Künstliche Intelligenz und ihre Teildisziplinen (Teil II)

KI: Unternehmen müssen Automatisierungsziele definieren

11.01.2019
Von 
Wolfgang Thronicke ist Principal Consultant und Mitglied der Scientific Community Atos.
Künstliche Intelligenz (KI) soll Hard- und Software im Unternehmensumfeld effizienter machen und Geschäftsprozesse automatisieren. Zuerst sollten Unternehmen aber definieren, was sie automatisieren wollen.
 KI ist eine daten- und wissensgetriebene Technologie, die bekannten Rezepte zur Softwareeinführung greifen hier nicht.
KI ist eine daten- und wissensgetriebene Technologie, die bekannten Rezepte zur Softwareeinführung greifen hier nicht.
Foto: Zapp2Photo - shutterstock.com

Viele Anwender haben bereits im Kundencenter Bekanntschaft mit virtuellen Assistenten gemacht. Diese sind nur ein Beispiel, wie sich künstliche Intelligenz (KI) in unserem Alltag verbreitet. Der virtuelle Assistent kombiniert Spracherkennung und -verarbeitung (Natural Language Processing, NLP) mit Spielarten des maschinellen Lernens (ML, Machine Learning). Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass künftig ihre Wettbewerbsfähigkeit davon abhängt, wie es ihnen gelingt, Systeme mit Daten und Erfahrungswerten für ein besseres Geschäft zu trainieren.

Daten als treibende Kraft

KI ist jedoch eine daten- und wissensgetriebene Technologie, die sich nicht wie eine x-beliebige Software einführen lässt. Ein Beispiel: Ein Unternehmen ist von Watson von IBM angetan und will Cognitive Computing betreiben, bei dem menschliche Textprozesse simuliert werden. Watson führt komplexe Textanalysen durch, wofür das System auf Suchmaschinen und Expertensysteme zurückgreift.

Letztere leiten Handlungsempfehlungen aus einer Wissensbasis ab. Nachdem Watson installiert ist, kann das System aber weder lesen, noch suchen oder untersuchen. Die Firma muss Watson erst mit Wissen befüllen. Welche Daten dafür infrage kommen, muss vorher klar sein. Denn heute gilt der Leitsatz: Bevor eine KI-Technologie diese Vorgänge automatisieren kann, sind zuerst die internen Entscheidungsprozesse und die zugrundeliegenden Daten zu definieren..

KI-Projekte erst auf Prozessschritte fokussieren

In der Regel fallen die zu verbessernden Abläufe in eine der beiden folgenden Kategorien: Entweder kann ein Mensch die Menge an Daten sowieso nicht verarbeiten und beurteilen, oder die Prozesse sind sehr stereotyp und wiederholen sich. Ein KI-Projekt fokussiert sich daher idealerweise zunächst auf einzelne Prozessschritte, um diese von KI-Verfahren autonom durchführen zu lassen. Im nächsten Schritt kann ein Unternehmen über automatisiertes Entscheidungs-Management den betreffenden Geschäftsprozess als Ganzes automatisieren. Auf diese Weise stellt sich ein optimaler Geschäftsnutzen ein.

In Stufen zum virtuellen Assistenten

Erfolgreiche KI-Automatisierungsprojekte erfordern eine genaue Analyse der einzelnen Prozessschritte.
Erfolgreiche KI-Automatisierungsprojekte erfordern eine genaue Analyse der einzelnen Prozessschritte.
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Ein Einstiegsmodel für einen virtuellen Assistenten kann beispielsweise so aussehen, dass über eine Cloud-Admin-Oberfläche Inhalt manuell administriert wird. In der nächsten Stufe erfolgt die Verknüpfung des virtuellen Assistenten mit verteiltem Inhalt. Durch kontinuierliche Verbesserung wird die Qualität des Inhalts immer besser.

Die Nutzung dieses Premiuminhalts für die Roboter-gesteuerte Prozessautomatisierung (Robot Process Automation - RPA) im Backend über maschinelles Lernen und maschinelles Schlussfolgern ist der nächste logische Schritt - zum Beispiel für die Textanalyse einer Angebotsanfrage. Die Ausbaustufe sieht danach das Einrichten von Schnittstellen zu den Backend-Systemen SAP, ServiceNow, Salesforce oder SharePoint vor, um den Inhalt zu sammeln, wobei diese Aufgabe RPA auch leistet.

Für die Umsetzung stehen Unternehmen eine Vielzahl an KI-Plattformen, Services und Anbieter zur Verfügung. Bei derBereitstellung favorisieren 56 Prozent der IT-Entscheider Cloud-basierte KI-Services, so die IDC-Studie "Künstliche Intelligenz in Deutschland 2018". Die Erhebung legt auch offen, wie unterschiedlich KI-affin die deutsche Wirtschaft ist.

So gaben 46 Prozent der befragten Energieversorgungsunternehmen an, dass sie bereits KI-Initiativen umsetzen. Mit diesem Reifegrad nehmen die Versorger die führende Position im Branchen-Ranking ein. Bei den Energieversorgern kristallisieren sich der verbesserte Mitarbeitereinsatz, Chatbots für die Interaktion im Kundenservice und die vorausschauende Wartung als die Top-3-KI-Anwendungsfälle heraus.

Anwendungsfälle als bestes KI-Provider-Zeugnis

Einige IT-Anbieter konzentrieren sich auf konkrete Anwendungsfälle, die sie abbilden wollen. Andere IT-Spezialisten bieten sowohl Plattformen, Cloud-fähige Anwendungen als auch fachliche Beratung. Aus Unternehmerperspektive gilt: Sie benötigen einen Dienstleister, der künstliche Intelligenz in ihr Haus bringen will, um das Geschäft zu verbessern. Und das kennt niemand besser als die Firmen selbst. Diese Kompetenz sollte ein KI-Provider für das Identifizieren und Definieren von Automatisierungspotenzial in den Abläufen nutzen. Erst danach wird das passende KI-Tool ausgewählt. Seriöse Anbieter warten mit dokumentierten Anwendungsfällen auf, welche die gesuchte Expertise belegen.

Weitere Informationen zum KI-Einsatz in Deutschland finden Sie auch in der Studie "Machine Learning/Deep Learning 2018" von COMPUTERWOCHE und CIO.