Unterwegs mit einer Usability-Expertin

"Kennen Sie den Knopf schon?"

30.04.2013
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Was macht eigentlich eine Usability-Expertin? CW-Redakteurin Alexandra Mesmer hat Sandra Köpf von Exact Software Deutschland einen Tag lang begleitet und ihr über die Schulter geschaut.
Mit Friedhelm Bergmann, Entwicklungsleiter bei Exact, bereitet Usability-Expertin Sandra Köpf den Kundenbesuch im oberschwäbischen Laupheim vor.
Mit Friedhelm Bergmann, Entwicklungsleiter bei Exact, bereitet Usability-Expertin Sandra Köpf den Kundenbesuch im oberschwäbischen Laupheim vor.
Foto: Exact Software Deutschland

9:00 Sandra Köpf trinkt ihren Morgenkaffee heute im Büro von Entwicklungsleiter Friedhelm Bergmann. Nur eine Glasscheibe trennt die beiden vom lichten Großraumbüro, in dem Köpf sonst zusammen mit ihren 30 Kollegen aus Produkt-Management, Qualitätssicherung und Softwareentwicklung inmitten von Bildschirmen und prächtigen Grünpflanzen arbeitet. Als Usability-Expertin ist die 32-Jährige bei Exact dafür verantwortlich, dass die Benutzeroberfläche der Lohnsoftware neu entwickelt und den Bedürfnissen der Kunden entsprechend verbessert wird. Was sich einfach anhört, ist bedingt durch die Zielgruppe ein größeres Unterfangen. „Lohnbuchhalter haben ein großes Sicherheitsbedürfnis und Abrechnungen sind sehr kontrollintensiv", umschreibt Köpf. Knallige Farben sind hier ebenso fehl am Platz wie multifunktionale Fenster, die den Überblick erschweren.

Sandra Köpf testete schon in der Konzeptphase zusammen mit Kunden mögliche Funktionen und kam zu überraschenden Ergebnissen: „ Uns war zum Beispiel nicht bewusst, dass Buchhalter meist nur ein Fenster offen haben und eine Aufgabe nach der anderen abarbeiten, um Fehler zu vermeiden." Auch Papier spiele im Arbeitsalltag der Buchhalter noch eine große Rolle, da viele Änderungen oder Daten manuell eingegeben werden müssen. Mittlerweile sind die Tests abgeschlossen, und die neue Benutzeroberfläche ist seit einem Jahr bei Kunden im Einsatz. Sandra Köpf wird heute mit Entwicklungschef Bergmann zu einem dieser Kunden fahren, um zu sehen, wie die neue Oberfläche angenommen wird und was noch verbessert werden muss. Denn „Usability ist nie fertig", weiß Bergmann. Allerdings können man am besten sehen, wo es hakt, wenn man den Kunden bei ihrer Arbeit über die Schulter schaut. „Usability-Experten müssen immer mit dem User auf Augenhöhe sein."

10:30 Unterwegs auf der A8 in Richtung Stuttgart, Bergmann fährt, Köpf kann sich auf dem Rücksitz mit der Journalistin über ihren Job unterhalten. Darüber, dass sie unterschiedlichste Anforderungen, sei es vom Management, vom Gesetzgeber, aus ihren Kundenbesuchen oder auch gezielte Kundenwünsche, berücksichtigen muss. Darüber, dass sie nur die Hälfte ihrer Arbeitszeit vor dem Computer verbringt, um Konzepte zu entwickeln, Anforderungen auszuformulieren oder Mails zu bearbeiten. Darüber, dass sie den kreativen Teil ihrer Arbeit, die Abbildung der neuen Funktionalitäten, am liebsten mit Stift und Papier und in Ruhe im Home Office erledigt. „Kreativität passiert nicht vor dem Rechner." Darüber, dass bei Exact „keine Ellenbogen unterwegs sind" und vieles auf Zuruf funktioniert, sie jeden unkompliziert ansprechen kann, was ihrer Schnittstellenfunktion entgegenkommt. Als Usability-Expertin vermittelt Köpf die Kundenwünsche und -anforderungen den Softwareentwicklern und den Kollegen der Usability-Agentur, arbeitet aber auch eng mit Produkt-Management, Training, Consulting und Support zusammen.

12:15 Trotz zeitweise dichten Verkehrs kommt das Exact-Team pünktlich in Laupheim an. Die Suche nach einem Mittagsimbiss dauert länger als erwartet, da in der oberschwäbischen Kleinstadt die Pizzerien oder Cafés entweder geschlossen oder nur für angemeldete Gäste Platz haben. Schließlich findet sich noch ein kleines Gasthaus, wenngleich nur ein Cordon Bleu mit Pommes, Soße und Minimuffin, dafür aber zum unschlagbaren Preis von 6,80 Euro auf der Speisekarte steht.

13:00 Ulrike Wagner, Personalsachbearbeiterin bei Colep CCL in Laupheim, empfängt das Exact-Team schon am Eingang. Die patente Schwäbin ist eine der Kundinnen, die mit der neuen Benutzeroberfläche der Lohnsoftware arbeiten. Zwei Tage im Monat widmet sich Wagner der Lohnbuchhaltung für die 220 Mitarbeiter des Lohnabfüllers, und wie viele andere Exact-Kunden hat auch sie die Daten, die sie in das Softwaresystem eingeben muss, in Form von ausgedruckten Mails, Tabellen, Durchschlägen von Versicherungsverträgen oder Blättern mit handschriftlichen Notizen vor sich. Usability-Expertin Köpf steht mit Block und Stift zusammen mit Entwicklungschef Bergmann hinter Wagners Schreibtisch und beobachtet die Buchhalterin bei der Arbeit. Wagner klickt sich zügig durch das Menü und tippt rasch die Daten ein.

13:45 Als Personalfrau Wagner die Geschäftsreisen nach der neuen Reisekostenverordnung abrechnen muss, macht sie ihre Besucher auf Verbesserungsbedarf aufmerksam: „Wenn ich die Personalnummer in das Suchfeld eingebe, sollte das System zuerst die Personalnummern auf Übereinstimmung durchsuchen und nicht irgendwelche Zahlen wie Daten oder Geburtsdaten." Köpf notiert die Änderung und erkennt, dass Buchhalter nicht nur sicher, sondern auch schnell arbeiten müssen. Auch Ulrike Wagner zieht darum Kurzbefehle über Tastenkombinationen dem Arbeiten mit der Maus vor, da sie sehr viele Zahlen Daten eingeben muss und es schneller ist, nur über die Tastatur zu arbeiten als ständig zwischen Maus und Tastatur wechseln zu müssen. Sandra Köpf hat mittlerweile mehrere Seiten ihres Blockes vollgeschrieben.

Lohnbuchhalter wie Ulrike Wagner müssen viele Daten eingeben, sicher und schnell. Usability-Expertin Köpf zeigt der Kundin Abkürzungswege im neuen System.
Lohnbuchhalter wie Ulrike Wagner müssen viele Daten eingeben, sicher und schnell. Usability-Expertin Köpf zeigt der Kundin Abkürzungswege im neuen System.
Foto: Exact Software Deutschland

Jetzt beugt sie sich über Wagners Schreibtisch und geht mit ihr die verschiedenen Abkürzungswege durch. „Kennen Sie den Knopf schon?" fragt Köpf ihre Kundin, die sich über die neue Abkürzung freut. Angesichts der Arbeitsweise wird Entwicklungschef und Usability-Expertin beispielsweise deutlich, warum die moderne Seitenleiste am linken Rand der neuen Benutzeroberfläche kaum genutzt wird. Um diese aufzuklappen, braucht man auch wieder die Maus, die aber selten benutzt wird. Nun müssen sich Köpf und Bergmann überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, die Seitenleiste zu reduzieren.

15:00 Nach einer Kaffeepause verabschieden sich Sandra Köpf und Friedhelm Bergmann von Ulrike Wagner. Während Köpf sich für die Offenheit und Bereitschaft zur Mitarbeit bei ihrer Kundin bedankt, freut diese sich, dass sie als Anwenderin mitreden darf. Im Auto zurück nach München spricht Köpf mit ihrem Entwicklungschef nochmal die wichtigsten Ergebnisse des Kundenbesuches durch. In den nächsten Wochen wird sie insgesamt zehn Kunden besuchen.

Die Ergebnisse aus ihren Kundenbesuchen bespricht Köpf mit den Produkt-Managerinnen Sabine Kiefer (links) und Inge Hoffmann.
Die Ergebnisse aus ihren Kundenbesuchen bespricht Köpf mit den Produkt-Managerinnen Sabine Kiefer (links) und Inge Hoffmann.
Foto: Exact Software Deutschland

17:00 Wieder zurück in Dornach. Auf Entwicklungsleiter Bergmann wartet ein voller Mail-Account, auf Sandra Köpf ihr Computer, in den sie ihren Besuchsbericht tippen wird. Am besten heute noch, solange die Eindrücke frisch sind und nicht mit dem nächsten Kundenbesuch vermischt werden können, der Köpf schon morgen nach Nördlingen führen wird. Drei bis vier Seiten werden wohl zusammenkommen, sie wird auch Kleinigkeiten vermerken, schließlich können sie Anstoß zu neuen Ideen sein. Köpf schaut immer mal wieder in ihre Berichte, die auch die Grundlage ihrer Entscheidung bilden, wie die Benutzeroberfläche mit Blick auf die Kunden verbessert werden soll.