Bindels distanziert sich von "anderen Unternehmen, die offensichtlich Schwierigkeiten haben":

Kienzle mit Mannesmann zum Mainframer

16.10.1981

SCHLUCHSEE/SCHWARZWALD - Die derzeitige Situation der Kienzle Apparate GmbH, Villingen, ist eine andere als bei "anderen Unternehmen, die offensichtlich wirklich Schwierigkeiten haben". Geschäftsführer Dr. Gert Bindels spielte während des Seminars der Schwarzwälder "EDV im Produktionsbereich" auf die prekäre Ertrags- und Personallage einiger bundesdeutscher Unternehmen an, ohne jedoch hierbei etwa die Triumph-Adler AG, Nürnberg/Frankfurt, beim Namen zu nennen.

Bindels bedauerte im gleichen Zusammenhang die in seinen Augen "negative Publizität eines natürlichen Ereignisses", die mit dem Beschluß des Kienzle-Vorstands einhergegangen sei, einen Personalabbau im Umfang von fünf Prozent vorzunehmen. Diese Freisetzungsmaßnahme, betonte Bindels, sei nicht Ausdruck eines Schwächeanfalls des Villinger Unternehmens, sondern Ausfluß der ständig notwendigen Anpassung einer Unternehmung und ihrer Kostenstruktur an den Markt.

So sei es beispielsweise erforderlich, neue Produkte nur mit der allerneuesten Technik ausgerüstet, gleichzeitig aber auch sofort mit hohen Stückzahlen auf den Markt zu bringen. Betriebsangehörige, die den damit verbundenen Anforderungen nicht gewachsen seien, könnten im Interesse der Lebenskraft eines Unternehmens und der Sicherheit der Arbeitsplätze ihrer Kollegen nicht weiterbeschäftigt werden.

Diese Zusammenhänge der Öffentlichkeit klarzumachen, habe die Kienzle-Geschäftsleitung am 30. September beschlossen, berichtete Bindels. Dieses Seminar stelle gewissermaßen die Stufe Null dieses Vorhabens dar, und in dem sich bis zur Hannover-Messe erstreckenden Zeitraum wolle man "sehr aktiv werden".

Wenn Kienzle einerseits Mitarbeiter entlasse und andererseits von Expansionsplänen unter dem Patronat des 50prozentigen Anteilseigners Mannesmann rede, so sei dies, meinte Bindels, nur vordergründig gegensätzlich: Eine demnächst anrollende Anzeigenkampagne mit Stellenangeboten für qualifizierte Kräfte wie Elektronik-Ingenieure oder Mikroprozessor-Programmierer werde die tatsächliche Entwicklungsrichtung der Villinger aufdecken.

Kienzles Wachstumspfad soll sich nach Bindels Darstellung an folgenden, nach dem Einstieg von Mannesmann entwickelten strategischen Hauptlinien ausrichten:

- Kienzle soll sich von einem DV-Unternehmen zu einer Unternehmensgruppe für Informationstechnologie mausern.

- Mannesmann-Tally will von einem OEM-Drucker-Hersteller zu einer Unternehmensgruppe für OEM-Peripherie weiterwachsen.

- Die "synergetischen Effekte" beider Unternehmen sollen genutzt werden.

- Bei den Unternehmen werden ihre Entwicklungs- und Fertigungsaktivitäten zur Vermeidung von doppeltem Aufwand gemäß einer "strategischen Generallinie" zugeteilt.

- Es soll eine modulare durchgängige Produktlinie geben.

- Einer den Schwerpunkte wird die Produktion von Multifunktions-Peripherie, -Arbeitsplätzen und -Terminals sein.

- Die Anwendungssoftware soll strukturiert werden; so sind beispielsweise generelle Funktionen aus Applikationsmoduln auszulagern. - Der Qualitätsaspekt eines Produkts soll stets Vorrang haben.

- Die "signifikante Erhöhung" (Bindels) der Vertriebskosten soll drastisch reduziert werden.

- Alternative Vertriebswege sind zu aktivieren. Bindels ("Wenn man zwei Hasen jagt, bekommt man keinen.") nannte konkret den

- Systemvertrieb in definierten Zielmärkten,

- den Ausbau des Projektgeschäfts, wo die derzeitige Auftragslage dem Hause Kienzle "phänomenales Wachstum" beschere, schließlich

- diverse OEM- und Peripherievertriebsmaßnahmen.

- Die Produktfamilie 9000 soll vertikal (bis Mainframe-Größe), horizontal (mit beliebigen Netzwerk-Fähigkeiten) und funktional erweitert werden.

Sendungsbewußtsein

Für diese Expansionspläne - Kienzle will beispielsweise in drei bis vier Jahren bei Betriebsdatenerfassungs- und Fertigungsplanungssystemen für mittlere und kleine Unternehmen in der Bundesrepublik einen Marktanteil von 30 Prozent erreicht haben stehen nach Auffassung der Villinger die Zeichen gut. Eine Auswahl von Argumenten, Absichten und Erwartungen, die in Schluchsee zu hören waren: Kosteneinsparung durch das Zielmarktprinzip und durch das Ablehnen "exotischer" Aufträge; Wettbewerbsvorteile durch das Decken des zunehmenden Bedarfs an Dienstleistungen und Ausbildungsmöglichkeiten (Bindels: "Wir sind stark dabei."); umsatzförderndes Modularprinzip (Der Käufer - so Bindels - braucht nur das zu zahlen, was er haben will.); Finanzstärke dank Mannesmann; Know-how- und Image-Vorsprung auf bestimmten Gebieten; Stützung auf Mitarbeiter, die nach Bindels Darstellung nicht nur auf Geld schauen, sondern auch von einem Sendungsbewußtsein beseelt sind.