Zu teuer, zu aufwendig und maßlos überschätzt

KI-Technik halt nicht, was sie einst versprach

29.09.1989

KÖLN - "In der Bundesrepublik laufen nur etwa zwei Dutzend funktionsfähige Expertensysteme", so Softwareberater Dieter Scheitor, in einem Vortrag vor dem Kölner KI-Kreis. Die Euphorie vergangener Jahre sei der Ernüchterung gewichen: "Expertensysteme können Experten nicht ersetzen, sondern allenfalls unterstützen."

Auf Einladung der Infodas GmbH in Köln präsentierte der DEC-Angestellte, der sein Unternehmen auch in der DEC-User-Society (Decus) vertritt, Zahlen, die für sich sprechen: "In der Bundesrepublik entfällt von den gesamten Softwareinvestitionen der Unternehmen etwa ein Prozent auf KI-Systeme." Scheitor zieht die Bilanz, daß es trotz des öffentlichen Interesses an Künstlicher Intelligenz bisher nur eine geringe Nachfrage in der Wirtschaft gebe.

Der KI-Fachmann nennt auch die Gründe: "Bereits die Auswahl von KI-Werkzeugen stellt den Kunden vor schier unlösbare Probleme." Für den Anwender sei es schon schwierig genug, sich Oberhaupt für eine KI-"Schule" zu entscheiden. Außerdem, so Scheitor, verfügen die meisten Unternehmen weder über das aufwendige technische Know-how noch über das entsprechende Personal, denn: "Die extrem lernaufwendigen Expertensysteme machen Programmierer und Systemanalytiker keineswegs überflüssig." Nachteilig für den Markt wir(..) sich auch die mangelnde Kompatibilität von KI-Werkzeugen aus: "Sowol Expertensystem-Shells als auch KI-Sprachen lassen sich mir sehr schlecht an die IBM-Großrechner anbinden." Sie laufen heute nach Ausführungen Scheitors auf Workstations, mit denen der Schritt vom Prototypen zum ablauffähigen System wesentlich vereinfacht worden sei. Die alten dedizierten KI-Maschinen, so der Referent, werden heute kaum noch zur KI-Anwendungsentwicklung herangezogen.

Scheitor sprach jedoch nicht nur über die Marktsituation der Künstlichen Intelligenz, sondern er bemühte sich ebenfalls sei nichts anderes als ein Laufzeitsystem, mit dem aus der Wissensbasis Regeln gezogen und dem Benutzer vermittelt werden könnten. Auch hinter dem prätentiös anmutenden Begriff der "Wissensakquisitionskomponente" verberge sich lediglich ein einfacher Editor, mit dem man Daten in die Wissensbasis einbringen könne.

Das radikale Fazit des KI-Insiders: "Ein Expertensystem ist darum, die KI-Begriffswelt zu erläutern und vor allem zu entmystifizieren. Eine Wissensbasis, so vermittelte sein Vortrag, besteht lediglich aus Regeln und Objekten. "Menschliches Wissen dagegen ist wesentlich komplexen und auf einer Wissensbank nicht darstellbar." Außerdem gebe es grundsätzlich keine lernfähigen KI-Programme.

Die dem Begriff nach durchaus geläufige Inferenzmaschine von der Architektur her vergleichbar mit einem Datenbanksystem!" Die Datenbank verarbeite allerdings einfachere Informationen und es komme auf den hohen Durchsatz, die Menge der Transaktionen pro Sekunde, an. Bei der Arbeit mit Expertensystemen sei in erster Linie das qualitative Ergebnis wichtig.

Als die eigentliche bisherige Leistung der KI-Forschung beurteilt Scheitor die Entwicklung von Benutzerschnittstellen. Als Beispiel führt er X/Windows an, das als KI-Fenster der objektorientierten Sprache Smalltalk im Hause Xerox entwickelt worden sei.

Der Vortrag ging auch konkret auf die Fehlleistungen verschiedener KI-Bereiche ein: "Die großen Hoffnungen, die man in Übersetzungssysteme gesetzt hatte, sind enttäuscht worden. Allenfalls als Vorübersetzer sind solche Systeme tauglich." Das Leistungsvermögen linguistischer Systeme insgesamt sei bisher eher mangelhaft.

Spracheingabesysteme beruhen laut Scheitor bisher nur auf dem Prinzip des Wiedererkennens - von "Sprachverständnis" im eigentlichen Sinne könne keine Rede sein. Roboter funktionieren, so der Referent, meistens nach dem sehr "schwierigen" Prinzip der optischen Mustererkennung; hier allerdings seien Entwicklungsfortschritte von den neuronalen Netzen zu erwarten.