Google Assistant, Android N & Daydream

KI-Highlights & Neuheiten auf der I/O 2016

20.05.2016
Google erhebt Anspruch auf die Führungsrolle in der vernetzten Zukunft. Der Konzern verknüpft gigantische selbstlernende Computer mit seinem Datenschatz und der Fähigkeit, natürliche Sprache zu verstehen. Die Konkurrenz darf sich warm anziehen.

Wie nutzen Sie Google? So wie schon immer, indem man Worte in den Suchschlitz tippt? Für die Zukunft hat Google einen anderen Plan. Der Internet-Pionier will nicht mehr nur Suchmaschine sein, sondern persönlicher Assistent, dem man Fragen stellt oder Aufgaben erteilt - und zwar egal, worum es dabei geht: Wissensfragen, Termine, Einkaufslisten, Reisepläne - das tägliche Leben soll künftig im Dialog mit Google geklärt werden können.

Google hält Einzug im Smart Home

Damit bestätigt der Internet-Gigant die Richtung, die auch seine großen Rivalen Facebook, Amazon, Apple und Microsoft eingeschlagen haben. Und Google könnte diesen Konkurrenten extrem gefährlich werden: Denn die Macht der künstlichen Intelligenz im Maschinen-Gehirn von Google gepaart mit zwei Jahrzehnten Erfahrung bei der Internet-Suche ist nicht zu unterschätzen. "Heute verstehen wir eine Milliarde Begriffe: Leute, Orte und Dinge in ihrem Verhältnis zur realen Welt", sagt Google-CEO Sundar Pichai, und das ist keine leere Prahlerei. Dazu kommt die über Jahre perfektionierte Fähigkeit, nicht nur den Klang menschlicher Sprache zu verstehen, sondern auch den Inhalt richtig zu interpretieren.

Im Haushalt soll Googles sprechender Assistent in einem einen kleinen weißen Lautsprecher wohnen. Das Gerät mit dem Namen Google Home hört aufs Wort, spielt die gewünschte Musik ab - soll aber im Grunde auch jede Frage beantworten, die einem so einfallen kann. Und Schnittstellen zu allen möglichen Geräten und Diensten sollen das Gerät zur universellen Schaltzentrale fürs Leben machen. Zu den Partnerdiensten für den neuen Lautsprecher gehören bereits MyTaxi, der Fahrdienst-Vermittler Uber und Musikdienste wie Spotify. Lautsprecher in verschiedenen Räumen können miteinander verbunden werden und zusammenarbeiten. Google will auch die Möglichkeit bieten, das Design dem Geschmack der Nutzer anzupassen. Die Ankündigungen trafen auf begeisterten Applaus der Konferenz-Teilnehmer.

KI-Zukunft auf der Google I/O 2016

Die Visionen der Technologie-Giganten liegen eng beieinander: Amazon hat mit dem Lautsprecher Echo, von dem laut einigen Schätzungen bereits drei Millionen Geräte verkauft wurden, eine ähnliche Plattform aufgebaut. Facebook setzt ebenfalls massiv auf künstliche Intelligenz und Gründer Mark Zuckerberg will höchstpersönlich einen Assistenten für sein Zuhause programmieren. Apple macht über die Schnittstellen der HomeKit-Plattform Hausgeräte über die sprechende Siri per iPhone steuerbar. Kann Google seine Stärken in dieser neuen Welt bündeln und mehr erreichen als die Konkurrenz? Und welche Folgen hätte der Wandel für das Geschäftsmodell von Google? Schließlich verdient der Konzern nach vor allem mit Anzeigen im Umfeld der Internet-Suche.

Pichai selbst sprach zur Eröffnung der Entwicklerkonferenz Google I/O von einem Wendepunkt für den Konzern. Die Google-Dienste sollen viel nützlicher werden und schneller die richtigen Informationen für den aktuellen Moment liefern. Schon heute liefere beispielsweise eine Google-Suche nach Beyoncé nicht nur Links zur Homepage der Sängerin, sondern führe im "Knowledge Graph" auch die wichtigsten biografischen Daten, eine Liste der populärsten Songs sowie demnächst anstehende Konzerte auf. Künftig soll Google Home diese Informationen dann auch auf Nachfrage liefern.

Dieses neue Gesicht der Internet-Suche könnte mit der Zeit auch die Wettbewerbshüter vor eine veränderte Situation stellen. Wenn es darum geht, direkte Antworten statt eine Auswahl an Internet-Links zu liefern, wie kommen Wettbewerber von Google-Diensten in diese Gleichung rein? Diverse Konkurrenten beschwerten sich schon lange, dass ihre Angebote in der Google-Suchmaschine zugunsten hauseigener Services benachteiligt würden - und zumindest die EU-Kommission sieht an manchen Stellen Anhaltspunkte dafür.

Neue Messenger-Apps von Google

An einer anderen Stelle könnte Google wiederum für eine Belebung des Wettbewerbs sorgen. Die mobile Kommunikation via Messenger ist zumindest in der westlichen Welt fest in der Hand des Facebook-Konzerns. Der zu Facebook gehörende Dienst WhatsApp hat rund eine Milliarde aktive Nutzer, der Facebook Messenger noch einmal 900 Millionen. Google spielt trotz der zahlenmäßigen Dominanz im Smartphone-Markt beim Messaging nur eine untergeordnete Rolle - auch weil es auf Android-Smartphones keine überzeugenden Standard-Apps wie iMessage und Facetime auf dem iPhone gab. Das soll sich nun ändern.

Mit Allo führt Google einen WhatsApp-Klon ein, der über eine aufgeräumt wirkende Oberfläche verfügt und einige Design-Spielereien erlaubt. Außerdem will Google auch hier seine KI-Kompetenz ausspielen und den Usern beim schnellen Antworten in einem Chat hilfreich zur Seite springen. Ob die Anwender aber ein vom Google-Bot vorgeschlagenes Katzenbild süß oder eher gruselig finden, wird sich noch herausstellen. Und die Videochat-App Duo ahmt - nicht nur beim App-Logo - relativ unverhohlen Apples Facetime nach, bietet aber mit einer neuartigen Anklopf-Funktion im Vergleich zum Vorbild durchaus neue Ansätze. Und da die beiden Dienste nicht nur für Android-Geräte, sondern auch für iPhone und iPad angeboten werden, darf auch Apple sich nicht länger auf dem Erreichten ausruhen.

Android N, VR-Plattform & Android Wear 2.0

Bei der nächsten Android-Version, die bisher nur unter dem vorläufigen Namen "N" bekannt ist, will Google unter anderem die Sicherheit verbessern. Der endgültige Name der neuen Android-Version wird per Umfrage ermittelt. Mit den sogenannten Instant Apps werden Anwendungen künftig in kleine Fragmente aufgeteilt - wodurch eine sofortige Nutzung ohne Ladezeiten und vorherige Installation möglich sein soll.

Mit der Virtual-Reality-Plattform Daydream, will Google künftig auch dieses Wachstumsfeld besetzen. Der Schritt soll dafür sorgen, dass auf Android-Devices verschiedenster Hersteller eine konstant hohe Qualität gewährleistet ist. Führende Smartphone-Hersteller seien bereits an Bord, sagte der zuständige Google-Manager Clay Bavor. Auch die hauseigene Videoplattform kann an dieser Stelle zum Einsatz kommen: "Wir haben YouTube von Grund auf neu für VR-Inhalte umgebaut", sagte Bavor. Auch Konkurrent Facebook setzt massiv auf Virtual Reality - auch wenn es um die künftige Video-Kommunikation zwischen Usern geht.

Nutzer von Smartwatches auf Android-Basis werden Text-Inhalte künftig mit Hilfe einer kleinen Tastatur und Schrifterkennung eingeben können. Außerdem sollen mit Android Wear 2.0 alle Apps künftig direkt auf den Uhren laufen und damit grundsätzlich auch ohne eine Verbindung zum Smartphone auskommen können.

Google entwickelt eigene Chips für künstliche Intelligenz

Wie Google am Rande der I/O 2016 bekannt gab, würden die selbstlernenden Devices auf Chips aus eigener Entwicklung laufen. Die Systeme mit der Bezeichnung "Tensor Processing Unit" (TPU) würden seit über einem Jahr in Rechenzentren von Google eingesetzt. Die Prozessoren hätten unter anderem die Software AlphaGo angetrieben, die im März den weltbesten Spieler des Brettspiels Go, Lee Sedol, schlagen konnte. Bis dahin galt das asiatische Boardgame als zu komplex für Computer.

Die TPUs seien speziell für die Aufgaben des Machine Learning konzipiert und bräuchten deswegen weniger Transistoren pro Rechenoperation, erklärte Google in einem Blogeintrag. Dadurch könnten sie bei gleicher Leistung mehr Aktionen als herkömmliche Systeme ausführen.

Bisher war nicht bekannt, dass Google auch eigene Chips entwirft. Das könnte eine neue Wettbewerbslage für Unternehmen aus der Halbleiter-Branche bedeuten. Unter anderem setzt der für seine Grafikkarten bekannte Anbieter Nvidia massiv darauf, dass seine Technologien in KI-Rechnern zum Einsatz kommen. Apple entwirft schon länger eigene Prozessoren für iPhones und iPads auf Basis von Technologien des Chipentwicklers ARM. (dpa/fm/rs)