KI braucht EQ

KI muss Emotionen verstehen können

Kommentar  03.12.2018
Von 
Johann Toll ist Executive Director Transformations bei IPSoft.

Die Stärke der zukünftigen KI: Ihre emotionale Intelligenz

Wenn Mimik, Gesten, Sprachmuster, Tonfall oder Körpersprache nicht stattfinden oder ignoriert werden, geht ein Großteil der Kommunikation verloren. Ich persönlich bin absolut davon überzeugt, dass die wahre Stärke einer zukünftigen KI in der emotionalen Intelligenz liegt. Denn es ist schwierig - oder vielleicht sogar unmöglich - eine Beziehung mit jemandem (oder etwas) aufzubauen, der / die / das unsere Gemütsverfassung und Emotionen nicht verstehen oder interpretieren kann.

Der Aufbau und die Pflege guter Kundenbeziehungen sind für jedes Unternehmen, das in irgendeiner Form eine Dienstleistung oder ein Produkt verkauft, von zentraler Bedeutung. Wenn ich als Kunde beispielsweise frustriert und verärgert bin, erwarte ich, dass dies in der Kommunikation wahrgenommen und berücksichtigt wird. Bekomme ich stattdessen eine unbefriedigende Antwort und habe das Gefühl, dass meine Verärgerung ignoriert wird, ist das Risiko groß, dass das Unternehmen mich als Kunden verliert. Denn rein rationale Faktoren, wie etwa die grundsätzliche Qualität der Dienstleistung oder des Produkts, verlieren angesichts eines negativen Erlebnisses im Rahmen der direkten Kommunikation an Bedeutung. Und dabei spielt es im Grunde keine Rolle, ob ich mich von einem menschlichen oder einem virtuellen Kundendienstmitarbeiter ignoriert oder unverstanden fühle.

Nur Faktenwissen rezitieren reicht nicht

Über wie viel rationale Intelligenz ein System verfügt ist also fast unwichtig, wenn es unsere Absichten nicht versteht. Sehr viel nützlicher als eine KI, die nur Faktenwissen rezitieren kann, ist ein System, das

  • permanent aus unseren Interaktionen mit ihm lernt,

  • unsere Aussagen in den richtigen Kontext bringt,

  • unsere Intentionen erkennt,

  • bestimmen kann, wie relevant welche Informationen sind,

  • einschätzen kann, welche Elemente der Konversation gespeichert (erinnert) werden sollten und

  • das auch auf solche Äußerungen richtig reagieren kann, die nicht wortwörtlich gemeint sind.

Um auf die eingangs angesprochene Tatort-Folge zurückzukommen: Eine künstliche Intelligenz, die über all diese Fähigkeiten und somit über die entsprechende emotionale Intelligenz verfügt, hätte beim Stichwort Selbstmord nicht einfach die Anzahl, Definition und Statistik von Suizidmethoden referiert. Eine KI mit EQ hätte einfühlsame, tröstende und aufbauende Worte gefunden und beispielsweise die Telefonnummer einer geeigneten Hilfs-Hotline präsentiert - oder vielleicht sogar selbst angewählt, um den menschlichen Gesprächspartner mit einem qualifizierten menschlichen Experten zu verbinden.

Die erfolgreiche KI der Zukunft muss also nicht nur in der Lage sein, schnell und korrekt rationale Lösungen zu liefern. Sie muss auch überzeugen, wenn es um darum geht, die Gefühle und Bedürfnisse des Nutzers zu erkennen und angemessen zu reagieren.