Hacker-Freunde gingen dem KGB und der Bundesanwaltschaft ins Netz:

KGB wollte Infos zu C, Unix und CA-Techniken

25.08.1989

KARLSRUHE (bi) - Erstmals Anklage gegen drei Hacker wegen einer Straftat gegen die äußere Sicherheit hat jetzt die Bundesanwaltschaft erhoben. Es bestehe der Verdacht der gemeinschaftlichen geheimdienstlichen Agententätigkeit für den sowjetischen Geheimdienst KGB.

Die Anklageschrift wurde dem Croupier Peter C. (35) aus Hannover, dem Computerfachmann Dirk B. (30) aus Berlin und dem Programmierer Markus H. (28) aus Hannover bereits zugestellt. Zwei weitere Angeschuldigte sind in die Sache verwickelt: Karl K., der unter bislang ungeklärten Umständen tot aufgefunden wurde, und Hans H, der ebenfalls wegen des Vergehens der geheimdienstlichen Agententätigkeit angeklagt ist, dessen Fall jedoch gesondert behandelt wird (siehe Kasten).

Drei der Beteiligten, nämlich Dirk K., ferner der zu Tode gekommene Karl. K. und Hans H., hatten offenbar, so die Bundesanwaltschaft, im Frühsommer 1986 die Idee,

"Hacker-Kenntnisse" zu Geld zu machen. Sie waren Mitglieder eines Hannoveraner Hacker-Stammtisches, genannt "Chaos-Computer-Club, Leitstelle 511". "Hacker-Moral" ist jedoch, so kürzlich erst wieder Wau Holland, Guru des berühmt-berüchtigten Hamburger Original-"Chaos Computer-Clubs": "Nur zu zeigen, wie leicht es ist, in fremde Computersysteme einzudringen. Hacker sollten jedoch die Informationen, die sie aufspüren, nicht benutzen."

Die drei (respektive vier), die vom Pfade der Hacker-Tugend abzuweichen gedachten, weihten, so sieht es jedenfalls die Bundesanwaltschaft, den Angeschuldigten Peter C., seines Zeichens Croupier und später der Kassierer der Gruppe, in ihre Vermarktungspläne ein. Er sollte den Kontakt zum sowietishen Geheimdienst aufnehmen und diesem bereits vorhandene oder noch zu beschaffende Angaben über Zugangsberechtigungen, sogenanntes "erhacktes Material", zum Kauf anbieten. Dieses Material wollten der Computerfachmann Dirk. K., der verstorbene Karl K., Hans H. und später dann auch der ageschuldigte Programmierer Markus H. anliefern.

Zwar wurde ein KGB-Kontaktmann in Ostberlin gefunde, jedoch zeigte sich dieser

Zuträger des Decknamens "Serge" mit den gesammelten Zugangsberechtigungen allein nicht zufrieden, obwohl sie Systeme aus dem Bereich der Forschung oder gar militärische Einrichtungen der Bundesrepublik oder der westlichen Auslandes betrafen. Offenbar weren dem Mittelsman der Russen oder den Russen selbst die mitgelieferten "Beweise" in Form von Dokumentationen diverser erfolgreicher "Hackangriffe" die eingeforderte Million Mark der vermeintlich geschäftstüchtigen Computer-Club-Insider nicht wert. Unversehens sahen sich die Hacker-Freunde vom KGB in die Zange genommen, eigenhändig in die angepriesenen Systeme einzudringen. Im Klartext: Sie sollten die von ihnen als Lockmittel in Aussicht gestellten heißen Informationen selbst mit ihrem für teures Geld angebotenen "Hacker-Know-how" für das KGB erhacken.

Bei der Auftragsvergabe zeigten die Russen viel aktuelle Sachkunde. Sie wollten nämlich, so die Presseinformation der Bundesanwaltschaft weiter:

- Software, vornehmlich Entwicklungssysteme im Quellcode spezieller Betriebssysteme;

- Compiler und Fertigungssteuerungen;

- CAD-Programme für die Konstruktion mechanischer, elektrischer und elektronischer Komponenten für den Fahr- und Flugzeugbau sowie die Chipherstellung;

- Informationen aus militärisch genutzten US-amerikanischen DV-Anlagen und Datenbanken.

Der angeschuldigte Croupier aus Hannover lieferte, und zwar bei etwa 25 Treffs mit seinem Führungsoffizier. Das Datenmaterial war hauptsächlich von Markus H. aus fremden Rechnern für den KGB abgezogen. Auch die georderten Programme konnte der Spieltisch-Matador im geforderten Quellcode übergeben.

Über den Umfang der derart an den KGB weitergeleiteten "Hacker-"Erkenntnisse liegen, so die Karlsruher, sichere Feststellungen nicht vor; jedoch enthielten die Lieferungen nach den bisherigen Ermittlungen unter anderem:

- eine Magnetbandkassette mit einem Entwicklungssystem für die Computersprache C;

- ferner Informationen aus Zugangsberechtigungen zu einer Vielzahl von Rechnersystemen aus dem Forschungs-, Industrie- und Militärbereich in der Bundesrepublik, den USA, Frankreich, England, Holland, Kanada, Hongkong und Japan;

- und eine Vielzahl von Programmen im Quellcode überwiegend zu Unix-Systemen

- ferner über ein "Security-Pack".

Für die gemeinsamen "Leistungen" der Hacking Gang kassierte Peter C. zirka

90 000 Mark, die er teilweise an seine Kumpane weitergab. Bezahlt wurde jeweis erst nachdem Experten in Moskau die Ware klassifiziert und bewertet hatten.