MÜNCHEN (CW) - Neue Trends der Künstlichen Intelligenz standen im Mittelpunkt des dritten
internationalen "AI Satelliten-Symposiums", das unter der Schirmherrschaft von Texas Instruments in
München stattfand. Diskutiert wurde ferner, wie es in diesem Bereich um die Investitionsbereitschaft der
Unternehmen bestellt ist und welche Einsatzmöglichkeiten bereits in der Praxis realisiert sind.
Zu der weltweiten Diskussionsrunde hatte Texas Instruments KI-Experten und -Anwender in
zwölf europäischen Städten und an diversen Übertragungsorten in den USA versammelt. Einhellige
Meinung der Fachleute: Künstliche Intelligenz und traditionelle Datenverarbeitung werden immer stärker
zusammenwachsen. Als besonders wichtiger Aspekt gilt dabei die Verknüpfung von wissensbasierten
Systemen mit Datenbank-Management-Systemen. Die Möglichkeiten der beiden oft als gegensätzlich
titulierten Welten, so die Fachleute, müßten bestmöglich ausgeschöpft und vereint werden.
Natürlichsprachliche Systeme auf dem Vormarsch
Unter dem Stichwort Integration erläuterte beispielsweise Barbara Sanders, Direktor für KI-
Systeme und Planung bei General Motors (GM), die Vorgehensweise ihres Unternehmens: Der Konzern
setze auf eine unternehmensweite Organisation zur Förderung und Koordinierung von KI-Programmen.
GM implementiere seine Expertensysteme auf der Basis früherer Erfahrungen mit anderen Disziplinen - vor
allem mit Robotersteuerungen und optischen Systemen. Deshalb habe man sich auch zu einer
Kapitalinvestition in die Teknowledge Corp. entschlossen.
Besonders fortschrittlich zeigt sich die US-Navy, wenn es um die Integration von Künstlicher
Intelligenz und konventioneller DV geht. Beim pazifischen Flottenkommando werden zwei Entwicklungen -
ein wissensbasiertes System und eine natürlichsprachliche Schnittstelle - mit einer bestehenden Datenbank,
Grafikfunktionen, Echtzeitdatenerfassung und einem Computernetzwerk verknüpft. Unter der Bezeichnung
"Force Requirements Expert Systems" (Fresh) wird dieses System eingesetzt, um signifikante
Veränderungen bei der Einsatzbereitschaft einer Flotte festzustellen sowie alternative Maßnahmen zu
bewerten und zu vergleichen.
"Wenn von Künstlicher Intelligenz die Pede ist", so kritisierte TI-Vertreter Dr. Harry Tennant,
"denken die meisten Leute nur an Expertensysteme. Inzwischen sind aber auch andere KI-Technologien
dem Laborstadium entwachsen und in einigen Einsatzbereichen kommerziell nutzbar geworden."
Besonders wichtig seien hier die Möglichkeiten, natürlichsprachliche Systeme einzusetzen. So arbeite
beispielsweise die US-Küstenwacht mit einem Produkt, das Texte verstehen kann und die von
Handelsschiffen eingehenden Meldungen lese. Kritische Daten wie Position, Geschwindigkeit oder Kurs
würden mit Hilfe dieses Systems in die Datenbank der Küstenwacht übernommen und könnten dazu
dienen, einem in Seenot geratenen Schiff schnellstmöglich Hilfe zu schicken.
Für die Verwendung von KI-Techniken im Rahmen des Rapid Prototyping sprach sich 4GL-Guru
James Martin aus: Die Veränderung der traditionellen DV-Welt schreite immer schneller voran, und dieser
Entwicklung müßten auch die in der Praxis verwendeten Systeme Rechnung tragen. Herbe Kritik übte der
Verfechter der Sprachen der vierten Generation vor allem an den DV-Praktikern: "Die Anwender betreiben
in ihrem eigenen Unternehmen fast grundsätzlich zuwenig Forschung und fördern Entwicklungsaktivitäten
nicht in ausreichender Weise."
Zu einem Round-table-Gespräch hatte Texas Instruments außerdem in Dallas amerikanische KI-
Experten an einen Tisch geholt. Von akademischer Seite vertreten waren Edward Feigenbaum, Dozent an
der kalifornischen Universität Stanford, und Roger Schank, Professor an der Yale University. Als
Repräsentanten der Industrie beteiligten sich Apple-Fellow Alan Kay, Douglas Lenat, wissenschaftlicher
Leiter des KI-Projekt bei der amerikanischen Privatinitiative MCC (Microelectronics and Computer
Technology Corporation) Herbert Schorr, Direktor der Gruppe Produkte und Technologie bei IBM, und
George Heilmeier, Senior Vice President and Chief Technical Officer von Texas Instruments.
Nach Ansicht von Yale-Professor Schank basieren viele Vorurteile gegen die Künstliche
Intelligenz auf einer falschen Interpretation des Begriffs "Artificial Intelligence". Dem Nicht-Spezialisten
werde hier eine Bedrohung suggeriert, die in der Praxis kaum in dieser Weise vorhanden sei. Schank: "Im
Prinzip sollte man all diese Produkte als dumme Systeme bezeichnen."
Künstliche Intelligenz in der Zwickmühle
Daß wissensbasierte Systeme den menschlichen Experten überflüssig machen könnten, will auch
Edward Feigenbaum nicht gelten lassen. Dies sei schon deshalb nicht möglich, weil jeder Fachmann auf
einem bestimmten Gebiet notwendigerweise über ein wesentlich breiteres Spektrum an Know-how verfüge,
als ein Expertensystem bieten könne. Ziel aller KI-Entwicklungen, so fordert Herbert Schorr, müsse es
deshalb sein, nicht den Experten zu automatisieren, sondern die Technik, die ihn unterstützt.
Durchaus kritische Stimmen gab es von seiten der nach München eingeladenen KI-Experten. Uwe
Gill, Geschäftsführer der Insiders GmbH in Mainz, beschrieb die Situation der Künstlichen Intelligenz
folgendermaßen: "Wir befinden uns zwischen den beiden Messern einer Schere. Einerseits wird überall das
Thema KI diskutiert. Auf der anderen Seite aber sehen die Leute nur die schnelle Mark, die mit dieser
Technik eventuell zu machen ist. Dadurch kommt es zu einer übersteigerten Erwartungshaltung beim
Kunden, der man mit den heutigen technischen Mitteln und Produkten noch nicht Rechnung tragen kann."
Ähnliche Erfahrungen hat auch Gerhard Barth, Professor an der Universität Stuttgart, gemacht.
Für ihn ist es ein wesentliches Kennzeichen der Informatik, daß oft zu schnell zu viel Neues gefordert
werde. Daraus resultiere dann unweigerlich Frust, bis sich das Pendel zwischen Euphorie und Ablehnung
auf ein gesundes Mittelmaß eingeschwungen habe. Sein Fazit: "KI ist eine durchaus praktisch nutzbare
Disziplin. Sie wird sich aber als Flop erweisen, wenn sie nicht in den richtigen Anwendungsbereichen zum
Einsatz kommt."