Forschungsprojekt WISDOM des BMFT wurde mit 22,4 Millionen Mark gefördert:

KI: Expertensysteme automatisieren Büroarbeit

30.06.1989

MÜNCHEN (pg) - Das vom Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) geförderte Forschungsprojekt WISDOM hat Früchte getragen. Die beteiligten Institutionen und Unternehmen haben für den Bereich der künstlichen Intelligenz im Büro Prototypen wissensbasierter Systeme sowie ein gemeinsames Werkzeugsystem geschaffen.

Die Federführung des Projektschwerpunktes "Wissensverarbeitung und Mustererkennung" lag bei der Triumph-Adler AG(TA),Nürnberg. Laut Projektleiter Rainer Lutze, bei TA für den Bereich Forchung zuständig, beliefen sich die Gesamtkosten des Projekts auf 38,2 Millionen Mark, wovon 22,4 Millionen aus Miteln der öffentlichen Hand bestritten wurden.Weitere Teilnehmer waren die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung(GMD),Bonn,die Systemtechnik Berner & Matter GmbH,München, die Univesität Stuttgart,das Stuttgarter Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IOA) der Fraunhofer Gesellschaft sowie die Technische Universität München.

Das bisher größte Forschungsprojekt in Sachen künstlicher Intelligenz hatte zwei Ziele:Erstens sollte die Wissenslücke gegenüber den USA und Japan auf diesem Sektor geschlossen und eine eigene, international konkurrenzfähige Infrastruktur für die Forschung und Entwicklung von Expertensystemen aufgebaut werden.

Zweitens sollten am Ende des Projekts Softwaresysteme stehen, die Dokumente,Erklärungen und Handlungsabläufe im Büro selbständig produzieren. Grund: Das Know-how über wissensbasierte Systeme ist hauptsächlich in den Vereinigten Staaten angesiedelt. Folge: Softwarewerkzeuge zum Bau solcher Systeme werden bislang fast ausschließlich von US-Herstellern angeboten.

Die Grundlage der in WISDOM entwickelten Expertensysteme bildet das Werkzeugsystem "Luigi", das zur Konstruktion wissensbasierter Einheiten dient. Es nutzt Repräsentationsformalismen, die es dem Ingenieur ermöglichen, problemadäquate Darstellungen von Wissen zu konstruieren. "Luigi" wurde von den Beteiligten in der ersten Projektphase gemeinsam entwickelt, wobei, so Peter Hoschka, Direktor des Instituts für angewandte Informationstechnologie der GMD, "im wesentlichen räumlich getrennt gearbeitet und in Arbeitsgruppen die Ergebnisse besprochen wurden."

Aufbauend auf "Luigi" wurden im Laufe des Projekts vier Expertensysteme als Prototypen entwickelt, die zum Teil die Unterstützung der Büroarbeit zur Aufgabe haben. So hat die Systemtechnik Berner & Matter in Zusammenarbeit mit der TU München im Teilprojekt "Kokon" eine Anwendung für das Notariat ersonnen. Sie realisiert weitgehend automatisch den Entwurf von Immobilien-Kaufverträgen.

In den Forschungslabors der TA liegt die Wiege der beiden wissensbasierten Systeme "Medici" und "Leonardo". "Medici" ist ein Beratungssystem, das Kunden und Beratern in Banken bei der Auswahl von Anlageformen unter die Arme greift und seine Empfehlungen auch begründet. Das Konfigurationssystem "Leonardo" erzeugt beim Händler vollständige Angebotstexte und die Zusammenstellung komplexer Produkte. Die TA Olivetti GmbH - Muttergesellschaft der TA - unterzieht "Leonardo" derzeit einem Praxistest, um Lösungen auf der Basis seiner LSX-Minicomputer zu koordinieren.

"Nutznießer" des WISDOM-Projekts ist die TA Olivetti GmbH. Dies räumte Heinz P. Wiening, Geschäftsführer der TA Olivetti für den Bereich Großkunden, ein, denn als das Projekt 1984 gestartet wurde, war TA noch Tochter der Volkswagen AG. Mit der Übernahme von TA Ende 1986 sei Olivetti in das Projekt hineingerutscht und könne heute an den Forschungsergebnissen teilhaben. Allerdings mußte Olivetti dem BMFT zusichern, Produkte, die als Folge des Projekts zur Marktreife gelangen, nur in der Bundesrepublik zu vertreiben. Eine Verbotsklausel im Förderungsvertrag besagt nämlich daß deutsche Unternehmen die unter ausländischer Kapitalhoheit stehen, die Forschungsergebnisse nur mit Genehmigung des BMFT weitergeben dürfen.

Viertes Kind der WISDOM-Forschung ist das Expertensystem "Domino", das gemeinsam von der GMD und TA entwickelt wurde. "Domino" so GMD-Vertreter Hoschka, "ist ein System, das die aufgabenbezogene Kommunikation eines Vorgangs steuert, indem es die Beteiligten über anstehende Aktionen benachrichtigt und Arbeitsergebnisse automatisch an die vorgesehenen Personen weiterleitet. "Das System gibt laut GMD über den Bearbeitungsstand eines Vorgangs Auskunft, wobei die Regeln der Vorgangsabwicklung im System durch einen Organisator abgelegt werden. Hier liege jedoch, so Hoschka, momentan noch ein Schwachpunkt, weil der Endbenutzer nicht die Möglichkeit habe, selbst auf das System Einfluß zu nehmen.

An diesem Problem wird Hoschka zufolge in der Forschung und Entwicklung weiter gearbeitet. Deshalb sei die Zusammenarbeit der GMD mit TA nach Projektschluß am 31. März auch nicht eingestellt worden. Vielmehr, so gab der GMD-Mann bekannt, stehe ein Kooperationsvertrag - unabhängig von weiteren Förderungsmitteln - kurz vor dem Abschluß. Ziel weiterer Aktivitäten ist die Portierung der Forschungsergebnisse von Spezialrechnern auf herkömmliche Maschinen sowie die Überleitung in allgemein zugängliche und wettbewerbsfähige Produkte auf Unix-Grundlage.