kunde in einem eingegrenzten Zeitraum gekauft hat. Aber das allein sei noch nicht sinnvoll. Das Data-Warehouse mache es vielmehr möglich, neue Zusammenhänge zu erschließen. "Ein Data-Warehouse sinnvoll zu nutzen heißt, in größeren Einheiten zu denken als in Eins-zu-eins-Relationen." Das erste Gebiet, auf dem Habermaaß, Wehrfritz und Jako-O bereits greifbare Ergebnisse erzielen konnten, ist die Analyse und Steuerung von Mailing-Aktionen. Hier lassen sich mit Hilfe des Data-Warehouse die Streuverluste senken. "Als Versandhaus interessierte uns, ob ein Kunde in der ersten, zweiten oder erst in der vierten Woche nach Erhalt unseres Katalogs kauft. Wie lange bestellt er aus diesem Katalog - vier Wochen oder ein Vierteljahr? Wie verhalten sich Kunden, an die wir über Adressenmaterial eines Brokers herangetreten sind, im Vergleich zu jenen, die über Freundschaftswerbung auf uns aufmerksam wurden?" erläutert Wimmer. Die mit dem Data-Warehouse ermittelten Antworten auf diese Fragen bilden jetzt eine Basis, auf der die Unternehmen gezielter handeln, den Service verbessern und neue Käuferpotentiale erkennen könnten.

Mit Hilfe von Data-Warehouse-Analysen lassen sich auch zusätzliche Geschäftsfelder erschließen. Obwohl die Rodacher eigenen Angaben zufolge erst zehn Prozent des Warehouse-Leistungsvermögens ausschöpfen, haben sie hier schon etwas erreicht: Bis vor kurzem gingen sie davon aus, Produkte für Kinder bis zu zehn Jahren anzubieten. Eine Untersuchung auf Basis des Data-Warehouse wies jedoch nach, daß die Waren vorwiegend Kinder bis zu acht Jahren interessierten.

Zwar gab es schon länger Vermutungen in dieser Richtung, doch in Zeiten erhöhten Kostendrucks ist es riskant, sich auf sein Gespür zu verlassen. Das Data-Warehouse hingegen lieferte fundierte Zahlen, auf deren Grundlage sich eine sichere Entscheidung treffen läßt. Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird Habermaaß künftig ein völlig neues Sortiment für ältere Kinder anbieten.

Die Verbesserung des Kundenservice, die Ausdehnung der Geschäftsfelder und die Entscheidungssicherheit lassen es als realistisch erscheinen, daß sich die Investitionen innerhalb von zwölf bis 18 Monaten amortisiert haben werden.

Die Unternehmen

Habermaaß, Wehrfritz und Jako-O sind eigenständige GmbHs, die sich zu einem Firmenverbund zusammengeschlossen haben. Habermaaß fertigt seit 1938 Holzpuppen sowie neuerdings auch Kindergartenmöbel. Die 1953 gegründete Wehrfritz GmbH machte sich ebenfalls einen Namen als Kindergartenausstatter. Jako-O bietet Produkte "rund um das Kind" im Versandhandel an und stieß 1987 zum Verbund. Dessen Verwaltung, Marketing, Informationsverarbeitung und Produktion befindet sich in Rodach bei Coburg. Die insgesamt etwa 700 Mitarbeiter der drei Unternehmen erwirtschafteten im vergangenen Geschäftsjahr einen Umsatz von rund 160 Millionen Mark.

Die Umgebung

Der Unternehmensverbund betreibt eine außergewöhnlich heterogene DV-Welt. Das Herzstück ist eine AS/400, Model 510, an die neben 90 PCs (sowohl mit OS/2 als auch mit Windows) und 280 Terminals auch Macintosh-Arbeitsplätze und eine Unix-Maschine angebunden sind. Für das Data-Warehouse wurde eine zweite AS/400 angeschafft - ein Modell 53S mit derzeit 40 GB Festplattenkapazität. Neben der Lohn- und Gehalts-Anwendung von IBM sowie Fremdlösungen für Finanzbuchhaltung, Werbemittel-Erstellung, Kostenrechnung, PPS, Fertigung und Zeitwirtschaft gibt es Eigenentwicklungen, die unter anderem Auftragserfassung und Hochregalsteuerung abdecken.

*Peter Läpple ist freier Autor in Puchheim bei München.