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Crowdfunding-Plattformen

Kickstarter oder Indiegogo?

04.02.2023
Von 
Martyn Casserly schreibt als freier Journalist unter anderem regelmäßig für unsere US-Schwesterpublikationen TechAdvisor und Macworld.
Auf den beiden populärsten Crowdfunding-Plattformen Kickstarter und Indiegogo finden Sie zahlreiche einzigartige Produkte und Projekte. Wir sagen Ihnen, was Sie wissen müssen.
Crowdfunding lässt innovative Produkte und Projekte Wirklichkeit werden. Wir haben uns die beliebtesten Plattformen - Kickstarter und Indiegogo - angesehen und sagen Ihnen, was Sie aus Investoren- und Anbietersicht wissen müssen.
Crowdfunding lässt innovative Produkte und Projekte Wirklichkeit werden. Wir haben uns die beliebtesten Plattformen - Kickstarter und Indiegogo - angesehen und sagen Ihnen, was Sie aus Investoren- und Anbietersicht wissen müssen.
Foto: Andrey Popov - shutterstock.com

Das noch relativ junge Phänomen des Crowdfunding begann im Jahr 2003 mit der Plattform ArtistShare seinen Siegeszug. In den Jahren 2008 und 2009 etablierten sich schließlich die heute maßgeblichen Plattformen Indiegogo und Kickstarter. Beide Crowdfunding-Plattformen bieten die Möglichkeit, mit Hilfe von Schwarmfinanzierung innovative Produkte oder Ideen in die Tat umzusetzen.

Allerdings ist Crowdfunding keinesfalls mit Onlineshopping gleichzusetzen - denn beim "Kauf" von Produkten auf Kickstarter und Indiegogo bestehen etliche Risiken. Deswegen sollten Sie vor der Überweisung einige Überlegungen anstellen. Wir haben uns beide Crowdfunding-Plattformen angesehen und sagen Ihnen, worauf Sie achten sollten.

Wie Kickstarter funktioniert

Kickstarter gilt gemeinhin als erfolgreichste Crowdfunding-Plattform. Hier finden Sie zahlreiche Produkte, die sonst keine Webseite - geschweige denn ein Brick & Mortar Store - im Angebot hat. Beim ersten Kickstarter-Besuch könnte man den Eindruck gewinnen, der Ablauf wäre der gleiche wie bei Amazon, Ebay und Co. - ist aber nicht so. Im Gegenteil. Bis das Auge das erste interessante Produkt ausgemacht hat, dauert es in der Regel jedoch auch im Fall von Kickstarter nicht allzu lange - egal ob es das kleinste Fahrrad-Smartlock der Welt, eine japanische Katzenbibel oder eine neue Zuckerbäckerei in der Nachbarschaft sein soll. Bevor Sie jedoch investieren, sollten Sie Ihren Blick auf folgende Punkte richten:

  • Welcher Betrag ist als Kampagnenziel ausgegeben?

  • Wie ist der aktuelle Stand der Zielerreichung?

  • Wie viel Zeit ist noch bis zum Kampagnenende?

Schließlich befinden sich alle Produkte auf Kickstarter noch in der Entwicklungsphase: Sie kaufen hier noch kein fertiges Produkt, sondern investieren in die Umsetzung einer Produktidee. Das ist zwar ein guter Weg, neue, interessante und innovative Produkte aufzutun - birgt aber aus Investorensicht auch einige Risiken.

Kickstarter - Shopping mit Risiken

Die gängigsten Widrigkeiten, die Sie bei einer Investition in ein Kickstarter-Projekt erwarten können, sind:

  • durchweg enttäuschende Endprodukte (beispielsweise durch unvorhergesehene Änderungen im Produktionsprozess)

  • Produkte, die trotz Zielerreichung nicht realisiert werden (zum Beispiel weil die Firma bereits vorher bankrott ist oder andere Probleme auftauchen)

Ein prominentes Beispiel, das gleich beide Fails miteinander kombiniert, ist die ZANO-Drohne. Das Projekt konnte insgesamt drei Millionen Dollar Investitionsvolumen generieren - die Macher waren allerdings nicht in der Lage, ein funktionierendes Produkt zu produzieren, bevor der Schuldenberg ins Unermessliche wuchs. Zwar erhielten einige wenige Investoren Drohnen, allerdings war es um deren Einsatzfähigkeit eher nicht so gut bestellt. Das Gros der Investoren ging leer aus:

Wie The Guardian berichtet, liegt der Prozentsatz der Projekt-Fails auf Kickstarter bei circa neun Prozent. Was im Umkehrschluss hieße, dass es 91 Prozent aller Projekte auf den Markt schaffen. Kein schlechter Schnitt - bis man die Perspektive des Endkonsumenten einnimmt: Wie verführerisch wäre für Sie eine Wahrscheinlichkeit von 1 zu 10, dass das von ihnen bestellte und bezahlte Produkt jemals bei Ihnen ankommt? Und selbst wenn es ankommt: In Zeiten von Next und Same Day Delivery müssen Sie sich darauf gefasst machen, dass es etliche Tage oder auch Monate dauern kann, bis Sie Ihr Objekt der Begierde in den Händen halten dürfen.

Eine Rückerstattung von Investitionen ist bei Kickstarter ebenfalls nicht vorgesehen - zumindest nicht von Seiten der Plattform selbst. Die Transaktionen finden direkt zwischen Investor und Anbieter statt. Ob bereits geleistete Zahlungen (teil-)rückerstattet werden können, entscheiden die jeweiligen Anbieter allein. Projekte, die länger dauern als angekündigt, sind nicht selten - aber kein Grund für eine Rückerstattung. Lediglich, wenn ein Projekt sein Finanzierungsziel nicht schafft, wird Ihr Konto gar nicht erst belastet - Kapital aus noch laufenden Kampagnen dürfen die Anbieter nämlich nicht verwenden.

Wie Indiegogo funktioniert

Wie bei Kickstarter geht es auch bei Indiegogo darum, Schwarmfinanzierungen für neue, innovative Produkte zu realisieren. Eine weitere Ähnlichkeit zur maßgeblichen Crowdfunding-Konkurrenz ist, dass Sie auch über Indiegogo keine fertigen Produkte erwerben, sondern in ambitionierte Projekte investieren. Dafür bekommen Sie (im Idealfall) das Produkt selbst - und je nachdem wieviel Sie investieren, spezielle, projektindividuelle Benefits. Im Vergleich zu Kickstarter deckt Indiegogo ein noch breitgefächerteres Produkt- und Projektportfolio ab. Hier finden Sie beispielsweise den kleinsten mobilen Farbdrucker der Welt, Massagepistolen, Comics, Musikprojekte oder auch Spezial-Kaffeemaschinen.

Auch im Fall von Indiegogo sollten Sie bei interessanten Produkten oder Projekten folgende Aspekte beachten:

  • Welcher Betrag ist als Kampagnenziel ausgegeben?

  • Wie ist der aktuelle Stand der Zielerreichung?

  • Wie viel Zeit ist noch bis zum Kampagnenende?

Zusätzlich unterscheidet Indiegogo zwischen flexibler und starrer Finanzierung: Mit flexiblem Finanzierungsziel fließen bei Nichterreichung dieses Ziels trotzdem alle bis dahin getätigten Investitionen in das Projekt. Das Modell der fixen Finanzierung spielt hingegen bei Nichterreichung des Finanzierungsziels alle Gelder an die Investoren zurück. Das ist ein wichtiger Punkt, denn bei flexiblem Finanzierungsziel und gleichzeitiger Nichterreichung sinken die Chancen auf eine Markteinführung beziehungsweise Realisierung des Produkts oder Projekts beträchtlich.

Indiegogo - nicht ohne Crowdfunding-Risiken

Auch Indiegogo lehnt es grundsätzlich ab, selbst tätig zu werden, um Rückerstattungen zu veranlassen. Es gibt jedoch auch bei dieser Crowdfunding-Plattform Ausnahmen - insofern:

  • die Investitionssumme noch nicht an den Kampagnen-Besitzer ausgezahlt wurde,

  • die Laufzeit der Kampagne noch nicht beendet ist,

  • und sich das Produkt noch nicht in der Auslieferungsphase befindet.

Sollten Sie sich also während einer noch laufenden Kampagne umentscheiden, besteht die Möglichkeit einer Rückerstattung durch Indiegogo. Danach müssten Sie mit dem Besitzer der Kampagne in individuelle Verhandlungen über den Sachverhalt eintreten. Sollte der Produktionsprozess bereits im Gange sein, sinken die Chancen auf Erfolg bei diesen Verhandlungen allerdings auf ein Minimum.

Kickstarter vs. Indiegogo - was denn nun?

Die Unterschiede für Investoren halten sich - abgesehen von den Finanzierungsoptionen auf Indiegogo - stark in Grenzen. Auf Anbieterseite sieht das Ganze schon anders aus. Für alle, die eine eigene Schwarmfinanzierungskampagen planen, ist die folgende Aufstellung der wichtigsten Unterschiede zwischen Kickstarter und Indiegogo sicherlich hilfreich:

Kickstarter:

  • Eigene Crowdfunding-Kampagnen können in diversen Ländern erstellt werden - darunter auch Deutschland;

  • Alle Kampagnen werden vor Freischaltung geprüft;

  • Gebühren: 3% bis 5% Bearbeitungsgebühr und 5% des tatsächlich erreichten Kampagnenziels;

Indiegogo:

Wer sich hier an Innovationen beteiligen möchte, sollte abschließend noch wissen, dass auch die Plattformen für Schwarmfinanzierung durchaus mit Kritik zu kämpfen haben:

Dieser Beitrag basiert in Teilen auf einem Artikel unserer UK-Schwesterpublikation TechAdvisor (fm).