Fraunhofer-Studie zu KI

KI: Theorie gut - Praxis mangelhaft

11.06.2018
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Machine Learning (ML) ist die Schlüsseltechnologie für kognitive Systeme auf KI-Basis und damit ein entscheidender Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung von Unternehmen. Die Fraunhofer-Gesellschaft hat in einer aktuellen Studie untersucht, wie Deutschland hier positioniert ist.
Bei der Theorie in Sachen KI/ML kann Deutschland im internationalen Vergelich noch mithalten - mit dem Transfer in die Wirtschaft hapert es jedoch.
Bei der Theorie in Sachen KI/ML kann Deutschland im internationalen Vergelich noch mithalten - mit dem Transfer in die Wirtschaft hapert es jedoch.
Foto: Sarah Holmlund - shutterstock.com

Es gibt kaum einen Bereich, der nicht von ML- und KI-basierten Technologien entscheidend transformiert wird: von der Güterproduktion über die Logistik bis zur Medizintechnik. Schon die Vielzahl der Einsatzmöglichkeiten ist ein Grund für das öffentliche Interesse. Die Debatte ist jedoch laut Fraunhofer oft von Halbwissen, Vermutungen und Mythen geprägt. Hier setzt die im Kontext eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts erstellte Studie "Maschinelles Lernen - Kompetenzen, Anwendungen und Forschungsbedarf" an.

Mangelnder Transfer in die Wirtschaft

ML/KI-Kompetenz in Deutschland - analysiert auf Basis der wissenschaftlichen Publikationen.
ML/KI-Kompetenz in Deutschland - analysiert auf Basis der wissenschaftlichen Publikationen.
Foto: Fraunhofer IAIS und IMW

Geht es um die Forschung als Basis jeder neuen Technologie, so ist der Studie zufolge in Deutschland bereits eine solide Grundlage geschaffen worden. Nicht so rosig sieht es dabei beim Transfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft aus. So sind zum Beispiel Länder wie die USA, China, Südkorea oder Japan, was die Anzahl der Patentfamilien im Bereich ML und KI angeht, Deutschland noch weit voraus.

Dementsprechend wichtig ist es in den Augen der Studienautoren, nicht den Anschluss zu verlieren und sowohl in die ML-Forschung zu investieren als auch gezielt den Transfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft zu fördern. Hier gelte es vor allem, den Einsatz von ML-Techniken in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) zu fördern und Eigenentwicklungen anzuregen, um hinsichtlich des Rückstands bei den Patentanmeldungen im internationalen Vergleich aufzuschließen.

Die Zahl der Patentanmeldungen als auch die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen in Fachzeitschriften sowie Konferenzbeiträge wurden dabei als Kriterien zur Bewertung des KI-Reifegrades herangezogen. Geographisch betrachtet, müssen sich Deutschland und Europa hier nicht hinter den anderen Regionen verstecken. Mehr als 60 Prozent der ML-Publikationen entfallen im Schnitt auf die USA, EU und China. Schaut man sich allerdings an, wer die publikationsstärksten Akteure weltweit sind, dann fällt auf, dass sich unter den Top 10 sieben chinesische Forschungseinrichtungen befinden. Deutschland folgt erst weit abgeschlagen mit der Max-Planck-Gesellschaft auf Platz 31.

Wenig deutsche Patente

Entwicklung der Patente zu ML-Technologien.
Entwicklung der Patente zu ML-Technologien.
Foto: Fraunhofer IAIS und IMW

Ernüchternd sieht es dann hinsichtlich der Patentanmeldungen aus: Die USA, China und Südkorea vereinen über 75 Prozent der weltweiten Patentanmeldungen im Bereich ML auf sich. Die Patentstatistik wird dabei von Microsoft, IBM, Google, Amazon, Cisco, Qualcomm sowie Samsung, Korea Electronics Telecom und Huawei sowie ZTE angeführt.

Melden hierzulande Unternehmen ML-Patente an, dann sind das vor allem Großunternehmen. So nennen die Autoren allen voran Siemens, gefolgt von Bosch, Deutsche Telekom, Daimler, BMW sowie SAP. Insgesamt stammen 56 der insgesamt 75 ML-bezogenen Patente aus Großunternehmen. Kleine und mittlere Unternehmen spielen hier also keine Rolle. Allerdings lassen die Ergebnisse noch keine Aussage zur Aufgeschlossenheit der Unternehmen gegenüber dem KI-Einsatz zu, denn im Gegensatz zu der IDG-Studie "Machine Learning/Deep Learning 2018", erfasst die Fraunhofer-Studie keine Unternehmen, die zwar ML verwenden, aber die Technologie nicht selbst entwickelt haben.

Vor diesem Hintergrund kommt die Studie zu dem Schluss, dass vor allem der Einsatz von ML-Techniken in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) zu fördern ist und Eigenentwicklungen angeregt werden sollten, um hinsichtlich des Rückstands bei den Patentanmeldungen im internationalen Vergleich aufzuschließen. Dies sei insbesondere eine Frage zielgerichteter Informationsangebote, etwa in Form von Best Practices und konkreten Anwendungsszenarien. So hätten kleine und mittlere Unternehmen vielfach ein Interesse an ML-Techniken, sobald ihnen konkrete Einsatzmöglichkeiten mit unternehmerischem Mehrwert aufgezeigt werden.

Die Studie "Maschinelles Lernen - Kompetenzen, Anwendungen und Forschungsbedarf" wird auf der CEBIT 2018 am Fraunhofer-Stand (Halle 27, Stand E78) vorgestellt.